Geldmarktfonds bleiben eine attraktive Tagesgeld-Alternative – ja, seit unserem letzten Beitrag im April sind sie noch rentierlicher geworden. Und es spricht angesichts der Zögerlichkeit der EZB, die Zinsen zu senken, wenig dafür, dass sich das in den nächsten Monaten ändern wird.
Im April dieses Jahres haben wir ein klares Plädoyer für Geldmarktfonds als Tagesgeld-Alternative abgegeben. Gut acht Monate später erneuern wir dieses Plädoyer, auch wenn viele Investoren derzeit auf rückläufige Zinsen setzen. Die Gründe dazu in Kürze: Nachdem die Notenbanken 2022 anfingen, im Rekord-Tempo die Zinsen zu erhöhen, hatten Anleger erstmals seit einem Jahrzehnt wieder eine Zins-Alternative und mussten nicht hohe Bonitäts- oder Laufzeitrisiken eingehen, um auf der Anleihenseite Renditen zu erzielen.
Allerdings bringt die Rückkehr des Zinses oft nur theoretische Alternativen für Anleger und Sparer. Die Banken geben noch immer nur zögerlich die üppigen Zinskonditionen weiter. Zwar verspüren auch sie den Druck und bewegen sich, aber das sogenannte Deposit-Beta ist erschreckend träge – zu groß ist die Verlockung der Zinsmarge. Die Konditionen, die Banken auf der Kreditseite vereinnahmen sind gerade seit 2022 sehr weit weg von denen, die sie Sparern gewähren. Das Portal tagesgeldvergleich.de kommt bei 73 Angeboten auf gerade einmal 2,80 Prozent pro Jahr. Was bei derartig ungewichteten Vergleich aus dem Blick fällt: Gerade die großen Sparkassen knausern mit den Tagesgeld-Zinsen. Große Häuser wie die Hamburger Sparkasse oder die Sparkasse KölnBonn sind beim Tagesgeld Welten weg von den Zinskonditionen der EZB. Zudem handelt es sich oft um Lockangebote von nur begrenzter Laufzeit von zumeist sechs Monaten.
EZB-Leitzins seit 1999, in Prozent und per 20. September 2023, Quelle: EZB, Statista
Geldmarktfonds als fast perfekter Zins-Transmissionsriemen
Seit Mitte September liegt der Leitzins der EZB bei 4,5 Prozent. Wer auf Banken-Zinsen setzt, kann allenfalls bei einem dreijährigen Festgeld auf derartige Konditionen hoffen. Und auch wer in den Genuss hoher Tagesgeld-Konditionen kommt, muss aufpassen: Die Einlagensicherung springt nur bis zu einer Höhe von maximal 100.000 Euro bei einer Schieflage einer EU-regulierten Bank ein. Vor diesem Hintergrund sind Geldmarktfonds unschlagbar. Sie sind der mit Abstand effizienteste Transmissionsriemen zwischen EZB und Privatkunden (die keinen direkten Zugang zu Geldmarkt bekommen). Zudem handelt es sich auch bei Geldmarktfonds um Sondervermögen, die also vor einer Insolvenz des Fondsanbieters geschützt sind. Der Clou ist, dass Anleger bei geldmarktnahen Instrumenten die beste Rendite auf der Anleihenseite aktuell erzielen – weil die Zinskurve derzeit invers ist, bringen kurzfristige Anlagen am Rentenmarkt mehr Rendite bei geringeren (Durations-) Risiken als langfristige Anleihen.
Was bieten Geldmarktfonds? Wer von der Vergangenheits-Rendite auf die Zukunft schließt, wird natürlich auf den ersten Blick enttäuscht sein: Geldmarktfonds haben in den vergangenen zehn Jahren nur mickrige bis gar keine Renditen gebracht, was angesichts der Nullzinsphase, die in der EZB bis Juli 2022 andauerte kein Wunder ist. Geldmarktfonds hoben sich in der Nullzinszeit nicht vom Tagesgeld ab: Im Gegenteil: Lange Zeit schreckten Banken davor zurück, Kunden Minuszinsen in Rechnung zu stellen, ganz im Gegensatz zu Geldmarktfonds, bei denen Anleger im vergangenen Jahrzehnt überwiegend negative Nominalrenditen erzielten. Aber das Blatt hat sich bei Geldmarktfonds um 180 Grad gewendet – im Gegensatz zum Tagesgeld, das noch immer überwiegend bescheiden verzinst wird.
Wir hatten im April prognostiziert, dass Geldmarktfonds in diesem Jahr auf eine Rendite von rund drei Prozent kommen könnten. Das ist angesichts der bis September gestiegenen Zinsen noch immer realistisch. Und es kommt noch besser: Wenn man die Rendite von Geldmarktfonds seit der letzte Zinserhöhung der EZB im September bis heute auf 12-Monate hochrechnet, kommt auf Renditen von vier Prozent und mehr. Länger laufende Geldmarktfonds kommen sogar auf mehr, geldmarktnahe Fonds, die allerdings der Kategorie der Anleihenfonds zugerechnet werden, können Anleger auf locker fünf oder sechs Prozent hoffen lassen.
