Was ist ein Fonds? Finanzbegriffe und ihre Hintergründe

In unserer neuen Reihe „Finanzbegriffe und ihre Hintergründe“ greifen wir scheinbar triviale Themen auf, deren Verästelungen aber auch Finanzprofis ins Schwitzen bringen können. Wir machen den Anfang mit der Frage aller Fragen: Was ist ein Fonds?

Was ist ein Fonds?

Auf einen kurzen Nenner gebracht ist ein Fonds eine Art Topf, eine Vermögensmasse, in dem das Geld von Anlegern gemeinschaftlich verwaltet wird. Ein Fonds investiert in Anleihen, Aktien, Immobilien oder andere Sachwerte. Die Funktion eines Fonds ist es, das von Anlegern investierte Kapital nach Maßgabe der Richtlinien, die für den Fonds gelten und die gesetzlich geregelt sind, zu verwalten. Man unterscheidet zwischen offenen Fonds, bei denen die Zahl der Anteile, die die Kapitalverwaltungsgesellschaft ausgibt, prinzipiell unbegrenzt ist, und geschlossenen Fonds, bei denen die Anzahl der Anteile begrenzt ist. Ein Beispiel für offene Fonds sind Aktienfonds. Sie investieren in Börsen-gelistete Unternehmen. Die Dauer der Anlage ist prinzipiell unbegrenzt. Anders geschlossene Fonds. Diese investieren in einzelne Sachwerte und sind nicht diversifiziert. Geschlossene Fonds investieren beispielsweise in einzelne Immobilien. Nach Abschluss der Investitionsphase ist dieser Fonds „zu“; das heißt, es werden weder weitere Immobilien erworben, noch werden weitere Anleger zugelassen. Die Erträge der Immobilie werden laufend ausgeschüttet, und nach einem vorab festgelegten Zeitpunkt wird die Immobilie verkauft, und der Fonds wird planmäßig liquidiert.

Gehören die Fondsanteile, die ich erworben habe, mir?

Bei offenen Fonds kurz gesagt: ja. Etwas länger gesagt: Nach dem Kapitalanlagegesetzbuch ist ein Investmentfonds eine Vertragsform, die von der Fondsgesellschaft auf Rechnung der Anleger verwaltet wird. Juristisch gesehen handelt es sich bei Investmentfonds um Sondervermögen. Ein Sondervermögen ist keine eigene Rechtspersönlichkeit und wird von einer juristischen Person verwaltet. Besonders wichtig ist für Anleger zu wissen, dass diese Verwaltung treuhänderisch erfolgt. Ginge die Fondsgesellschaft pleite, hätte das deshalb keine unmittelbaren Folgen für die Fonds, die diese Gesellschaft verwaltet. Denn die Fondsgesellschaft mag die Rechtsinhaberin des Sondervermögens sein, aber das Recht, das Sondervermögen zu verwalten, erlischt, sollte die Fondsgesellschaft Insolvenz anmelden. Anleger kämen also an ihr Geld, auch wenn die Aasgeier über der Kapitalverwaltungsgesellschaft der Fonds kreisten. Anders bei geschlossenen Fonds: Hier beteiligen sich die Fondsanleger an einer Gesellschaft, deren Zweck es ist, eine Immobilie, ein Windrad oder ein Schiff zu bewirtschaften. Sie treten hier unternehmerisch auf, was auch heißt, dass sie für die Geschäftsentwicklung gerade stehen. Die serienweise Pleite von Schiffs- und Containerfonds, Immobilienfonds im Osten Deutschlands oder die Konsolidierung im Flugverkehr hat so manchen Anleger in Sachwerten schlaflose Nächte bereitet.

Ist es bei offenen Fonds also egal, wie es um die Fondsgesellschaft steht?

Nein, unmittelbar zwar nicht, mittelbar macht es aber durchaus einen Unterschied, ob ein Fonds von einer florierenden, kapitalstarken Fondsgesellschaft verwaltet wird, oder von einer Ein-Mann-Butze, die am Rand der Insolvenz wankt. Was glauben Sie, welche der beiden Gesellschaften einen besseren Job machen wird, wenn es um die Verwaltung des Anlegervermögens geht? Ein erfolgreiches Portfoliomanagement erfordert Mittel für Research, Personal, Marketing, Vertrieb; insofern sollten Sie sich schon Gedanken machen, wem Sie Ihr Geld anvertrauen.

