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Alibaba-Aktie: Wettbewerbs-Krieg an zwei Fronten

Alibaba hat Zahlen vorgelegt, die das Bild des Konzerns im Investitions- und Umbruch-Modus zeichnen. Die Alibaba-Aktie profitiert von einer klaren KI-Story und stark wachsenden Cloud-Umsätzen, leidet aber unter einem Einbruch der Profitabilität. Entscheidend ist, wie lange die Aktionäre das Doppelspiel aus „AI feast & food wars“ akzeptieren und wie sich das Verhältnis Chinas mit den USA entwickelt.

Quartalszahlen im Detail

Auf Konzernebene stieg der Umsatz im September-Quartal 2025 (2Q Geschäftsjahr 2026) um 5 Prozent auf 247,8 Milliarden Renminbi (34,8 Milliarden US-Dollar). Bereinigt um die veräußerten Sun-Art- und Intime-Geschäfte hätte das Wachstum bei 15 Prozent gelegen. Der ausgewiesene Nettogewinn ging zugleich um 53 Prozent auf 20,6 Milliarden RMB (2,9 Milliarden Dollar) zurück, die Nettomarge fiel damit auf rund 8 Prozent nach gut 18 Prozent im Vorjahresquartal (Vorjahr: 18 Prozent).

Besonders deutlich wird der Investitions-Modus beim bereinigten EBITDA: Dieses brach um 64 Prozent auf 17,3 Milliarden RMB (2,4 Milliarden Dollar) ein, die EBITDA-Marge fiel entsprechend von 20 Prozent auf nur noch 7 Prozent (Vorjahr: 20 Prozent). Das bereinigte EBITA ging sogar um 78 Prozent auf 9,1 Milliarden RMB zurück, was einer operativen Marge von nur 4 Prozent entspricht (Vorjahr: 17 Prozent).

Auf Ergebnisebene verfehlte Alibaba die Analystenschätzungen klar: Der Reingewinn je in New York gelisteten ADS lag bei 4,36 RMB, während der Konsens bei etwa 6,34 RMB gelegen hatte – ein Rückgang von 71 Prozent gegenüber dem Vorjahr und gut 20 Prozent unter den Erwartungen. Beim Umsatz sah es umgekehrt aus: Hier übertraf Alibaba mit 247,8 Milliarden RMB den Konsens von rund 242,6 Milliarden RMB und lieferte damit ein klares „Top-Line-Beat“

Die Segmentierung zeigt, wo die Musik spielt – und wo das Geld verbrannt wird. Im klassischen China-E-Commerce-Geschäft (Taobao, Tmall, dazugehörige Logistik und Wholesale) stiegen die Umsätze um 16 Prozent auf 132,6 Milliarden RMB (18,6 Milliarden Dollar). Allein die Customer-Management-Umsätze – also im Kern Werbe- und Marketingerlöse – legten um 10 Prozent auf 78,9 Milliarden RMB (11,1 Milliarden Dollar) zu und spiegeln eine verbesserte Take-Rate wider.

Der eigentliche Wachstumsmotor im Konsumgeschäft war aber Quick Commerce (Sofortlieferdienste, bei denen Bestellungen innerhalb von meist 30–60 Minuten geliefert werden, zumeist Lebensmittel): Die Umsätze in diesem Segment sprangen um 60 Prozent auf 22,9 Milliarden RMB (3,2 Milliarden Dollar), getrieben durch den Rollout von „Taobao Instant Commerce“ und eine deutlich höhere Bestellfrequenz. Gleichzeitig ist Quick Commerce der Haupttreiber für den Gewinneinbruch: Das Management spricht selbst von einem „Investment Peak“, während Sell-Side-Schätzungen für das September-Quartal von Verlusten im mittleren zweistelligen Milliardenbereich in RMB ausgehen und für das Dezember-Quartal nur eine schrittweise Eingrenzung dieser Verluste erwarten.

