Fonds vor ETFs – zumindest, wenn es um Diversifikation geht. Big Tech hat in den letzten zehn Jahren die Märkte im Sturm erobert. Apple, Microsoft und Co. sind in vielen ETFs hoch gewichtet. Anleger sind über die tolle Performance begeistert, verlieren aber die Vorteile der Diversifikation aus dem Blick. Warum aktiv verwaltete Fonds hier besser aufgestellt sind.
Aktiv verwaltete Fonds werden von ETF-Fans oft – und das zu recht – kritisiert. Viele sind zu teuer (vor envestor Cashback), agieren taktisch oder sie sind – das andere Extrem – zu wenig aktiv und schmusen regelrecht mit dem Vergleichsindex. Aber in einem Punkt haben aktiv verwaltete Fonds einen Vorteil gegenüber ETFs: sie sind so gut diversifiziert, dass auch bei einem Totalausfall einzelner Aktien die langfristige Performance nicht bedroht ist. Das ist bei manchen ETFs anders.k
Andere Diversifkationsregeln für ETFs
Die Diversifikation bei Fonds ist kein Zufall. Sie ist gesetzlich geregelt. Bei Fonds darf kein Wertpapier mehr als zehn Prozent des Fondsvermögens ausmachen, und Papiere, die mit mehr als fünf Prozent gewichtet sind, dürfen in Summe ein Gewicht von maximal 40 Prozent des Fonds ausmachen. Sollten diese Limits überschritten werden, müssen die Fondsmanager die betreffenden überschüssigen Positionen verkaufen. Die Diversifikation von Fonds wird von der sogenannten 5/10/40 Regel sichergestellt.
(Wer genau nachrechnet, wird feststellen, dass man auch mit dieser Regel konzentrierte Portfolios bauen kann, die aus nur 16 Wertpapieren bestehen könnten (vier Aktien à zehn Prozent; 12 à fünf Prozent), aber das ist eher eine theoretische Möglichkeit – auch die konzentriertesten Fonds kommen in der Regel auf mindestens 25 verschiedene Emittenten.)
Anders sieht es bei ETFs aus. Sie müssen so konstruiert sein, dass sie die Performance von Marktbarometern widerspiegeln. Das kann bedeuten, dass bis zu 35 Prozent des ETF-Vermögens im Top-Titel investiert ist, und bei den restlichen Bestandteilen des Index liegt das Limit bei stolzen 20 Prozent. Auch das ist gesetzlich geregelt. ETFs unterliegen also nicht den Diversifikationregeln von Fonds, auch wenn sie in jedem anderen Punkt aktiv verwalteten Fonds gleichgestellt sind. Die konzentriertesten ETFs am Markt (Tabelle) kommen mit neun Aktien aus. Die Top zehn Aktien machen in unserem unteren Beispiel zumeist mehr als 85 Prozent des ETF-Vermögens aus.
Gewicht in Prozent und per 31.8.2023, Quelle: Morningstar.
Volatile Märkte bringen wechselhafte Ergebnisse
Meine These lautet, dass die Diversifikationsregeln von Fonds für Anleger Gold wert sind. Zumindest in Marktsegmenten, die von großen Unternehmen dominiert werden. Das klingt erklärungsbedürftig, weil gerade die Konzentration von Big-Tech-Aktien Growth-ETFs einen Performance-Boost gegeben haben. Aber der Turbo wurde erst in den vergangenen zehn Jahren gezündet. Davor waren Growth- und Tech-Investments zuweilen regelrechte Ladenhüter. Der Grund findet sich in den Untiefen der Nuller-Jahre.
Wer etwa zwischen 2000 und 2005 in Tech- oder Nasdaq ETFs investierte, musste einen Verlust von knapp 20 Prozent jährlich verkraften. Wer zwischen 2005 und 2010 dort investierte, landete bei einer jährlichen Rendite von deutlich unter fünf Prozent.
Die untere Grafik zeigt die Ergebnisse von zwei Growth-ETFs in verschiedenen Fünfjahresperioden seit dem Jahr 2000. Zuletzt haben Anleger eine Jahresperformance von bis zu 30 Prozent pro Jahr gemacht, aber die Grafik zeigt, wie stark die Ergebnisse im Zeitablauf schwanken.
Rollierende Fünfjahresergebnisse in Prozent und in US-Dollar, Daten per 31.8.2023, Quelle: Morningstar
Was hoch fliegt, kann also auch tief fallen. Die letzte Korrektur beim Nasdaq 100 war übrigens erst 2022, als der Index um mehr als 30 Prozent einbrach. Seinerzeit trübte der Zinsschock den Optimismus der Anleger, und Wachstumsaktien wurden an der Börse abgestraft. Auch die Anlegerfavoriten Apple, Microsoft oder Alphabet mussten mittlere zweistellige Verluste hinnehmen.
Aber die Korrektur war von kurzer Dauer. Das Plus von bis über 30 Prozent beim Nasdaq bisher in diesem Jahr hat das Gedächtnis vieler Investoren verkürzt – 2022 ist Geschichte. Das fügt sich ins Bild, das die Märkte seit dem Ende der Finanzkrise zeichnen. Seit 2009 haben Wachstumswerte – vor allem Big Tech im Nasdaq Index – einen steilen Anstieg erfahren, der nur durch kurzzeitige Rücksetzer unterbrochen wurde. Entsprechend der Logik der Marktkapitalisierung sieht das Bild, das die Aktien von Microsoft, Apple, Alphabet und Co. liefern, bestechend aus.
