Christoph Klein: „Aus ESG Gründen waren wir nicht in Russland investiert.“

Klimarisiken sind eine große Bedrohung unserer Zeit und nicht nur die Politik in Europa kämpft gegen den Klimawandel an – auch immer mehr Anleger wollen ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Nachhaltig investierende Fonds und ETFs verzeichnen seit Jahren eine hohe Nachfrage. Man spricht auch von ESG-Fonds (ESG steht für Environment, Social und Governance, also Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung.)

Die EU unterscheidet in der ESG-Transparenzverordnung (SFDR) zwischen zwei Arten von nachhaltig anlegenden Fonds. Sogenannte hellgrüne Fonds weisen ESG-Eigenschaften auf. Sie investieren in besonders nachhaltige Unternehmen. Das sind sogenannte Artikel 8 Fonds. Anspruchsvoller sind die sogenannten dunkelgrünen Fonds. Sie verfolgen konkrete Nachhaltigkeitsziele. Die darin enthaltenen Unternehmen sollen einen positiven Einfluss nehmen und mit ihrer Tätigkeit ESG-Mehrwert schaffen. Die Rede ist von Artikel 9 Fonds.

Auch der Finanzvertrieb ist gefordert. Der Gesetzgeber hat beschlossen, dass der Fragenkatalog, den Fondsberater und Banken ihren Kunden künftig stellen müssen, um einen weiteren Punkt ergänzt werden muss. Neben Fragen nach den Anlagezielen, dem Anlagehorizont und der Risikobereitschaft müssen künftig auch die Nachhaltigkeitspräferenzen von Anlegern abgefragt werden. Die Einführung dieser neuen Vorschrift ist für August dieses Jahres geplant, wobei noch unklar ist, ob dieser Termin gehalten werden kann.

Interview mit Christoph Klein, Fondsmanager des SDG Evolution Flexibel

Christoph Klein ist Gründer der ESG Portfolio Management GmbH. Seit Juli 2018 managt er den Mischfonds SDG Evolution Flexibel, einer der wenigen Mischfonds am deutschen Markt, die nach Artikel 9 eingestuft sind. Das „SDG“ im Fondsnamen steht für „Sustainable Development Goals“. Die SDGs umfassen 17 Ziele für eine nachhaltige Entwicklung. Sie wurden im September 2015 von 193 Staaten in der Generalversammlung der UN festgelegt.

Herr Klein, Ihr Fonds ist ein Artikel 9 Fonds. Das heißt, Sie wollen mit Ihrem Fonds etwas zum Guten bewegen. Welche Nachhaltigkeitsziele (SDGs) haben Sie im Blick? Was wollen Sie konkret erreichen?

Unsere Mission und Motivation ist, das Leben möglichst vieler Stakeholder nachhaltig zu verbessern. Der Fokus unserer Investments liegt dabei besonders auf den SDGs „Kein Hunger“ (#2), „Gesundheit und Wohlergehen“ (#3), „Hochwertige Bildung“ (#4), „Bezahlbare und saubere Energie“ (#7), „Nachhaltige/r Konsum und Produktion“ (#12) und „Maßnahmen zum Klimaschutz“ (#13). Natürlich berechnen und reduzieren wir auch die sogenannten Principle Adverse Impacts (PAIs), also negative Auswirkungen unserer Investitionen.

Ist das überhaupt auf Unternehmensebene messbar?

Die Messung der Wirkungen von Investitionen ist anspruchsvoll. Deshalb nutzen wir verschiedene externe Datenanbieter, deren Berechnungen wir vergleichen und auf Plausibilität prüfen.

Wie kann eine positive Wirkung in der Praxis gelingen?

Die direkten Wirkungskanäle des Investments sind Kapitalallokation und Engagement. Wir investieren Kapital in Aktien und Anleihen von Unternehmen mit hoher ESG Qualität, die unsere Ausschlusskriterien und Kontroversen nicht verletzen. Gleichzeitig sollen diese Unternehmen positive Wirkungen auf die SDGs aufweisen. Für die Messung benutzen wir wie gesagt verschiedene Anbieter und Methoden. Wir investieren besonders gerne in Neuemissionen ausgewählter Green und Social Bonds, da wir hier ganz besonders nachhaltige und wirkungsvolle Projekte mit „frischem Geld“ finanzieren können. Auch aktives Engagement kann einen Impact bewirken, da wir dazu beitragen, in einem konstruktiven Dialog mit dem Management der Unternehmen Schwächen zu reduzieren und positive Wirkungen zu verstärken. Wir sind überzeugt, dass sich die Mühe lohnt, um zur Lösung von ökologischen und sozialen Problemen beizutragen und gehen dafür gerne die Extra-Meile.

Können dies auch Unternehmen sein, die zur Zeit nachhaltigen Kriterien noch nicht entsprechen, aber genau dies ändern wollen? Oder anders gefragt, investieren Sie auch in Unternehmen, die sich gerade erst auf den richtigen Weg begeben?