Noch wichtiger für die strukturelle Story der Alibaba-Aktie ist der Bereich Cloud Intelligence: Die Cloud-Umsätze stiegen um 34 Prozent auf 39,8 Milliarden RMB (5,6 Milliarden Dollar) und übertrafen damit Schätzungen von rund 38 Milliarden RMB. Besonders bemerkenswert: Die AI-bezogenen Cloud-Umsätze wuchsen bereits das neunte Quartal in Folge im dreistelligen Prozentbereich und machten etwa 20 Prozent der externen Cloud-Umsätze aus. Nach Unternehmensangaben liegt Alibaba in China mit einem Marktanteil von knapp 36 Prozent an der Spitze des AI-Cloud-Marktes.

Die internationale E-Commerce-Sparte der Alibaba-Aktie zeigte mit einem Umsatzplus von 10 Prozent auf 34,8 Milliarden RMB (4,9 Milliarden Dollar) ein solides Bild; erfreulich ist hier vor allem, dass die Alibaba International Digital Commerce Group beim bereinigten EBITA mit 162 Millionen RMB (rund 23 Millionen Dollar) in die Gewinnzone drehte, vor allem dank besserer Effizienz bei AliExpress und Lazada.

Auch auf Cashflow-Ebene spiegelt sich die aggressive Investitionspolitik deutlich wider: Der operative Cashflow sank im Quartal um 68 Prozent auf 10,1 Milliarden RMB (1,4 Milliarden Dollar), der Free Cashflow drehte auf einen Abfluss von 21,8 Milliarden RMB (3,1 Milliarden Dollar), primär aufgrund massiv erhöhter Cloud-Investitionen und der Quick-Commerce-Expansion. Gleichzeitig sitzt die Alibaba-Aktie weiterhin auf einem komfortablen Liquiditätspolster von 573,9 Milliarden RMB (80,6 Milliarden Dollar) in Cash und liquiden Anlagen.

Ausblick

Offizielle, harte Guidance-Zahlen für Umsatz oder EBITDA im laufenden Geschäftsjahr gibt das Management weiterhin nicht aus. Stattdessen zeichnen CEO Eddie Wu und CFO Toby Xu im Earnings Call und in den begleitenden Statements ein relativ klares qualitatives Bild: Alibaba befindet sich in einer Investitionsphase, in der kurzfristige Profitabilität bewusst gegen langfristigen strategischen Wert eingetauscht wird.

Im Zentrum steht dabei der Ausbau des AI-&-Cloud-Stacks. Das Unternehmen hat in den vergangenen vier Quartalen rund 120 Milliarden RMB (16,9 Milliarden Dollar) an Capex in AI- und Cloud-Infrastruktur investiert und peilt für drei Jahre kumulierte Investitionen von grob 380 Milliarden RMB (53,5 Milliarden Dollar) an – nach jüngsten Aussagen könnte dieser Rahmen eher das untere Ende dessen sein, was tatsächlich benötigt wird. Analystenschätzungen gehen davon aus, dass die Cloud-Umsätze in den kommenden Quartalen weiter mit deutlich über 30 Prozent pro Jahr wachsen und die AI-bezogenen Umsätze dabei eine immer größere Rolle spielen.

Auf der Konsumseite setzt die Alibaba-Aktie klar auf die Verzahnung von Quick Commerce und dem Kern-E-Commerce-Geschäft: Das Management will die Einheitlichkeit der User-Journey zwischen Taobao, Tmall und On-Demand-Lieferungen ausbauen und sieht darin einen Hebel, um Customer-Management-Umsätze (CMR) und Werbeerlöse langfristig zu stützen. Gleichzeitig wird aber auch eingeräumt, dass das CMR-Wachstum in den kommenden Quartalen moderat ausfallen dürfte – Schätzungen gehen nach den aktuellen Kommentaren eher von Wachstumsraten um 6 Prozent pro Quartal aus, statt der bislang erwarteten 8 Prozent und mehr.