Kann ich jederzeit meine Fondsanteile verkaufen oder neue dazu kaufen?

Bei offenen Fonds prinzipiell schon. Die Fondsgesellschaft ist verpflichtet, neue Anteile an Fonds auszugeben und Anteile zum Inventarwert zurückzunehmen. Allerdings gibt es Ausnahmen, die gesetzlich geregelt sind. So kann die Fondsgesellschaft zum Schutz von Bestandsanlegern die Ausgabe neuer Anteile aussetzen, etwa wenn eine Ausgabe weiterer Anteile die Anlagestrategie zu beeinträchtigen droht. Umgekehrt kann die Fondsgesellschaft die Rücknahme der Fondsanteile aussetzen, etwa bei einer Störung der den Wertpapieren zugrunde liegenden Märkte. So setzten einige Fondsanbieter 2015, als die Börse Athen im Zuge der Griechenlandkrise geschlossen wurde, die Rückgabe von Anteilen an Griechenland-Fonds für eine Weile aus. Regelrecht dramatisch war es bei offenen Immobilienfonds. Wegen der mangelnden Liquidität gerieten etliche dieser Fonds nach 2008 in eine veritable Liquiditätskrise. Es kam bei einigen Fonds zu einem derartigen Run, dass sie die Rückgabe von Anteilen aussetzen mussten. Einige Fonds gerieten in eine Schieflage und mussten liquidiert werden. Um derartiges zu verhindern, wurde die Rücknahme von Anteilen durch die Fondsgesellschaft gesetzlich neu geregelt. Seit 2013 gibt es Kündigungsfristen. Anleger müssen die Anteile an Immobilienfonds zwei Jahre halten und können sie erst nach einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist der Fondsgesellschaft zurückgeben.

Und was ist mit geschlossenen Immobilienfonds?

Hier gelten andere Spielregeln. Geschlossenen Fonds haben eine festgelegte Zeichnungsfrist. Danach werden Fondsanteile prinzipiell nicht vor Ablauf der Vertragsperiode zurückgenommen, und es werden dann auch keine neuen Anteile ausgegeben. Allerdings gibt es einen mehr oder weniger effizienten Zweitmarkt über die regionalen Fondsbörsen, an denen Anteile geschlossener Fonds gehandelt werden. Üblicherweise sind jedoch die Handelsspannen so weit, dass Anleger hohe Einbußen in Kauf nehmen müssen, wenn sie diesen Weg verkaufen wollen. Übrigens können auch offene Fonds über die Regionalbörsen gehandelt werden. Das ist etwa dann sinnvoll, wenn Anleger beim Handel über die Fondsgesellschaft einen Ausgabeaufschlag zahlen würden. Zudem werden noch immer Anteile an offenen Immobilienfonds, die in der Liquidation sind, über die Börsen gehandelt. Hier befinden sich die Kurse allerdings weit unter dem von den Fondsgesellschaften ermittelten Nettoinventarwerten.

Würde bei der Insolvenz einer Fondsgesellschaft nicht die Gläubiger automatisch Zugriff auf die Fonds erhalten, die bei ihr verwahrt werden?

Nein, und das ist der Clou bei der gesetzlichen Regelung von Investmentfonds. Nicht nur ist das Vermögen der Fondsgesellschaft von den Vermögenswerten der Fonds strikt getrennt; die Fondsanteile werden darüber hinaus auch nicht bei der Fondsgesellschaft, sondern bei einer Depotbank verwahrt. Mit Ausnahme eines höchst verstörenden Zwischenfalls in der Finanzkrise 2008, in dem der Betrüger Bernie Madoff zugleich als Fondsverwalter und – über ein undurchsichtiges Outsourcing – auch als Depotstelle fungierte, hat die Trennung zwischen Fonds, Fondsgesellschaften und Depotstellen über die vergangenen Jahrzehnte gut funktioniert.

Man hört immer vom Diversifikationsgebot bei Fonds. Was ist das?

