Frankfurter Allgemeine Zeitung

Auf die Kosten kommt es an

Die Erträge einer Geldanlage sind ungewiss. Viel besser lassen sich die Kosten kalkulieren. Oft sind es viele tausend Euro, ohne dass die Anleger dies ahnen oder wissen.

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.04.2019, Finanzen (Wirtschaft), Seite 27, Daniel Mohr

Der Riester-Vertrag des Sparers hat gerade seinen zwölften Geburtstag hinter sich. Ein Grund zu feiern ist das nicht. Zumindest nicht für den Sparer. Eher für den Anbieter, die Volkswohl Bund Versicherungen. Und erst recht für den Vermittler, die „Horbach Lebens- und Finanzplanung für Akademiker& anspruchsvolle Privatkunden“. Ein Kennenlerngespräch und ein Abschlussgespräch hat sie investiert. Und dafür mehrere tausend Euro erhalten.

Die aktuelle Aufstellung des Riester-Vertrages zeigt: Rund 18 750 Euro hat der Kunde in den gut zwölf Jahren bisher eingezahlt. Gut 3600 Euro gingen als „einbehaltene Abschluss- und Vertriebskosten“ und knapp 2000 Euro als „einbehaltene Kosten für die Verwaltung Ihres Vertrages“ an den Versicherer und seinen Vermittler. Zusammen sind das knapp 5600 Euro Kosten und damit stolze 30 Prozent des eingezahlten Geldes.

Riester ist ein staatlich gefördertes Produkt. Und mit der Aussicht auf diese Förderung wird es auch beworben und millionenfach verkauft. Die Kunden achten daher weniger auf die Kosten. Doch die Zulagen addieren sich bislang trotz zweier kleiner Kinder auf weniger als die Kosten des Vertrages. Rund 4750 Euro hat der Staat zugeschossen. Die Kosten sind zudem auch höher als die Erträge des Vertrages.

Hätte der Staat die Zulagen dem Sparer einfach direkt überwiesen und der hätte seine monatlichen Raten auf ein zinsloses Girokonto gelegt, es wäre für Staat und Anleger die bessere Wahl gewesen. Er hätte heute 2000 Euro mehr angespart als im Riester-Vertrag. Noch bitterer ist der Vergleich mit einem Dax-Sparplan. Statt den 21 700 Euro im Riester-Vertrag stünden mehr als 40 000 Euro zu Buche.

Der Vergleich hinkt ein wenig. Denn die Riester-Rente ist eine Versicherung gegen die Langlebigkeit. Bleibt der Sparer diszipliniert und zahlt weitere 25 Jahre brav ein, erhält er dann im Alter eine monatliche Riester-Rente von grob geschätzt gut 400 Euro im Monat. Wird er sehr, sehr alt, dann hat sich die Sache für ihn womöglich am Ende doch gerechnet. Heute bekannt sind jedoch nur die hohen Kosten der Verträge.

Die sind bei Riester besonders hoch. Es ist aber beileibe nicht das einzige Finanzprodukt, das ziemlich teuer ist. So können zwei Sparkassen-Beratungen von zusammen vielleicht vier Stunden schon einmal 8000 Euro kosten plus weitere gut 2000 Euro für jedes Jahr, das der Anleger in den verkauften Finanzprodukten verweilt. Das ist ebenfalls ein realer Fall.

Wer sich in seiner Bankfiliale Fonds verkaufen lässt, zahlt Ausgabeaufschläge von in der Regel 5 Prozent des Geldes. Das steht auch irgendwo in den vielen Unterlagen, die der Kunde erhält. Eine zentrale Rolle spielen diese Kosten im Verkaufsgespräch jedoch nicht. Dabei sollten sie für den Kunden von zentraler Bedeutung sein. Ebenso wie die anschließende Verwaltungsgebühr von 1,5 Prozent im Jahr. Während die Erträge der Geldanlage ungewiss sind, bleibt der Kunde auf den Kosten mit Gewissheit sitzen.