Wir investieren insbesondere in Unternehmen, die zur Transformation hin zu einer nachhaltigen, klimaneutralen Wirtschaft beitragen. Wir halten aber konsequent an unseren vielfältigen strengen Filterkriterien fest und müssen von der künftigen Transition der Unternehmen überzeugt sein.

Wie nah sind Sie generell an den Unternehmen dran? Aktionäre haben auch die Möglichkeit, über Stimmrechte Einfluss auf Unternehmen auszuüben. Nutzen Sie diese Möglichkeit aktiv?

Eine gute Kenntnis des Unternehmens ist notwendig, um ein effektives Engagement zu betreiben. Wir können uns als Investor immer engagieren, auch wenn wir Unternehmensanleihen halten. Bei Aktienpositionen können wir außerdem Stimmrechte nutzen. Das ist uns sehr wichtig. So haben wir in 2022 bereits bei 22 Unternehmen abgestimmt. Darüber berichten wir transparent auf unserer Webseite.

Neben den nachhaltigen Kriterien bei der Anlage berücksichtigen Sie sicherlich auch ökonomische Kriterien. Denn am Ende muss für den Anleger ein sinnvolles Investment herauskommen. Wie gehen Sie dabei vor?

Wir beginnen mit einer gründlichen Risikoanalyse. Dazu nutzen wir auch intern entwickelte Kredit-Ratingmodelle, um Bonitätsprognosen zu erstellen. Diese wenden wir auch auf Aktien an. Anschließend bewerten wir die Chancen und Wettbewerbsposition. Dabei gehen auch qualitative Faktoren wie Innovationskraft und Managementqualität ein. Bevor wir investieren, prüfen wir die Attraktivität der Aktien oder Anleihen. Diese sollten trotz unserer positiven Einschätzung im Peer-Group Vergleich nicht zu teuer sein, um noch Performance-Potential zu bieten.

Wie ist generell die Aufteilung von Aktien zu Anleihen? Auf welches Chance-/ Risiko-Profil muss sich ein Anleger einstellen, der in Ihren Fonds investiert?

Der SDG Evolution Flexibel ist ein defensiver Mischfonds, der zu mindestens 50 Prozent in Anleihen investiert. Dabei sichern wir einen großen Teil des Zinsänderungsrisikos ab, um Vermögensschäden durch steigende Renditen zu reduzieren. Etwa 40 Prozent des Fondsvermögens ist in nachhaltige Aktien investiert. Zusätzlich nutzen wir Aktien Put Optionen, die aus dem Geld sind, um das Aktienmarktrisiko zu managen.

In diesem Jahr haben Sie es entgegen der allgemeinen Marktentwicklung geschafft, eine positive Rendite zu erzielen. Was hat zu dieser Entwicklung beigetragen?

Drei Gründe haben dazu geführt. Wir haben unsere Aktienpositionen in dem Bereich erneuerbare Energien erhöht. Wir sind optimistisch, dass erneuerbare Energien endlich stärker ausgebaut werden. Nicht nur, um das Klima zu schützen, sondern auch um geopolitische Risiken und Abhängigkeiten zu reduzieren. Bundesfinanzminister Christian Lindner spricht heute von „Freiheitsenergien“. Darüber hinaus hatten wir aus Nachhaltigkeitsgründen nicht in Russland investiert. Und dann hat unsere taktische Risiko-Absicherung mit Put-Optionen auf den DAX gewirkt. Diese haben wir nach Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine schrittweise mit hohem Gewinn reduziert.

Zum Abschluss eine kontroverse Frage: Unternehmen für Atomstrom sind bei allen Nachhaltigkeitsfonds, die wir kennen, konsequent ausgeschlossen. Doch in manchen Ländern – auch innerhalb der EU – wird Atomstrom eher als Teil der Lösung, denn als Teil des Problems angesehen. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

Wir schließen Investments in Atomstrom konsequent aus, da es das „Do No Significant Harm“ Prinzip verletzen würde. Die Endlagerung des Atommülls ist immer noch ungelöst und leider kommt es gelegentlich zu Unfällen mit gravierenden negativen Auswirkungen. Bau- und Betriebskosten von Atomkraftwerken sind so hoch, sodass sie aus unserer Sicht auch ökonomisch im Vergleich zu erneuerbaren Energien langfristig wenig wettbewerbsfähig sind. Wie oben aber schon erwähnt. Unsere Investment-Philosophie basiert nicht allein auf Ausschlüssen. Unser Schwerpunkt liegt darin, besonders wirkungsvolle Unternehmen durch die Bereitstellung von Kapital zu unterstützen. Denn wir glauben, dass diese Unternehmen durch ihr nachhaltiges Geschäftsmodell im Durchschnitt erfolgreicher und profitabler sind, was zu einer finanziellen Outperformance führen kann.

Herr Klein, wir danken für das Interview!

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Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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