Das Fondsgesetz – korrekte Bezeichnung: Kapitalanlagegesetzbuch, KAGB – regelt die Anlagegrenzen von Fonds, damit diese hinreichend diversifiziert sind. Es leitet sich aus den Fondsregularien der Europäischen Union ab. Gemäß Paragraf 206 des KAGB darf ein Fonds bis zu fünf Prozent seines Vermögens in Wertpapiere desselben Emittenten investieren; maximal liegt die Grenze bei zehn Prozent, aber nur, wenn der Gesamtwert der Wertpapiere dieser Emittenten 40 Prozent des Fondsvermögens nicht übersteigt. Im Fonds-Jargon heißt diese Vorgabe nur die „5/10/40-Regel“, die aktiv verwaltete Fonds einhalten müssen. Bei ETFs ist das allerdings anders. Bei ETFs dürfen einzelne Wertpapiere 20 Prozent des Fondsvermögens ausmachen, im Extremfall sogar 35 Prozent.

Sind ETFs als keine Fonds?

Doch. ETFs sind börsengehandelte Indexfonds und somit Sondervermögen, genauso wie Fonds, die von echten Managern verwaltet werden. Aber die Anlagegrenzen sind bei ETFs deshalb nicht so strikt, weil börsengehandelte Fonds Indizes abbilden und Indizes die Spiegel der Märkte sind. Um diese Märkte also 1:1 abbilden zu können, gelten für ETFs etwas andere Regeln bei der Gewichtung von Einzeltiteln.

Handelt es sich bei Edelmetall-Investments wie Xetra-Gold oder Euwax Gold um Fonds?

Nein, es handelt sich hier um Inhaberschuldverschreibungen, also um Anleihen. Weil Fonds diversifiziert sein müssen, können Finanzprodukte, die nur eine Bezugsgröße haben, per se keine Fonds sein. Inhaberschuldverschreibungen sind also auch keine Sondervermögen. Auch wenn solche Produkte mitunter die Bezeichnung „ETC“ (Exchange Traded Commodities) tragen, die eine Nähe zu ETFs suggerieren sollen, verbleibt ein Insolvenzrisiko bei Goldprodukten. Zwar stehen hinter diesen beiden Goldprodukten die Deutsche Börse (Xetra-Gold) bzw. die Börse Stuttgart (Euwax Gold). Aber eben nicht die Muttergesellschaften, sondern Tochtergesellschaften; bei Euwax Gold ist es die Börse Stuttgart Securities GmbH, bei Xetra-Gold die Deutsche Börse Commodities, ein Gemeinschaftsunternehmen der Deutschen Börse, Commerzbank, Deutsche Bank, DZ Bank und Bank Metzler.

Eignen sich Fonds für jeden Langfristanleger?

Prinzipiell sind Fonds sehr gute Instrumente zur langfristigen Vermögensbildung, denn sie investieren diversifiziert, bieten Rendite-Risiko-Profile für alle Geschmäcker, und der Handel mit Wertpapieren ist im Fondsmantel steuereffizient. Nicht umsonst wenden sich immer mehr Investoren – auch Profis – Fonds zu. Allerdings ist das Autobahndreieck im Süden von Los Angeles in Sachen Komplexität ein Klacks im Vergleich zum Fondsmarkt in Deutschland. Dass es Aktienfonds, Rentenfonds, Mischfonds und Immobilienfonds gibt, ist das eine. Doch das andere ist, dass im Laufe der Jahre immer mehr Produktgattungen und Unterkategorien hinzugekommen sind – Laufzeitfonds, Lebenszyklusfonds, Branchenfonds, Themenfonds, etwa 20 unterschiedliche Hedgefonds-Kategorien sowie – das Pariser Klimaabkommen lässt grüßen – Nachhaltigkeitsfonds in dutzenden Grün-Schattierungen. Hinzu kommen immer mehr Indexfonds, die börsennotierten wie die nicht-börsennotierten. In Summe gibt es inzwischen knapp 70.000 Fonds-Anteilsklassen von über 11.000 verschiedenen Fonds am deutschen Markt. Insofern muss man als Investor schon sehr genau wissen, wonach man sucht, bevor man sich auf die Reise in die Fondswelt begibt.

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Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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