Nehmen wir an, der Kunde legt 10 000 Euro in einen solchen Fonds an, behält ihn zehn Jahre, und die Rendite hat sich ganz erfreulich mit 5 Prozent im Jahr entwickelt. Der Anleger kann sich dann vor Steuern über einen Gewinn von gut 3300 Euro freuen. Die verkaufende Bank hat indes gleich am Anfang fast 500 Euro Ausgabeaufschlag kassiert und sich im Laufe der Jahre rund 1700 Euro Verwaltungsgebühr, die der Kunde zahlen musste, mit der Fondsgesellschaft geteilt. Eine extra Rechnung über diese Beträge bekommt der Kunde nicht. Das Geld verschwindet mit dem Kauf und der Wertentwicklung des Fonds.

Hätte der Anleger denselben Fonds ohne Ausgabeaufschlag gekauft, hätte er rund 700 Euro mehr Gewinn gemacht und dafür einen schönen Wochenendurlaub machen können. Er hätte sich nicht nur die fast 500 Euro am Anfang an die Bank gespart, sondern das Geld stattdessen auch noch mit einer Rendite von 5 Prozent im Jahr wachsen sehen. Hätte er es zudem geschafft, die jährliche Verwaltungsgebühr auf 1 Prozent zu drücken: Er hätte den Urlaub auf eine Woche ausdehnen können, weil er sich weitere 700 Euro an Kosten gespart hätte.

Die Zahlen werden weitaus eindrücklicher, wenn der Anleger 20 Jahre dabeigeblieben wäre. Dann hätte er sich 1000 Euro Belastung durch den Ausgabeaufschlag und 2000 Euro bei den laufenden Kosten sparen können.

Wer nun resigniert die Hände in den Schoß legt und meint, die Kosten sind nun einmal so, wie sie sind, der irrt. Ein und derselbe Fonds kann zu völlig unterschiedlichen Kosten gekauft werden. Das hängt schlicht vom Verkäufer ab. Die Sparkassen, Volksbanken und andere Filialbanken beharren in der Regel auf den vollen 5 Prozent Ausgabeaufschlag und der vollen Verwaltungsgebühr. Schon die Direktbanken bieten oft eine Halbierung der Ausgabeaufschläge an.
Und unabhängige Vermittler wie zum Beispiel Envestor verzichten komplett auf jegliche Ausgabeaufschläge und reduzieren zudem die jährliche Verwaltungsgebühr deutlich. „Das Preismodell der Filialbanken und Fondsgesellschaften wird mit Sicherheit noch ein größeres Thema“, sagt Michael Weisz, Gründer und Geschäftsführer von Envestor. Die Banken müssen ihren Kunden immer transparenter aufschlüsseln, was sie für den Verkauf und die Verwaltung von Fonds und anderen Finanzprodukten in Rechnung stellen. Wenn manchem dann dämmert, wie viel er da eigentlich beim Kauf gezahlt hat und auch später noch jedes Jahr auf den Tisch legt, der wird sich vielleicht künftig nach günstigeren Alternativen umschauen.

Die gibt es in Reinform bei börsengehandelten Indexfonds, den ETF. Sie machen nichts anderes, als einen der vielen tausend Indizes nachzubilden, oft den Dax oder den Weltaktienindex MSCI World, aber auch Anleihen- oder Immobilienindizes. Für ETFs wird grundsätzlich nie ein Ausgabeaufschlag erhoben, und die Verwaltungsgebühr liegt bei Standardprodukten wie dem Dax bei rund 0,1 Prozent. Bei anderen Indizes sind es etwas mehr. Die Marke von 0,5 Prozent wird aber eher selten überschritten.

Der Kostenvorteil der ETFs ist enorm. Da die Banken aber so gut wie nichts an ihnen verdienen, werden sie in den Filialgesprächen aber totgeschwiegen. Ein Unding, gegen das die Verbraucherschützer schon seit Jahren auf die Barrikaden gehen. Sie fordern das Verbot von Provisionen, also insbesondere den Ausgabeaufschlägen, im Finanzvertrieb. „Der Markt wird zu Lasten der Verbraucher verzerrt“, sagt Dorothea Mohn, Leiterin des Teams Finanzen beim Verbraucherzentrale Bundesverband. „In den Filialen werden die am höchsten provisionierten Produkte vertrieben, egal, ob das im Interesse der Verbraucher ist oder nicht.“ Der gesamtwirtschaftliche Schaden durch die schlechte Anlageberatung in Deutschland sei immens. „Die Rentenlücke vieler Menschen resultiert zu großen Teilen aus schlechter Kapitalanlage und Teilnahmeverweigerung aus Skepsis gegenüber dem derzeitigen System“, sagt Mohn. „Ohne Provisionsverbot wird dieses Problem bestehen bleiben und zum Schutze des Status quo unverhältnismäßige Verluste in Kauf genommen.“

