Werden Rüstungs-ETFs zum Goldstandard in Anlegerportfolios? Die NATO-Staaten erhöhen ihre Verteidigungsausgaben, hohe Rüstungsinvestitionen stehen an. Bevor Fondsanleger auf den Kaufknopf drücken, sollten sie das Für und Wider sorgfältig abwägen. Spoiler: Es hat etwas mit Themenfonds zu tun.
Rüstungsaktien und Rüstungs-ETFs sind in diesem Jahr stark nachgefragt. Nachdem US-Präsident Donald Trump Zweifel an der Bündnistreue der USA geweckt hat und Russland seinen Krieg gegen die Ukraine unerbittlich fortsetzt, steht Europa vor einem neuen Aufrüstungszyklus. Die Bedeutung der Verteidigungsindustrie ist längst ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt, und die Fondsbranche macht bei Neuauflagen Tempo – so groß, dass wir nur wenige Monate nach unserer Produktschau heute ein Update zu neuen Rüstungs-ETFs und Rüstungsfonds bringen. Die sonst so vertriebsorientierte Fondsindustrie agiert bisher aber vorsichtig, und es wurden bisher nur zwei aktiv verwaltete Fonds für Rüstungs- beziehungsweise Verteidigungsaktien aufgelegt. Noch stehen Rüstungs-ETFs im Mittelpunkt.
Rüstungs-ETFs sind auch Themenfonds
Bevor wir unsere Marktübersicht bringen, möchten wir kurz daran erinnern, dass Rüstungs-ETFs Themenfonds sind. Diese Produkte – wir haben es bereits häufiger erläutert – weisen gleich mehrere Fußangeln auf. Diese sind schwerwiegend. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass Themenfonds langfristig nicht überzeugen: Die Renditen sind bestenfalls durchschnittlich, und viele Fonds und ETFs, die Themen abbilden, werden über die Zeit vom Markt genommen, wie eine Analyse des Fondsanalysehauses Morningstar aus dem Jahr 2024 erneut gezeigt hat. Anleger müssen folgende Checkliste beherzigen. Sie müssen sich vergewissern, ob:
- das Investmentthema, das ein Fonds abbildet, langfristig tragfähig ist;
- die konkrete Strategie hinter dem Thema qualitativ hochwertig ist;
- die Märkte, die dem Thema zugrunde liegen, heißgelaufen sind.
Arbeiten wir diese Checkliste kurz ab, bevor wir zu unserem eigentlichen Produkt-Update kommen. Wo stehen Rüstungs-ETFs und Rüstungsfonds?
Punkt eins: Ja!
Die NATO-Staaten haben sich auf ihrem jüngsten Gipfel verpflichtet, spätestens von 2035 an jährlich fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung und Sicherheit zu investieren. Auch wenn 1,5 Prozentpunkte in die Infrastruktur fließen sollen und damit keine Rüstungsausgaben im strengen Sinne sind, bedeutet eine Erhöhung der Verteidigungsbudgets von den aktuellen Vorgaben von 2,0 Prozent des BIP auf 3,5 Prozent einen Riesensprung.
Punkt zwei: Es kommt darauf an.
Qualität liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Das Thema „Rüstung“ wird von unterschiedlichen Fonds- und ETF-Anbietern höchst unterschiedlich interpretiert, wie wir weiter unten sehen werden. Ob eine Strategie aufgehen wird oder nicht, können wir heute nicht sagen. Aber bevor wir uns schamlos mit dem Hinweis „alles hat seine Berechtigung“ aus der Verantwortung stehlen, sei darauf hingewiesen, dass breiter aufgesetzte Strategien mehr Erfolg versprechen als sehr eng begrenzte. Das liegt in der Logik der Sache: Mit stark konzentrierten Rüstungs-ETFs können spektakuläre Renditen erzielt werden, aber sie können auch spektakulär scheitern. Das bringt uns zu Punkt drei:
Punkt drei: Ja!
Rüstungsaktien sind ziemlich heißgelaufen. Allein die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGVs) der Aktien in den Rüstungs-ETFs am Markt zeigen, dass Anleger den Aktien viel zutrauen. Durchschnitts-KGVs von 30 oder 35 sind keine Seltenheit. Ein Blick auf die Zuflüsse in die ETFs selbst zeigt, wie heiß das Thema ist: Von dem Vermögen von 11,5 Milliarden Euro in Rüstungs-ETFs und Rüstungsfonds wurden in diesem Jahr 7,4 Milliarden neu investiert. „Hot Money“ plus hohe Bewertungen = Performance-Armageddon in der Zukunft? Nicht zwingend. Aktien können bei starkem Wachstum in ihre Bewertungen „hineinwachsen“, und der Momentum-Effekt kann länger anhalten. Die Ampel zeigt also nicht zwingend auf „rot“. Auf „grün“ steht sie allerdings inzwischen auch nicht mehr.