Für Quick Commerce selbst stellt das Management eine schrittweise Verbesserung der Unit Economics in Aussicht. Seit Oktober haben sich die Verluste pro Bestellung laut Unternehmensangaben bereits etwa halbiert, was vor allem auf höhere durchschnittliche Bestellwerte und Effizienzgewinne in der Logistik zurückzuführen ist. Mittelfristig wird eine zusätzlicher GMW (Bruttowarenwert) von rund einer Billion RMB binnen drei Jahren angestrebt, um die Marktposition gegenüber Wettbewerbern wie Meituan nachhaltig zu stärken. Die Botschaft: Der Tiefpunkt sei erreicht, aber 2026 dürfte operativ noch stark vom Kampf um Marktanteile geprägt sein.

Positiv

Positiv ist zunächst, dass die Alibaba-Aktie ihre Rolle als chinesischer AI-und-Cloud-Leader eindrucksvoll untermauert. Ein Cloud-Umsatzwachstum von 34 Prozent, ein AI-Anteil von rund 20 Prozent an den externen Cloud-Erlösen und der Launch des Qwen-Apps mit über zehn Millionen Downloads in wenigen Tagen zeigen, dass Alibaba im heimischen Markt eine ähnliche Position anstrebt wie US-Hyperscaler in der westlichen Welt – ein vollintegrierter AI-Full-Stack von Infrastruktur über Foundation-Models bis hin zu Consumer-Apps.

Zweitens zeigt die Alibaba-Aktie, dass die E-Commerce-Plattform in China operativ weiter funktioniert: 16 Prozent Umsatzwachstum in der China-E-Commerce-Gruppe, 10 Prozent Plus bei den Customer-Management-Erlösen und ein anhaltender Zuwachs bei den 88VIP-Mitgliedern auf über 56 Millionen sprechen dafür, dass Taobao/Tmall ihre Relevanz im Alltag der Konsumenten nicht verlieren – trotz intensiver Konkurrenz durch Douyin, Pinduoduo & Co.

Drittens gelingt es Alibaba, die internationale Handelsplattform schrittweise aus der Verlustzone zu führen. AliExpress, Lazada und andere Formate konnten ihre Effizienz so weit steigern, dass die internationale Einheit beim bereinigten EBITA erstmals leicht positiv ist. Das ist strategisch wichtig, weil es das Narrativ der Alibaba-Aktie als globalen E-Commerce-und-Cloud-Player unterstützt – und nicht nur als reine China-Wette.

Negativ

Die Kehrseite dieser Strategie ist eine massiv unter Druck stehende Profitabilität. Eine operative Marge von 2 Prozent (Vorjahr 15 Prozent) bei gleichzeitig auf 7 Prozent fallender EBITDA-Marge ist für ein Unternehmen mit der Historie der Alibaba-Aktie ein sehr deutlicher Einschnitt. Der Markt kann ein bis zwei Jahre „Investitionsphase“ akzeptieren – aber über einen längeren Zeitraum hinweg wird es klare Signale brauchen, dass AI- und Quick-Commerce-Investitionen ihre Kapitalkosten verdienen.

Hinzu kommt, dass Quick Commerce aktuell nicht nur hohe Verluste auslöst, sondern auch die Margen im klassischen E-Commerce drückt. Die China-E-Commerce-EBITA ist im Quartal um mehr als 70 Prozent eingebrochen, und Analysten rechnen auch für die nächsten Quartale mit deutlichen Schwankungen, weil höhere Marketingausgaben und Nutzerinvestitionen nötig sind, um gegen lokale Wettbewerber zu bestehen. Die Alibaba-Aktie führt damit de facto zwei teure Wettbewerbsfronten gleichzeitig: eine gegen Meituan und andere im Schnellliefergeschäft – und eine im globalen AI-Infrastruktur-Wettrüsten.

Drittens ist die Cashflow-Situation ein klarer Warnpunkt: Ein Free-Cashflow-Abfluss von über 21 Milliarden RMB im Quartal ist kein existenzielles Problem bei der aktuellen Bilanzstärke, aber es begrenzt die Flexibilität für weitere große Buyback-Programme oder Dividendensteigerungen. Sollte sich die Kombination aus hohem Investitionsbedarf, intensivem Wettbewerb und anhaltend gedämpfter Konsumdynamik in China länger hinziehen, wird der Markt zunehmend genauer hinschauen, ob die Alibaba-Aktie die Balance zwischen Wachstum und Kapitaldisziplin hält.