Die Niederlande und Großbritannien haben vor sechs Jahren die Provisionen, die Versicherer und Fondsgesellschaften für den Verkauf ihrer Produkte an die Banken und Sparkassen überweisen, verboten. Der Verkauf von Fonds und anderen Finanzprodukten in Banken soll nicht mehr von der höchstmöglichen Provision, sondern aus wirklicher Überzeugung von einem Finanzprodukt bestimmt werden. Für ihre Beratungsleistung müssen Banken dann wie Anwälte oder andere Beratungsberufe auch eine Rechnung stellen.

Banken und Fondsgesellschaften laufen dagegen Sturm. Sie behaupten, die ärmeren Bevölkerungsschichten würden so von der Bankberatung ausgeschlossen, weil sie sich die Beratungsgebühren nicht mehr leisten könnten. In Wahrheit fürchten sie natürlich vor allem um ihre Einnahmen und sorgen sich weniger um die ärmeren Teile der Bevölkerung. Die haben meistens ohnehin kein Geld zum Anlegen. In England und den Niederlanden gebe es zudem allenfalls zwei Prozent der Menschen, die eigentlich gerne eine Anlageberatung hätten, aber aus Kostengründen darauf verzichten, sagen die Verbraucherzentralen.
Auf der anderen Seite habe der transparentere Wettbewerb um Qualität und Kosten der Anlageberatung zu Verbesserungen für die Verbraucher geführt, so die Analyse.

Michael Weisz erwartet eine ähnliche Entwicklung in Deutschland. „Die Kosten für aktiv gemanagte Fonds sind viel zu hoch und müssen runter“, sagt Weisz. „Daran werden sich die Banken, aber auch die Fondsgesellschaften beteiligen müssen.“ Auf seiner Envestor-Plattform im Internet sind die Fonds jetzt schon günstig zu haben. Bei Bedarf können die Anleger sich dazu telefonisch beraten lassen. Das kostet dann aber Geld. Ansonsten finden sich auch viele Informationen rund um Fonds auf der Plattform, inklusive der Einschätzung durch das renommierte Fondsanalysehaus Morningstar. Auch der Vergleich mit Musterportfolios ist möglich, und eine Liste der beliebtesten und erfolgreichsten Fonds der anderen Nutzer ist einsehbar.

Angesichts von Hunderten oder gar Tausenden Euro, die sich beim Kauf von Finanzprodukten sparen lassen, erscheinen andere Kosten wie die Depotführung oder die Handelsgebühren wie Peanuts. Aber auch hier lohnt ein Vergleich. Direktbanken sind in der Regel günstiger. Aber auch zwischen den Modellen der Filialbanken gibt es erhebliche Unterschiede.

Die Frage, ob generell günstige Finanzprodukte wie ETFs den teureren Fonds mit einem Fondsmanager vorzuziehen sind, ist damit noch nicht beantwortet. Klar ist, seine höheren Kosten muss der Fondsmanager durch Leistung rechtfertigen. Das gelingt in transparenten Standardmärkten wie beim Dax oder dem S&P-500 langfristig seltener als in weniger übersichtlichen Nebenwerten oder neuen Themenfeldern der Geldanlage. Ob ein Fondsmanager sein Geld wert ist, zeigt aber leider immer erst die Zukunft und ist vorher nur schwer abzuschätzen.

Ob die Geldanlage am Ende den eigenen Vorstellungen entspricht, hängt neben den Kosten aber auch von der Risikoeinstellung des Anlegers ab. Hat er den Mut zu Aktienfonds, kann er langfristig eine höhere Rendite bei größeren Kursschwankungen erwarten als bei Anleihe- oder Immobilienanlagen.
Während die Rendite ungewiss bleibt, sind die Kosten klar festgeschrieben. Und es ist für die Anleger schon viel gewonnen, wenn sie diesen kalkulierbaren und beeinflussbaren Posten optimieren. Entwicklungen in dieser Richtung sind auch dank der Niedrigzinsphase zu beobachten: Die überteuerten Riester-Versicherungen werden heute kaum noch verkauft.

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Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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