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„Auch für ELTIF-Fonds ist die Straße nicht mit Geld gepflastert“

Private Märkte oder öffentliche Märkte? Ein Interview mit Investment-Consultant Jens Kummer über den Reiz von Direktanlagen – und den Unterschieden zu klassischen Aktien- und Anleihen-Investments. Die Debatte ist aktuell, wie die Einführung von ELTIF-Fonds zeigt, die vor allem Infrastrukturprojekte finanzieren sollen.

Sind Direktinvestments über private Märkte für Anlegerinnen und Anleger erstrebenswert? Liefern sie hohe, mit Aktien und Anleihen unkorrelierte Renditen bei verminderten Risiken? Die Debatte wird seit dem Platzen der Dot-Com-Blase Anfang des Jahrtausends unter immer neuen Vorzeichen geführt. Früher waren Hedgefonds die Verheißung, heute sollen Fonds für Private Equity und Private Debt diese Vorteile liefern. Die Signale aus der Realität sind widersprüchlich: Einerseits zeigen offene Immobilienfonds, dass klassische Fonds Schwierigkeiten haben, Direktanlagen „liquide“ zu machen. Andererseits sollen ELTIF-Fonds – wiederum illiquide – Infrastruktur-Investments für Otto-Normalanleger zugänglich machen. Diese relativ neue Fonds-Gattung soll von den staatlichen und überstaatlichen Dekarbonisierungs-Initiativen (EU) und Infrastrukturprogrammen (USA) profitieren. Wir haben nachgefragt bei Jens Kummer, Chief Investment Officer und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung des Investment-Consultants FAROS. Kummer begann seine Karriere als Berater bei KPMG, später war er Leiter Multi Asset bei der SEB und geschäftsführender Gesellschafter bei MARS Asset Management und der Frankfurter Leben-Gruppe. Er ist auch stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der CFA Society Germany.

Herr Kummer, die Asset-Klassen Private Equity und Private Debt üben eine Faszination auf Anleger aus. Fondsanbieter, die entsprechende Produkte im Angebot haben, suggerieren, dass herkömmliche Aktien-Renten-Portfolios, irgendwie unvollständig sind. Brauchen Anleger illiquide Assets, die nicht an Börsen gehandelt werden?

Private-Equity- und Private-Debt-Märkte können interessant sein für institutionelle Anleger, die genügend Research-Kapazitäten hat, um gute Manager zu finden und die groß genug sind, um ein anlegerfreundliches Pricing bei den Fondsmanagern durchzusetzen. Aber erfolgreich in private Assets zu investieren, ist teuer und vor allem komplex.

Fangen wir mit den Kosten an. Anleger, die in der Lage sind, deutlich weniger als die für Hedgefonds üblichen zwei Prozent jährlich und 20 Prozent Performance Fee zu zahlen, haben gute Erfolgsaussichten?

Die Kosten zu begrenzen, ist für Anleger extrem wichtig. Wir haben Private-Debt-Fonds analysiert und sind auf jährliche Kosten von zwischen drei und vier Prozent gekommen – ohne die Kosten für Dachfonds oder spezielle Rechtsberater zu berücksichtigen. Neben der Management Fee und der Performance Fee sind bei Private-Equity- und Private-Debt-Fonds die Administrationskosten sehr hoch. Doch selbst wenn ein Anleger seine Preisvorstellungen durchsetzen kann, ist er nicht sicher, dass die Rendite stimmt. Die Manager-Due-Diligence ist genauso wichtig. Die Verteilung der Renditen ist in Private-Märkten immens. Es macht einen Riesenunterschied, ob man einen Manager aus dem ersten oder aus dem vierten Quartil bekommt.

„Die ausgewiesenen Risiken in privaten Märkten sind höher, als es Anleger aus den Quartalsberichten herauslesen“

Auf den typischen Branchenkonferenzen hört man oft erfolgreiche Investoren von Renditen von 15 bis 20 Prozent jährlich schwärmen.

