Anlegerpsychologie: Wie Investoren ärgerliche Fehler vermeiden können

Es gibt gute und es gibt schlechte Nachrichten. Die schlechte: Anlegerpsychologie und Geldanlage führen oft zu suboptimalen Investment Ergebnissen. Die gute Nachricht: Wir haben die wichtigsten Anlegerfehler aufgelistet, die Investoren typischerweise zu falschem Handeln verleiten.

Man muss aber auch kein Genie sein, um erfolgreich zu investieren. Warren Buffett soll dazu einmal Folgendes gesagt haben: „Der Erfolg hängt nicht vom IQ ab – vorausgesetzt, man hat einen Intelligenzquotienten von über 25“. Glaubt man also dem „Orakel von Omaha“, dann können alle Selbstentscheider unter den Anlegern Erfolg haben.

Dass viele dennoch scheitern, hat weniger mit ihrer (mangelnden) Intelligenz, sondern mit fehlender Selbstdisziplin zu tun – und mit dem Thema Anlegerpsychologie. Es gibt sie, die typischen Anlegerfehler. Man muss es folglich also „nur“ schaffen, die Fehler zu vermeiden. Das setzt voraus, die eigenen Schwächen zu kennen.

Die Verhaltensökonomie versucht, Erklärungen dafür zu finden, warum Menschen oft Entscheidungen treffen, deren Folgen ihren Interessen widersprechen. Wir stellen einige Erkenntnisse aus der Behavioral Finance Forschung vor. Wer diese Verhaltensmuster rechtzeitig durchschaut, verhindert überflüssige Fehler, was hilft, die persönliche Rendite zu verbessern.

Selbstüberschätzung

Das Phänomen der Selbstüberschätzung beschreibt eine typisch menschliche Eigenschaft, zu der auch Anleger neigen. Wir glauben, dass wir klüger und geschickter sind als es der Wirklichkeit entspricht. Selbstüberschätzung verleitet typischerweise 60 bis 70 Prozent der Autofahrer zur Behauptung, dass sie zu den 30 Prozent der sichersten Autofahrer zählen. Das ist nur ein Beispiel.

In seiner extremsten Ausprägung artet sie in Hybris aus. Man spricht dann vom Dunning-Kruger-Effekt. Er impliziert nicht nur eine Überschätzung der eigenen Fähigkeiten, sondern auch ein steigendes Selbstvertrauen bei zunehmender Unwissenheit. Unterstellt man, dass viele Menschen tatsächlich wenig informiert sind über Finanzangelegenheiten, kann das Phänomen der Selbstüberschätzung zu einem schlechten Start in die Anlegerkarriere führen!

Selektive Wahrnehmung

Wir erinnern uns ungern an schlechte Dinge und neigen dazu, die Welt durch eine Rosabrille zu sehen. Das führt zum Phänomen der selektiven Wahrnehmung. Wir wollen uns mit Sicherheit nicht an verpasste Einstiegsgelegenheiten erinnern und noch viel weniger an Investments, die sich als Reinfall entpuppten und zu Verlusten führten. Und wir wollen auch nicht auf diesen nervigen Journalisten hören, der uns weißmachen will, dass Wirecard ein Betrugsunternehmen ist.

Werden Informationen auf diese Weise gefiltert, sprechen Psychologen von „kognitiver Dissonanz“. Wenn in uns also zwei gegensätzliche Vorstellungen, Meinungen, Ansichten oder Verhaltensweisen aufeinandertreffen, wird dieser Affekt bewirken, dass wir diesen vermeintlichen Widerspruch aufzuheben versuchen. Um eine schlechte Anlageentscheidung in der Vergangenheit vor uns selbst zu rechtfertigen, wird unser Gedächtnis also diese schlechte Erinnerung aufhübschen, vor allem, wenn wir uns für einen guten Investor halten.

Repräsentativität

Eine andere Form der selektiven Erinnerung ist die Repräsentativität. Wir messen manchen Informationen – etwa kurzfristigen Kursentwicklungen – ein zu großes Gewicht bei und vernachlässigen dafür andere Informationen. Im Zweifel werden langfristig relevante Daten weniger eindeutig sein in ihrer Bedeutung und damit schwammiger. Da rufen wir doch lieber die scheinbar aussagekräftige Schlagzeile hervor, die aber mit Sicherheit wenig Bedeutung für den langfristigen Erfolg unseres Investments hat.

