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Interview deutsche Aktien: „Das Beste kommt noch“

Deutsche Aktien hatten einen gigantischen Lauf in diesem Jahr. Gute Gelegenheit, bei zwei renommierten Fondsmanagern für deutsche Aktien nach den Perspektiven nachzufragen. Unser Gespräch mit Raik Hoffmann und Martin Wirth von der FPM AG über ein unverhofftes Comeback, das globale Aktienportfolios noch länger beflügeln könnte.

envestor: Herr Hoffmann, Herr Wirth, deutsche Aktien hatten um das Jahr 1900 einen Anteil von etwa 13 Prozent am damaligen weltweiten Aktienmarkt. Deutschland lag damit an dritter Stelle hinter Großbritannien und den USA. Heute liegt der Anteil deutscher Aktien nur noch bei rund 2,5 Prozent. Finden Sie das angemessen oder ist das ein Problem für die deutsche Wirtschaft?

 

Wirth: Ich sehe das zum Teil mit Bedauern. Es ist auch eine Folge der globalen Entwicklung. Andere Länder haben einfach besser aufgeholt, und Deutschland ist heute kleiner als damals. Der Haupttreiber für den Rückgang des Anteils ist aber klar: Die USA haben sich als dominierende Wirtschaftsmacht etabliert. Ihr riesiger Binnenmarkt verschafft amerikanischen Unternehmen enorme Skalenvorteile, die in Europa oder Deutschland so nicht möglich sind.

Hoffmann: Viele der großen US-Tech-Unternehmen profitieren davon, dass sie in ihrem Heimatmarkt quasi konkurrenzlos wachsen konnten. In Europa ist das viel schwieriger. Die Bewertungsunterschiede zwischen vergleichbaren Unternehmen in den USA und Europa sind enorm – für den gleichen Cashflow gibt es in den USA oft eine deutlich höhere Bewertung. Das ist für Investoren zwar ärgerlich, aber bietet auch Chancen, günstig einzusteigen.

Dass deutsche Aktien günstig bewertet sind, ist das eine, das andere ist, dass es dafür in den vergangenen 15 Jahren Gründe gab …

Wirth: Das stimmt. Nach der Finanzkrise haben die USA ihre Probleme schnell gelöst, während Europa und speziell Deutschland lange mit den Folgen der Eurokrise und Bankenkrise zu kämpfen hatten. Hinzu kamen politische Unsicherheiten, eine restriktive Zinspolitik der EZB und eine zunehmende Bürokratie. All das hat das Wachstum und die Attraktivität deutscher Aktien gebremst.

Hoffmann: Man muss aber dazu sagen, dass die Wahrnehmung bei vielen Investoren die Underperformance zusätzlich verstärkt hat. Anleger investieren oft mit Blick in den Rückspiegel. Deutsche Aktien waren lange Zeit „out“, weil sie lange Zeit out waren bzw. die Magnificent 7 „in“. Das hat sich in den Köpfen der Anleger festgesetzt, gerade bei der jüngeren Generation, die vor allem in globale ETFs wie den MSCI World investiert.

Was stimmt Sie optimistisch, dass deutsche Aktien künftig wieder stärker in den Fokus internationaler Investoren rücken?

Wirth: Wir sehen, dass viele der negativen Faktoren inzwischen verarbeitet wurden – von Anlegern wie von Unternehmen. Auch die Rahmenbedingungen haben sich verändert. Die Zinsen sind nicht mehr bei null, das Thema Verteidigung wird ernst genommen, und es gibt Initiativen, die Regulierung zu entschlacken. Außerdem gilt in Europa nach wie vor das Recht des Gesetzes, was langfristig ein Standortvorteil ist, gerade im Vergleich zu den USA, bei denen man den Eindruck gewinnt, dass die Policy von der Laune und der Tagesform des US-Präsidenten abhängt.

Wie nehmen Sie das aktuelle Stimmungsbild bei Investoren wahr?

Hoffmann: Vor einem Jahr war es für uns noch schwierig, überhaupt Termine bei institutionellen Anlegern zu bekommen. Jetzt ist das Interesse an deutschen Aktien wieder deutlich größer. Die Unsicherheiten – etwa durch Handelskonflikte – sind zwar noch da, aber Investoren gewöhnen sich daran und passen ihre Strategien an.

Was wäre Ihr Elevator Pitch für deutsche Aktien bei einem Vorstand einer Versorgungskasse?

Hoffmann: Es gibt heute aktuell eine außergewöhnlich breite Auswahl an günstig bewerteten Aktien über alle Sektoren hinweg. Viele Unternehmen sind fundamental solide, und die Rahmenbedingungen verbessern sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Situation weiter verschlechtert, ist gering – das Potenzial für eine positive Entwicklung ist dagegen hoch.

Welche Unternehmen oder Sektoren stehen bei Ihnen besonders im Fokus – abseits der bekannten Namen wie SAP oder Siemens?