Unsere Checkliste zeigt also in Summe typische Themen-ETF-Risiken. Ob diese kurzfristig zu einer schwachen Performance für Neueinsteiger führen müssen, ist allerdings nicht ausgemachte Sache. Anlegerinnen und Anleger sind nunmehr davor gewarnt, nur den positiven Prognosen Glauben zu schenken und können jetzt hoffentlich auch die Risiken in ihre Überlegungen einbeziehen.
Rüstungs-ETF: Märkte und Produkte
Kommen wir nun zum Markt für Rüstungs-ETFs und Rüstungsfonds. Die Übersicht weiter unten zeigt, dass noch immer ETFs dominieren: 13 von 15 Produkten sind Indexfonds. Nur der Deka Security and Defense und der LBBW Sicher Leben sind aktiv verwaltete Fonds. Seit unserem Update von Anfang des Jahres ist die Zahl der ETFs und Fonds für Rüstungsaktien von sieben auf 15 gestiegen. Der größte ETF für Rüstungsgüter, der VanEck Defense ETF, ist zugleich der älteste. Er wurde Ende März 2023 aufgelegt. Er verfügt über ein Vermögen von 5,2 Milliarden Euro – ein Wachstum von 120 Prozent binnen Jahresfrist. Die meisten der ganz neuen Fonds sind zwar erwartungsgemäß klein. Allerdings hat derjenige eine Chance auf schnelles Wachstum, wer in eine Lücke stößt. Der WisdomTree Europe Defense ETF kommt bereits auf ein Vermögen von 2,8 Milliarden Euro, obwohl er erst Ende März aufgelegt wurde. Europa-Rüstungs-ETFs sind offenbar das Gebot der Stunde in einer Zeit, in der die Rüstungsausgaben der USA tendenziell (auf hohem Niveau) stagnieren.
Kommen wir zu den Kosten. Die Neulinge sind – das ist ein typisches Bild bei Nachahmer-ETFs – deutlich günstiger als die „First Mover“. Unter den günstigsten Neulingen finden sich der europa-fokussierte SPDR S&P Europe Defense Vision mit jährlichen Kosten von nur 0,30 Prozent. Der BNPP Easy Bloomberg Europe Defense ETF kostet sogar nur 0,18 Prozent pro Jahr. Zum Vergleich: Für ältere Produkte werden noch Gebühren von über 0,5 Prozent fällig. Der teuerste ETF, der First Trust Index Global Aerospace & Defence, kostet sogar 0,65 Prozent pro Jahr.
Die Zusammensetzung der ETFs offenbart unterschiedliche Ansätze: Während traditionelle Strategien, etwa die des First Trust Index Global Aerospace, zu 47 Prozent in klassische Rüstungskonzerne wie Lockheed Martin investieren, setzen „Next-Gen“-Produkte wie der Global X Defence Tech ETF auf hybride Technologie. Dessen Top-Position Palantir (10,8 Prozent) symbolisiert den Shift von klassischen Rüstungskonzernen, die dem Industriesektor zugeschlagen werden, hin zu Tech-Firmen: KI-gestützte Datenanalyse dient militärischer und ziviler Nutzung gleichermaßen. Den höchsten Tech-Anteil weist der Future of Defence ETF mit einer Quote von knapp 40 Prozent auf. Indes investiert der iShares Global Aerospace fast ausschließlich in klassische Rüstungsaktien aus dem Industriesektor.
ETFs mit Fokus auf Cyber-Sicherheit (zum Beispiel Invesco Defence Innovation) profitieren dabei von der Aufrüstung digitaler Infrastruktur, die 25 Prozent des NATO-Ziels ausmacht. Allerdings droht hier das Thema zu verwässern: Das Thema Cyber Security ist allenfalls ein Teilbereich der Rüstungsindustrie und existiert bereits in Gestalt vieler Themenfonds (deren Bilanz oft längerfristig ansehnlich ist).
Regional zeigen sich klare Divergenzen – wobei die ETFs und Fonds deutlich stärker Richtung Europa tendieren, als man das angesichts der Dominanz von US-Rüstungskonzernen vielleicht vermuten würde. In diesem Jahr sind zudem verstärkt Rüstungs-ETFs mit definiertem Fokus auf Europa auf den Markt gekommen. Der WisdomTree Europe Defence ETF, der SPDR S&P Europe Defense Vision, der iShares Europe Defence und der BNPP Easy Bloomberg Europe Defence sind nur einige Beispiele. Indes repräsentiert der iShares Global Aerospace noch die „alte Welt“ mit einem Anteil von 64,15 Prozent an US-Aktien. Grundsätzlich bringt ein globaler Anlageschwerpunkt ein hohes Gewicht an US-Aktien von mindestens 50 Prozent.