Aber wehe, wenn die Märkte einmal nachhaltig einbrechen. Dann haben gerade die großen Werte das Nachsehen. Das zeigt sich am Performance-Bild der bereits oben erwähnten zwei US-ETFs. Nach einem Plus von 66 Prozent im Jahr 1999 brach der Technology Select Sector ETF, der den Index S&P Technology Select Sector abbildet, in den Folgejahren ein: minus 42 Prozent (2000), minus 23 Prozent (2001) und minus 38 Prozent 2002. Die Verluste summierten sich in diesen drei Jahren auf ein Minus von 73 Prozent (in Dollar gerechnet). ETFs auf den Nasdaq verloren ähnlich viel. Um einen Verlust von 73 Prozent gut zu machen, muss ein Investment erst rund 275 Prozent zulegen. Die untere Tabelle zeigt, welche Renditen nötig sind, um hohe Verluste auszugleichen.
Die Verluste bei Tech-Werten also hatten Langfristfolgen: Seit Anfang des Jahrtausends legten ETFs auf den Nasdaq 100 (in Dollar gerechnet) jedes Jahr knapp sieben Prozent zu. Das ist am unteren Rand der langjährigen durchschnittlichen Aktienrenditen. Wer die Crash der Jahre 2000-3 und 2008-9 nicht durchstehen musste, hatte dagegen großes Glück. Seit 2013 lag das jährliche Plus von Nasdaq-ETFs bei knapp 18 Prozent, seit 2015 sogar bei jährlich 22 Prozent. Letztere Zahlen werden Anlegern in Tech-Aktien heute bekannt vorkommen. Die älteren Hasen werden sich dagegen gut an die zerstörerische Wirkung des Platzens der Dotcom-Blase zwischen 2000 und 2003 erinnern.
Ein Blicke in den Tech-ETF-Maschinenraum
Blicken wir in das Innenleben von einem repräsentativen Index aus dem Bereich B2B Internet aus den wilden Nuller-Jahren, In Europa gab es im Jahr 2000 noch keine ETFs auf US-Tech-Aktien, deshalb skizzieren wir das Schicksal des B2B internet Holdrs. Der ETF auf einen Amex-Index wurde Mitte 2000 von drei Unternehmen dominiert: Ariba mit einem Gewicht von 38 Prozent, Internet Capital und Commerce One mit jeweils 12 Prozent, gefolgt von Verticalnet mit knapp sieben Prozent. Keine der Firmen existiert heute mehr als selbstständige Einheit.
Am besten erging es noch den Aktionären von Ariba. Das Unternehmen wurde an der Börse im Jahr 2000 zeitweilig mit über 40 Milliarden Dollar bewertet, verlor im Crash über 90 Prozent seines Wertes und wurde 2012 von SAP für 4,5 Milliarden Dollar übernommen. Das VC-Unternehmen Internet Capital war auf dem Höhepunkt der Dotcom-Blase über 50 Milliarden Dollar wert, entging nur knapp der Pleite und führte bis zur Liquidierung 2018 den Betrieb unter dem Namen Actua weiter. Commerce One wiederum ging bereits 2004 pleite, Verticalnet, eine klassische Luftnummer der Internethype, wurde 2008 für 15 Millionen Dollar übernommen, nachdem der Börsenwert 2000 noch bei knapp elf Milliarden Dollar gelegen hatte – bei einem Umsatz von etwas über 100 Millionen Dollar!
Von den 20 Aktien, die sich Mitte 2000 in dem ETF befanden, existierten zum Zeitpunkt seiner Liquidierung nur noch zwei. Auch die Unternehmen im ETF, die nicht in die Insolvenz schlitterten und übernommen wurden, entschädigten Anleger nur mit einem Bruchteil ihrer Werte von Anfang der Nuller-Jahre.
DIversifikation - verhasst und doch unverzichtbar
Der Aufstieg von Big Tech war in den vergangenen 20 Jahren eine beispiellose Erfolgsstory, die viele Anleger in Growth-ETFs glücklich gemacht hat. Die hohen Gewinne machen viele Anleger weiter optimistisch, was die Konzentrationsrisiken in vielen Growth-Portfolios forciert. Allerdings kann die Zukunft ganz anders aussehen. So können bisher nur latente Risiken aktuell werden. Die Folgen sind in den Tech-Portfolios der Nuller Jahre zu besichtigen.
Keiner weiß, wann, wo und wie heftig die nächste Korrektur ansteht. Sicher ist nur, dass sie kommen wird. Deshalb gehen Anleger mit diversifizierten Portfolios auf Nummer sicher. So lange der Aufwärtstrend bei Big Tech anhält, sind die Vorteile der Diversifikation Anlegern allerdings nur schwer vermittelbar. In Aufwärtsmärkten ist nichts so verhasst wie die antizyklische Wirkung der Diversifikation. Steigen die Kurse stark an, können Anleger nicht genug von den Gewinnern bekommen, die mit jedem Tag der Outperformance ein größeres Gewicht in ETFs ausmachen. Keiner braucht dann Diversifikation. Oder doch, werden viele Anleger einwänden, die zwischen 2000 und 2003 in vielen vermeintlichen Gewinner-Portfolios Totalverluste hinnehmen mussten.