Wirth: Wir werden in vielen Sektoren fündig, wobei wir uns bei der Aktienauswahl nur von den Unternehmen leiten lassen und nicht nach Branchen investieren. Neben den großen Namen gibt es viele interessante Nebenwerte, beispielsweise Unternehmen aus dem Konsumsektor, die von einer Erholung des Konsumklimas profitieren könnten. Aber auch Industrie-, Dienstleistungs- oder Health-Care-Unternehmen sind immer noch deutlich günstiger bewertet als in der Vergangenheit, trotz rekordhoher Indexstände.

Was könnte den entscheidenden Trigger liefern, damit institutionelle Investoren wieder stärker in deutsche Aktien investieren?

Hoffmann: Letztlich ist es immer die Performance, die das Geld anzieht. Wenn deutsche Aktien anfangen, besser zu laufen, werden auch die institutionellen Investoren nachziehen. Ein zusätzlicher Schub könnte kommen, wenn Unternehmen verstärkt Aktien zurückkaufen und so den Wert für die Aktionäre steigern.

Wirth: Die Ausgangslage für deutsche Aktien ist besser als seit mindestens 15 Jahren. Die Bewertungen sind attraktiv, viele Unternehmen sind solide aufgestellt, und die Rahmenbedingungen verbessern sich. Wir erwarten, dass deutsche Aktien in den kommenden Jahren gut abschneiden werden. Auch nach der Outperformance deutscher Aktien in diesem Jahr glaube ich, dass das Beste noch kommen wird.

Lange Zeit waren Aktienrückkäufe bei deutschen Unternehmen eher eine Seltenheit. Wird dieser kursstützende Faktor künftig wichtiger?

Wirth: Definitiv. Aktienrückkäufe sind ein effektiver Weg, den Unternehmenswert zu steigern – vor allem, wenn die Bewertungen niedrig sind. Wir sehen bereits, dass immer mehr Unternehmen diesen Weg gehen, von der Münchener Rück bis zur Deutschen Telekom.

Kommen wir zum ewigen Streitthema Value vs. Growth. Sie sind bekennende Anleger in günstig bewertete Aktien. Value war aber in Europa seit der Finanzkrise gegenüber Growth deutlich im Nachteil. Hat sich Ihr Investmentstil über die Jahre verändert?

Hoffmann: Wir sind Value-Investoren, aber wir achten sehr auf die Qualität der Unternehmen. Das Ziel ist es, in Unternehmen zu investieren, die günstig bewertet sind und das Potenzial haben, zu wachsen. Am spannendsten ist es, wenn ein Value-Titel zum Growth-Titel wird. Ein Beispiel dafür ist Sartorius. Das Unternehmen war nach der Finanzkrise aufgrund seiner damals hohen Verschuldung extrem niedrig bewertet, hat sich dann aber zu einem Wachstumswert entwickelt. Und wenn der Aktienmarkt etwas nicht entdeckt, macht es eben jemand anderes: Nach der Übernahme der Aareal Bank durch Private Equity hat das neue Management einen Teilbereich verkauft – zu einem Preis, der fast dem gesamten damaligen Unternehmenswert entsprach – und bekam damit die Bank mit mehr als 2 Mrd. € Eigenkapital umsonst. Durch solche Maßnahmen kann auch viel Wert gehoben werden. Die Norma Group ist dafür auch ein gutes Beispiel, dass man solche Maßnahmen nicht erst nach einer Übernahme umsetzen muss.

Und dann gibt es aber noch die Beispiele von Unternehmen, die die Erwartungen enttäuschen und vom Wachstumswert zum hässlichen Entlein werden und sich plötzlich in der Value-Schublade wiederfinden …

Wirth: Da fällt mir Fresenius ein, die lange als Wachstumswert galt, aber nach einer Phase der Schwäche stark gefallen ist und heute wieder ein attraktiver Value-Titel ist.

Wie vermeiden Sie die sogenannte Value-Falle, also dass eine Aktie dauerhaft günstig bleibt, ohne dass es zum „Trigger“ kommt, der einen Kursanstieg auslöst?

Hoffmann: Einmal meiden wir Unternehmen, die dauerhaft keine Gewinne erwirtschaften können. Bei Restrukturierungskandidaten achten wir darauf, dass Unternehmen ihre Probleme erkennen und bereit sind, Veränderungen umzusetzen. Oft dauert es eine Weile, bis der Kapitalmarkt das honoriert. Aber wenn die Fundamentaldaten stimmen und das Management handelt, kommt der Trigger meist irgendwann.

Wirth: Das kann mitunter ziemlich lange dauern. Heidelberger Druck ist dafür ein Beispiel. Das Unternehmen ist inzwischen grundsolide. Aber anscheinend haben Anleger noch die schwierige Situation im Hinterkopf, als die Kosten hoch waren und das Unternehmen viele Probleme hatte. Inzwischen sind die Schulden deutlich zurückgefahren worden, und das Unternehmen ist weltweit eines der Marktführer. Aber die Aktie wird von Anlegern komplett links liegen gelassen. Neulich auf dem Investment-Tag fanden sich immer noch nur eine Handvoll Anleger und Analysten wieder. Das war schon bemerkenswert.

Vielen Dank, Herr Hoffmann, vielen Dank, Herr Wirth.

Das Gespräch führte Ali Masarwah, envestor

Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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