Selbstbeschränkung

Wissenschaftler haben auch ein Verhalten ausgemacht, das als Gegenteil von Selbstüberschätzung gilt: Man versucht, einen möglicherweise schlechten Ausgang einer Situation schon im Voraus zu begründen, ganz gleich, ob diese Erklärung zutrifft oder nicht. In der Wissenschaft wird dieses Phänomen Selbstbeschränkung oder Self-Handicap genannt.

Ein Beispiel dafür ist etwa die Ankündigung vor einer Präsentation, dass wir uns nicht wohlfühlen. Läuft die Präsentation schlecht, haben wir eine Entschuldigung parat. Vielleicht hat aber gerade unser negativer Mindset entscheidend dazu beigetragen, dass wir die Präsentation versaut haben? Bezogen auf die Welt des Investierens: Wenn wir bereits im Vorhinein nach Ausreden suchen, dann sind wir vielleicht doch nicht überzeugt von unserer Investment These?

Verlustaversion

Es ist bekannt, dass Investoren bei steigenden Aktienkursen verkaufen „um Gewinne mitzunehmen”, während sie zugleich nicht wahrhaben wollen, dass bei anderen Positionen die steigenden Verluste dramatische Ausmaße annehmen. In seinem Buch „Common Stocks and Uncommon Profits“ schreibt Philip A. Fisher, dass “vermutlich am meisten Geld dadurch verloren wurde, dass Investoren eine Aktie, die sie eigentlich gar nicht mehr wollten, hielten, bis sie auf null fiel“.

Wie passt das zusammen? Einerseits nehmen wir Geld vom Tisch bei Aktien, die blendende Perspektiven haben, andererseits halten wir an Pleitekandidaten fest. Wir bedauern ein schlechtes Ergebnis umso mehr, wenn wir die Investition aus gutem Grund eingegangen sind. Damit schieben wir den Zeitpunkt hinaus, an dem wir die Konsequenzen unseres Handelns anerkennen müssen.

Es ist auch keine große Hilfe, dass wir den Schmerz über einen Verlust stärker wahrnehmen als die Freude über einen spiegelbildlichen Gewinn. Unser Bedürfnis, Verluste zu vermeiden, kann dazu führen, dass wir an schlechten Aktien zu lange festzuhalten in der vergeblichen Hoffnung, dass sie irgendwann einmal Gewinne einbringen.

Investierte Kosten

Auch der Blick auf den Einsatz für eine Investition kann das Phänomen der Verlustaversion auslösen. Wir rücken bei Entscheidungsprozessen oft die „investierten Kosten” in den Mittelpunkt und vernachlässigen den Kern der Sache. Das kann dazu führen, dass wir an einem Investment festhalten, selbst wenn die dahinterstehende Prämisse ins Wanken gerät.

Ein Beispiel: Sie haben teure Theaterkarten gekauft. Vor Beginn der Veranstaltung erfahren Sie, dass das Stück furchtbar ist. Da Sie aber für die Karten viel Geld gezahlt haben, gehen Sie trotzdem hin. Anders wäre es, wenn Ihnen die Tickets geschenkt worden wären; Sie würden die Aufführung vermutlich nicht besuchen. Rational wäre es indes, die Entscheidung, ins Theater zu gehen davon abhängig zu machen, ob Sie das Stück sehen wollen oder nicht. Übertragen auf die Welt des Investierens: Wäre uns die Aktie oder der Fondsanteil geschenkt worden, würden wir vermutlich – zu Recht – schneller die Reißleine ziehen!

Anchoring

Fragen Sie einmal einen Berliner nach der Einwohnerzahl von Frankfurt am Main. Er wird die ihm bekannte Zahl – die Einwohnerzahl seiner eigenen Stadt – als Ausgangspunkt für seine Schätzung nehmen und dann nach unten korrigieren. Aber vermutlich nicht stark genug.

Anchoring findet sich auch in der Welt der Kapitalanlage. Wenn wir etwas Unbekanntes taxieren und einschätzen müssen, orientieren wir uns an dem, was wir wissen. Aber das ist häufig vollkommen irrelevant. Wenn wir in Aktien bei einem DAX Stand von 15.000 Punkten investieren, werden wir diese Marke als relevant erachten. Aber diese Information hat keinen objektiven Nutzen und es macht keinen Sinn, dieser Marke irgendeine Relevanz beizumessen.