Ja, man hört auf Branchen-Events viel von erfolgreichen Anlegern wie die Yale-Stiftung oder niederländische Pensionskassen. Aber das sind die ganz großen, professionell aufgestellten Anleger, und die sind meiner Meinung nach nicht repräsentativ. Häufig übertragen Anleger ihre Erfahrungen mit der Fondsselektion bei liquiden Assets auf die private Seite. Sie delegieren die Verantwortung an Dachfondsmanager, nach dem Motto: Der Experte wird es schon richten. Viele machen sich nicht bewusst, dass es sich um intransparente Märkte handelt, in denen die Kosten hoch und die ausgewiesenen Risiken höher sind, als man es aus den Quartals- und Jahresberichten herausliest. Insgesamt landen die meisten Anleger eher bei zeitgewichteten Renditen von fünf bis zehn Prozent pro Jahr. Das entspricht der Performance von liquiden Aktien und Anleihen. Viele sind erstaunt, wenn Sie das hören.

Sie sagen, dass sich auch institutionelle Anleger falsche Vorstellungen machen von den Risiken von Private-Märkten. Inwiefern?

Viele glauben, dass die Risiken bei Private Markets niedriger sind als bei vergleichbaren liquiden Assets. Aber das ist ein Trugschluss. Die Risiken werden mit den herkömmlichen Kennzahlen wie der Volatilität oder dem maximalen Verlust nur unzureichend erfasst. Aber nur, weil klassische Risiken nicht messbar sind, bedeutet das nicht, dass ein Investment risikoarm ist. Klassische Aktien oder Anleihen werden Mark-to-Market bewertet, Private Debt oder Private Equity dagegen mit dem sogenannten Mark-to-Modell-Verfahren. Wer stark geglättete Renditen, die zudem oft nur quartalsweise erhoben werden, mit Tagesrenditen vergleicht, betreibt etwas, was ich als Risk-Washing bezeichnen würde. Bei kleineren Rücksetzern oder punktuellen Korrekturen, mag das folgenlos für Anleger sein, aber wenn es an den Risikomärkten nachhaltig rappelt und es eine Konjunkturkrise gibt, dann kommen die ökonomischen Risiken auch in Private Markets zum Tragen. Die Gesetze der Ökonomie gelten überall, egal, in welche Hülle ein Asset verpackt wird.

Wie misst man die Risiken in illiquiden Instrumenten wie Private-Equity- oder Private-Debt-Fonds?

Wir berechnen das Risiko von illiquiden Assets mit der statistischen Methode der Autokorrelation. Illiquide Assets weisen eine hohe Autokorrelation auf. Grob gesagt bedeutet das: Wenn ein Fonds zwei oder drei Quartale in Folge gestiegen ist, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der Fondspreis auch in den nächsten Quartalen steigen wird. Und umgekehrt – Auf Verluste folge Verluste. Das machen nicht nur wir so, sondern auch Häuser wie AQR oder die Yale-Stiftung. Autokorrelations-basierte Analysen zeigen, dass Private Equity oder Private Debt ähnlich hohe Risiken haben wie liquide Aktien und Anleihen. Die Form der Verbriefung verändert nicht das Risiko.

„Die Gesetze der Ökonomie gelten überall, egal, in welche Hülle man ein Asset packt“

Dann bliebe noch das Argument der Unkorreliertheit alternativer Assets mit liquiden Märkten…

Es gibt für mich grundsätzlich zwei Asset-Klassen: Aktien und Anleihen. Daraus leitet sich auch das Risiko für private Assets ab, egal, ob es sich um Private Equity oder Private Debt handelt. Bei Direct Lending würde ich noch am ehesten Unterschiede zu Unternehmensanleihen sehen, gerade, was den Kredithebel anbelangt. Private Lending weist überwiegend die Merkmale von High-Yield-Anleihen auf. Wegen des hohen Hebels entspricht das Risiko solcher Instrumente oft einem Rating von zwischen BB und B. Private Lending ist ein Instrument kleiner Unternehmen, die sich eine Börsenzulassung nicht leisten können und daher eine andere Verpackung wählen als verbriefte Kredite. Bei solchen Instrumenten muss man genau auf die Konditionen, Besicherungen und die Schutzklauseln beachten – und auch den Hebel. Aber egal, ob es sich um Private Debt im Allgemeinen oder Private Lending handelt: In einer Krise steigen die Risikoaufschläge – da ist nichts abgekoppelt.