Fazit & Bewertung

In Summe liefern die Zahlen ein ambivalentes, aber strategisch stringentes Bild: Die Alibaba-Aktie bestätigt mit starkem Cloud- und AI-Wachstum, dass sie in der neuen Rechenzentrums- und KI-Welt eine zentrale Rolle spielen will – und kann. Gleichzeitig zeigt der Gewinneinbruch, wie teuer diese Positionierung ist, solange Quick Commerce und AI-Investitionen parallel hochgefahren werden. Wer das Papier heute hält oder neu kauft, wettet nicht auf eine kurzfristige Margenerholung, sondern darauf, dass Alibaba in einigen Jahren als dominanter AI-Cloud-Player und führende Konsum-Super-App in China aus dieser Phase hervorgeht.

Der Markt hat auf diese Gemengelage eher verhalten reagiert: Die Alibaba-Aktie schloss am Tag nach denZahlen bei 157,01 US-Dollar, ein Rückgang von rund 2,3 Prozent, obwohl der Umsatz die Erwartungen übertraf und die Cloud-Zahlen stark ausfielen. Damit signalisiert der Markt: Die Story stimmt, aber die Investoren wollen mehr Sichtbarkeit, wie schnell sich die großen Investitionsblöcke in AI und Quick Commerce wieder in steigende Margen verwandeln.

Bewertungsseitig ist die Alibaba-Aktie im historischen und relativen Vergleich durchaus nicht teuer, aber auch kein „No-Brainer“. Auf Basis der aktuellen Konsensschätzungen liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) für das Geschäftsjahr 2026 bei etwa 26, fällt 2027 auf 17 und 2028 auf 14. Die Enterprise-Value-zu-Umsatz-Relation (EV/Sales) wird für die nächsten vier Quartale bei etwa 2,4 geschätzt, während sich das EV/EBITDA für denselben Zeitraum im Bereich zwischen 13 bis 14 bewegt und erst für das übernächste Jahr in Richtung 10 sinkt. Zum Vergleich: Amazon wird aktuell mit einem EV/Sales von rund 3,5 bis 4 und einem EV/EBITDA von rund 17 gehandelt, Sea Limited mit einem EV/Sales von gut 3 und einem deutlich höheren EV/EBITDA im Bereich von 20.

Das entspricht das einem typischen „High-Growth-bei-hoher-Unsicherheit“-Profil: Die Bewertungsmultiples spiegeln bereits einen Risikoabschlag für China und die aktuelle Margenschwäche wider, lassen aber durchaus Raum für eine Neubewertung, falls Alibaba in den kommenden Quartalen zeigen kann, dass Cloud-Wachstum, AI-Monetarisierung und Quick-Commerce-Verluste langfristig zu einem stabilen, kapitalrenditestarken Geschäftsmodell zusammenfinden. 

Grund für den Abschlag ist aber auch der geopolitischer Faktor: Das US-Verteidigungsministerium hat Alibaba in einem Schreiben an den Kongress als Unternehmen genannt, das aus US-Sicht potenziell zum chinesischen Militär-Ökosystem beiträgt. Auch wenn eine formale Einstufung auf der 1260H-Liste bislang nicht erfolgt ist, wäre ein solcher Schritt ein zusätzlicher Reputationsrisiko-Katalysator für die Alibaba-Aktie – vor allem für US-Investoren.

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Autor

  • Steffen Gruschka ist CFO und Co-Geschäftsführer von Envestor. Er ist seit über 25 Jahren Fondsmanager für Emerging-Markets-Aktien, zunächst bei der DWS, heute bei Pyfore Capital, wo er als Berater für den Emerging Markets Digital Leaders verantwortlich zeichnet.

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