Bestätigungsfehler

Ein weiteres Risiko liegt darin, wie wir Informationen betrachten. Es kommt nur allzu oft vor, dass wir nach einer Bestätigung für unsere Meinung suchen, ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Wir nehmen nur die Informationen wahr, die unsere Meinung stützt.

Wenn wir beispielsweise mit unserem Auto, sagen wir es ist ein Peugeot, zufrieden sind, werden wir Informationen, die unserer eigenen, guten Erfahrung mit dieser Marke entsprechen, eher wahrnehmen als gegenteilige Nachrichten. Wenn wir einen Fonds mit Fokus auf Pharmaaktien gekauft haben, werden uns die positiven Informationen zur Branche auffallen, negative Nachrichten registrieren wir allenfalls am Rande.

Mentale Buchführung

Haben Sie schon einmal von einem Ihrer Freunde oder Bekannten gehört, dass er einen bestimmten Geldbetrag nicht ausgeben kann, weil das Geld für den Urlaub verplant ist? Das wäre ein Beispiel für mentale Buchführung. Die meisten von uns teilen ihr Geld so auf: Ein gewisser Betrag ist für die Ausbildung der Kinder, ein anderer für die Rente, ein weiterer für den Ratenkredit.

Ein solches Vorgehen kann sein Gutes haben – es diszipliniert. Wenn man Geld für die Rente auf die Seite legt, hält einen das möglicherweise davon ab, zu viel Geld für den Konsum auszugeben. Doch dieses Vorgehen kann auch zum Problem werden. Nehmen wir als Beispiel die Rückerstattung zu viel gezahlter Lohnsteuer. Bekommen wir Geld vom Fiskus zurück, gilt das als „Taschengeld“ und wird zum Ausgeben freigegeben. Bleibt indes Geld von unserem regulären Einkommen übrig, legen wir das zurück. Dabei handelt es sich in beiden Fällen um unser Einkommen und sollte dementsprechend „gleich“ behandelt werden.

Der Framing Effekt

Es gibt eine weitere Art der mentalen Buchführung, die einen Blick wert ist: Der so genannte Framing Effekt. Wir setzen unterschiedliche Bezugspunkte in ähnlichen Fragen. Wenn wir uns einen Laptop kaufen wollen und kurz vor dem Kauf dasselbe Modell in einem anderen Geschäft für 100 Euro weniger finden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass wir das Angebot wahrnehmen werden.

Wenn aber eine neue Couch 5.000 Euro kosten soll und wir die gleiche Couch im Laden um die Ecke für 4.900 Euro bekämen, dann würde uns das vermutlich nicht umstimmen. Aber warum eigentlich nicht? Schließlich geht es in beiden Fällen um 100 Euro! Doch leider sehen wir den Abschlag in Relation zum Gesamtbetrag, nicht in absoluten Zahlen.

Um als Anleger nicht in die Fallen der mentalen Buchführung zu tappen, sollten wir uns auf die absoluten Erträge oder Kurse konzentrieren und das Portfolio nicht als einzelne „Geldtöpfe“ denken.

Herdentrieb

Investoren bekommen massenweise Anlagetipps von Anlegermagazinen und Internetseiten. Zwangsläufig erinnert man sich an die letzte Anlageempfehlung und steigt bei dieser Aktie ein – das ist eine Facette des oft beschriebenen Herdentriebs.

Leider kommt es häufig vor, dass eine Aktie wegen ihrer guten Kursentwicklung in den Blick der Öffentlichkeit gerückt ist, und nicht, weil sich das Geschäft des Unternehmens gut entwickelt. Die sogenannten Meme Stocks, also Aktien, die auf Social Media Plattformen gehypt sind (AMC, GameStop, aber auch Tesla oder Kryptowährungen). So kann es sein, dass die so gehypte Aktie in ein paar Monaten nicht mehr zu den Börsenlieblingen zählt und der Kurs fällt.

Anleger müssten es besser wissen, als der Herde zu folgen. Wir alle können bessere Anleger sein, wenn wir lernen würden, wie wir Investments bewusst und aus den richtigen Gründen auswählen und die Störgeräusche ausblenden.

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Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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