Neben der Einzeltitelauswahl beziehungsweise -gewichtung und der Zugehörigkeit zu einem Sektor (Tech versus Industrie) kommt auch noch der Größenfaktor (Size) ins Spiel. Die Rüstungs-ETFs am Markt investieren zwar schwerpunktmäßig in Standardwerte – im Schnitt sind es 70 Prozent –, allerdings gibt es auch hier starke Divergenzen: Der Invesco Defence Innovation investiert in erster Linie in kleinere Unternehmen; knapp die Hälfte des Fondsvermögens findet sich in Small und Micro Caps. Letztere sind sonst kaum in Rüstungs-ETFs und -Fonds vertreten. Diese Allokationen sind zu beachten. Nebenwerte haben sich in den vergangenen Jahren überwiegend schlechter entwickelt als Standardwerte.
Performance-Treiber und kritische Risiken
Die Renditezahlen der Fonds am Markt sind einerseits beeindruckend, allerdings ist die Bilanz sehr kurzfristig: Nur drei Rüstungs-ETFs und -Fonds haben eine Einjahresbilanz. Kein Fonds ist älter als zweieinhalb Jahre. Der VanEck Defense ETF erzielte in den vergangenen zwölf Monaten eine Performance von sensationellen 65 Prozent. Der Future of Defence legte um 55 Prozent zu, und auch der eher auf traditionelle Rüstungskonzerne konzentrierte iShares Global Aerospace & Defence ETF stieg um beeindruckende 37 Prozent.
Auch 2025 sieht die Performance sehr gut aus. Bei Fonds mit voller Sechsmonats-Historie legt der Global X Defence Tech ETF um gut 41,5 Prozent zu, gefolgt vom VanEck Defense ETF und Future of Defence mit einem Plus von 35,66 Prozent bzw. 33,2 Prozent.
Auch begründete Fantasie bleibt zunächst Fantasie
Die oben skizzierten Performance-Zahlen speisen sich aus konkreten Budgetflüssen: Dass Deutschland seine Verteidigungsausgaben von zwei auf 3,5 Prozent des BIP erhöhen muss, bringt angesichts der Größe der deutschen Wirtschaft der Rüstungsindustrie pralle Auftragsbücher. Viele andere NATO-Länder werden ebenfalls einen steigenden Anteil ihrer Budgets in den Rüstungsetat fließen lassen.
Die geopolitische Lage zwingt vor allem Europa zu einer grundlegenden Neuordnung seiner Verteidigungspolitik. Auch wenn Trumps Friedensinitiative in Moskau erkennbar nicht gut ankommt und der US-Präsident angedeutet hat, von der Renitenz seines Kreml-Freundes Putin genervt zu sein, steht die Verpflichtung der USA, Europa zu verteidigen, noch immer in Frage. Der jüngste Stopp der Lieferung wichtiger Flugverteidigungsmunition an die Ukraine liefert hierfür einen weiteren Beleg. Europa wird also nicht umhinkommen, notfalls den Ukraine-Krieg auf eigene Kosten fortzuführen und darüber hinaus selbst massiv aufzurüsten.
Rüstungsunternehmen und Technologieanbieter werden in den kommenden Jahren steigende Umsätze verzeichnen. Rüstungs-ETFs und -Fonds bilden also ein Wachstumsmarkt ab. Punkt eins unserer Checkliste weiter oben ist also abgehakt. Bei den beiden anderen Punkten hängt es am Szenario der Anleger: Sind die Kurse zu heiß gelaufen? Sind Tech-Aktien à la Palantir vielversprechender als Giganten wie Lockheed Martin oder Rheinmetall?
Wachstum ist das eine. Das andere ist, dass die Kurse von Rüstungskonzernen auch von der Hoffnung angetrieben werden, dass die NATO-Staaten das Ziel, 3,5 Prozent des BIP in Rüstungsgüter zu investieren, tatsächlich umsetzen werden. Die Vergangenheit zeigt, dass sich viele Staaten bereits mit dem Zwei-Prozent-Ziel schwergetan haben. Spanien hat auf dem NATO-Gipfel Ende Juni bereits angekündigt, das Ziel nicht erreichen zu können beziehungsweise zu wollen – Spanien hat nun einmal keine gemeinsame Grenze zu Russland. In den baltischen Staaten und Polen sieht die Verteidigungsbereitschaft entsprechend größer aus. Hoffnungen und Fantasien mögen begründet sein – aber letztlich sind sie eben genau das: eine Spekulation auf die Zukunft.
Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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