LTIF (SIA) Classic: Unkonventioneller Value Fonds mit bewegter Historie

Ein Value Fonds mit bewegter Historie: Anleger im LTIF (SIA) Classic mussten in der Vergangenheit leidvoll erfahren, dass die reine Lehre schmerzhafte Ergebnisse zur Folge haben kann. Heute ist der Fonds des Schweizer Vermögensverwalters SIA Funds AG breiter und damit solider aufgestellt, als es das konzentrierte Portfolio vermuten lässt.

Jeder Anleger, der mehrere Börsenzyklen hinter sich hat, weiß, dass es erstens anders kommt und zweitens als man denkt. Der Chef von SIA Funds, Alexander Rauchenstein, seit 2005 an Bord, hat in den vergangenen Jahren erfahren müssen, dass der Value Stil sehr lange Zeit an der Börse mega out sein kann. Value Fonds haben entsprechend schlechter performt als breit aufgestellte Aktienfonds.

Lehren aus dem Jahr 2008 gezogen

Aktuell reitet der Fonds auf einer Erfolgswelle, da der Value Stil endlich von der großen Makrolage profitiert. Die Wirtschaft erholt sich, die Zinsen steigen, was Value Aktien weltweit aktuell an der Börse nach vorne bringt. Das bestätigt das SIA-Fondsmanagerteam um Rauchenstein, wonach ein langer Atem der Schlüssel zum Erfolg ist. Einerseits.

Aber wer weiß schon andererseits, wie lange die Value-Erholung dauert? Das bringt uns zu einem weiteren Pluspunkt, den manche alten Hasen haben: Sie können die richtigen Lehren aus der Vergangenheit ziehen. Bei SIA war das Katastrophenjahr 2008 stilprägend. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise wurde der Fonds mit einem Minus von 67 Prozent regelrecht zertrümmert. Derweil verlor das durchschnittliche Value-Portfolio mit einem Minus von rund 40 Prozent deutlich weniger.

Der Growth Chart des LTIF Classic
Was aus 10.000 Euro wurden. Preishistorie des LTIF (SIA) Classic. Quelle: Envestor

In der Folge hat das SIA-Management den Anlageprozess adjustiert. Nunmehr ist das Portfolio in unterschiedliche Risikokategorien unterteilt. Es werden unterschiedliche Risikofaktoren analysiert, und im Ergebnis soll die Hälfte des Portfolios deutlich geringere (und andere) Risiken aufweisen als zuvor.

Zyklische Aktien sind nicht länger das Maß aller Dinge bei SIA

Die Folge war, dass der Fonds nach Branchen besser diversifiziert ist; der Anteil der zyklischen Werte ging zurück. Das hat das Portfolio auf breitere Füße gestellt, was sich zuweilen auch auf die Performance positiv bemerkbar macht. In jedem Fall wurden die Folgen der lange andauernden Value-Misere zwischen 2011 und heute relativiert.

In einigen Punkten hat sich der Ansatz des Managements um SIA-Gründer Jose Carlos Jarillo, Alex Rauchenstein und Marcos Hernandez indes nicht verändert: Mit rund 30 Aktien ist das Portfolio noch immer konzentriert. Und es wird ein unternehmerischer Ansatz gefahren, in dem die Geschäftsmodelle der Portfolio Holdings im Vordergrund stehen. Zudem müssen die Investment Kandidaten unterbewertet sein.

Der Anspruch des Managements lautet, dass ein Unternehmen eine positive Eigenkapitalrendite erzielen muss. Allerdings hat man auch Geduld, wenn die Investment These auch mittelfristig nicht aufgeht und keine neuen Erkenntnisse die positive Sicht auf ein Unternehmen trüben. Das bringt Stabilität in die Fonds Holdings.

Breitere Aufstellung brachte nicht nur weniger sondern auch andere Risiken

Im Ergebnis haben die 2008 eingeführten Änderungen bewirkt, dass die Volatilität gemäßigter ausfällt. Dem Fonds gelang es zudem in etlichen Jahren, etwa 2012, 2014, 2015 und 2016, den breiten Markt (hier gemessen am MSCI World) deutlich zu übertreffen. Auch konnte er andere Value Fonds in diesen Jahren sowie auch 2019 regelrecht deklassieren.

Die Kehrseite der Medaille war nicht nur eine spiegelbildliche Underperformance in den Jahren 2011, 2017 und auch 2020. (Wer anders aufgestellt ist als der Markt, wird nun mal anders performen als der Markt, und zwar nicht nur im positiven Sinne). Die breite Diversifikation hat dazu geführt, dass der Fonds mitunter ein Stil-Misch-Masch aufweist. Aktuell sind Aktien wie Visa, Unilever, Thales oder Grifols SA hoch gewichtet, die man nicht zwingend als Value Aktien ansehen muss. Typische Growth-Bereiche des Marktes, etwa defensive Konsumtitel, sind im Vergleich nicht nur zu Value Aktienfonds übergewichtet.

Tabelle: Licht und Schatten beim LTIF Classic im Kategorie Vergleich

Rang Perzentil im Vergleich zu flexibel anlegenden Aktienfonds global, je kleiner der Wert, desto besser. Quelle: Morningstar

„GARP“ für die unverbindliche Schublade

Infolgedessen haben Rating Agenturen ihre liebe Not mit der Einordnung des LTIF (SIA) Classic. Morningstar hat den Fonds in die Kategorie Aktien weltweit flexibel eingeordnet, was bedeutet, dass man den Fonds dort nicht nach den klassischen Value Kritierien (billig!) greifen kann. Das dürfte einige Investoren verunsichert haben und könnte eine Erklärung sein, warum der Fonds mit rund 85 Millionen Euro noch immer recht klein ist.

Mit der pragmatischeren Ausrichtung hat das Management die absoluten Risiken reduziert. Das war eine gute Entscheidung. Allerdings hat das dazu geführt, dass der Fonds nunmehr sehr eigene Risiken aufweist, die ihn zeitweilig weit von den meisten anderen global anlegenden Value Aktienfonds entfernt haben.

Aber keine Sorge: Es findet sich für jeden Topf einen Deckel, daher lässt sich der LTIF (SIA) Classic durchaus für Anleger greifbar machen: Es handelt sich zwar um einen Value Individualisten, aber im Zweifel lässt er sich – auch von seinem Rendite-Risiko-Verhalten – recht eindeutig als Substanzwertefonds einordnen. Am ehesten passt der Fonds in die „Growth at a reasonable Price“ (GARP) Schublade. Das ist eine eher wenig konkrete Zuschreibung, was bedeutet, dass man den unkonventionellen Ansatz des Managements sehr gut verstehen muss, bevor man in diesen Fonds investieren sollte.

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Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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