Kommen wir zur Aktienseite. Das typische Argument für Private Equity lautet: Es handelt sich um Real Assets, etwa um Brücken oder Straßen. Private Equity gibt Anlegern einen Zugang zu den Erträgen aus der Maut. Dagegen spiegeln Infrastrukturaktien oder -Fonds in erster Linie das Aktienmarktrisiko wider. Ist dieser Gedankengang für Sie nachvollziehbar?

Na ja, wirtschaftlich sind beide Zugänge ähnlich, die Verpackung ist nur eine andere. Private Infrastruktur-Investements finden Ihre Äquivalente auf der liquiden Seite bei Versorger-, Infrastruktur- oder Hochdividenden-Fonds. Auch diese schützen in gewissem Umfang vor Inflation und sorgen langfristig für stabile Cashflows. Diese Aktienfonds sind faktisch ein diversifizierter Mix aus konservativen Branchen. Die Funktion ist also ähnlich, wenn auch die Volatilität anders aussieht. Aber wir haben ja eben bei Anleihen festgestellt, dass die Risiken nicht verschwinden, wenn ich sie nicht messe. Auch bei Private Equity gilt es, die Risiken adäquat zu erfassen. Ich habe beim Thema Infrastruktur gerade andere Fragen.

Die wären?

Das Etikett suggeriert, dass es sich um eine einheitliche Asset-Klasse handelt. Aber das stimmt meines Erachtens nicht. Sind nicht auch KI-Daten-Center Infrastruktur? Was ist mit Banken und Zahlungsdienstleistern? Und handelt es sich bei Amazon nicht auch um ein Infrastruktur-Unternehmen, das unverzichtbare Dienstleistungen erbringt? Und was ist mit Schulen, Altenheimen? Das ist nicht nur ein Abgrenzungsproblem, sondern führt auch dazu, dass sich die Performance von Infrastrukturfonds extrem weit auseinanderentwickelt. Es handelt sich also nicht um eine homogene Anlageklasse.

Kommen wir zu den großen staatlichen und überstaatlichen Infrastrukturprogrammen. In den USA hat die Biden-Administration den IRA beschlossen, in der EU gibt es die Initiative für den nachhaltigen Umbau der Wirtschaft. Ist das nicht eine Steilvorlage für Fondsanleger, die mit den neuen ELTIF-Fonds die Möglichkeit haben, direkt an der erwarteten Bonanza teilzuhaben?

Die Re-Industrialisierung der USA und die Dekarbonisierung der Wirtschaft in Europa sehen auf dem Reißbrett für Anleger gut aus, aber dann kommt die Realität dazwischen. Staatliche Programme verzögern sich oder werden umgestaltet, die Regulierung ändert sich, politische Wahlen bringen neue Regierungen und damit neue Rahmenbedingungen. Und auch Projekte, die realisiert werden, unterliegen Veränderungen.  Bei erneuerbaren Energien werden Projekte unter gewissen Annahmen aufgesetzt, aber es ist nicht gesagt, dass der Marktpreis in der Zukunft den Projektionen von heute entspricht. Viele Projekte wurden unter der Annahme steigender Strompreise gestartet, aber wenn die Preise sinken, müssen die Annahmen angepasst werden, und das hat Folgen für die Renditen von Fonds. Die Infrastrukturstory ist zunächst eben das – eine Story. Wie es sich in der Realität auslässt, steht auf einem anderen Blatt. Auch Anleger in ELTIF-Fonds müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Straße für Sie nicht mit Geld gepflastert ist.

Herr Kummer, wir danken für das Gespräch.

Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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