Zur Erinnerung: Es gibt zwei Arten von Geldmarktfonds: Einmal solche mit sehr kurzen Laufzeiten. Sogenannte kurzfristige Geldmarktfonds haben als Ganzes eine Zinsbindungsdauer von maximal 60 Tagen, einzelne Papiere dürfen eine Restlaufzeit von maximal 397 Tagen haben. Diese Fonds sind sicherer als herkömmliche Geldmarktfonds, werfen aber im Schnitt weniger ab. Herkömmliche Geldmarktfonds investieren in Summe in Papiere mit einer Zinsbindungsdauer von maximal sechs Monaten, die maximale Restlaufzeit einzelner Papiere beträgt zwei Jahre. Sie dürfen auch in andere Geldmarktfonds investieren.
Bleiben Geldmarktfonds eine gute Tagesgeld-Alternative?
Viele Anleger stellen sich die Frage: Wie lange wird der Geldmarkt-Zins-Regen noch andauern? Wie bereits oben erwähnt setzen immer mehr Banken darauf, dass die EZB bereits im Frühjahr 2024 die Zinsen senken wird. Wäre das der Fall, würden auch die Renditen von Geldmarktfonds – Stichwort: effizienter Zins-Transmissionsriemen – zügig zurückgehen. Daher lohnt es sich, das Für und Wider rascher Zinssenkungen abzuwägen. Zuvorderst stellt sich die Frage nach der Inflationsentwicklung. Die Teuerung hat sich zuletzt stark verlangsamt. Im November sind die Preise in der Eurozone um 2,4 Prozent gestiegen. Das ist die niedrigste Steigerung seit Juli 2021 und nicht ewig weit vom Zwei-Prozent-Ziel entfernt. Und übrigens auch weit weg vom der Inflationsprognose, die die EZB noch im September abgegeben hatte: Bis dahin ging die Zentralbank noch von einer Inflationsrate von drei Prozent bis Ende des dritten Quartals 2024 aus.
Kritiker wenden derzeit ein, dass die EZB das Inflationsgespenst heute genauso überschätzt, wie sie dessen Gefahr lange Zeit unterschätzt hat. Doch die Headline-Inflationsrate ist volatil. Bereits im Dezember könnten die Preise wegen gestiegener Heizkosten in Deutschland wieder stark anziehen. Und wenn die Gaspreisbremse in Deutschland tatsächlich wie geplant zum Jahresende ausläuft, werden wir im Januar 2023 angesichts des Gewichts Deutschlands in der Eurozone anziehende Preise sehen, egal, ob die Energiepreise weiter sinken oder nicht. Übrigens ist das Preisniveau heute längst nicht so entspannt, wie es die 2,4 Prozent Teuerung andeuten: Nimmt man die volatilen Energie- und Nahrungsmittelpreise aus dem Warenkorb raus, liegt die Kerninflation mit 3,6 Prozent recht weit weg vom EZB-Inflationsziel. In den USA sieht sich auch die Notenbank Fed, der Zins-Leithammel unter den globalen Zentralbanken, mit einer hartnäckigen Inflation konfrontiert. Die Kerninflation verharrt hier bei hohen 4,0 Prozent, die Headline-Inflation ist im November nur leicht von 3,2 auf 3,1 Prozent gesunken.
Auch wenn die Inflation in den vergangenen Monaten deutlich zurückgegangen ist, drohen Anleger – auch in der Eurozone – einer gefährlichen Chimäre zu unterliegen: Sie glauben, dass die Notenbanken Fed und EZB mehr als nur eine Zinspause eingelegt haben. Sie sehen in der aktuellen Lage als Vorstufe einer raschen Abfolge von Zinsschritten nach unten. Doch das ist fragtlich. EZB Ratsmitglied Isabel Schnabel, die den Falken zugerechnet wird, mag jüngst angedeutet haben, dass Zinserhöhungen derzeit nicht das Thema seien; aber das bedeutet nicht, dass die EZB die Zinsen zügig senken wird. EZB-Chefin Christine Lagarde hat im November hervorgehoben, dass die EZB zunächst abwarten wolle, wie sich die Löhne entwickeln – immerhin haben diese einen Anteil von 44 Prozent am Inflationskorb. Mit einem annualisierten Zuwachs von zuletzt vier Prozent ist die Lohnsituation nicht wirklich entspannt und eben nicht dazu angetan, die EZB zum Handeln zu zwingen. „Higher for longer“ ist die Devise der Notenbanker.
Doch es herrscht leider eine kognitive Dissonanz: Marktteilnehmer nehmen den Willen der Notenbanker offenbar nicht ernst genug und lassen sich von baldigen Zinssenkungsphantasien über Gebühr inspirieren. Das ist ein wichtiger Grund, warum die Asset-Preise weltweit seit Anfang November nach oben schießen. Der Spruch „don’t fight the Fed“ ist eine Marktweisheit, an die sich Anleger in den nächsten Wochen erinnern sollten. Unterdessen können Risikoaverse Aktien-Investoren, denen die Bewertungen aktuell nicht geheuer sind, entspannt ihre Cash-Bestände in Geldmarktfonds parken. Mit annualisiert rund vier Prozent erwirtschaften sie zwar nur rund die Hälfte der langfristigen jährlichen Aktienrendite, aber die Opportunitätskosten sind längst nicht mehr so hoch wie noch vor gut einem Jahr. Rentenanleger können wiederum mit geldmarktnahen Papieren die Durationsrisiken reduzieren und zugleich die Erträge gegenüber mittleren und längeren Laufzeiten erhöhen.
Der Zins ist zurück, und Geldmarktfonds sind Trumpf – anders als Tagesgeld-Konten, die bestenfalls unsichere Rendite-Kantonisten sind.
Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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