Covenants Lite oder die Luft wird dünn bei Hochzinsanleihen. Sinkende Risikoaufschläge bringen Anlegern Nachteile – auch in Gestalt eines schlechter werdenden Gläubigerschutz. Wir wollten aus der Praxis von Portfoliomanagern lernen und haben bei DCP Client Partner, Kepler-Fonds KAG und XAIA Investment zum Thema Covenants nachgefragt.
Die Nachfrage nach Hochzinsanleihen ist hoch und wird voraussichtlich weiter steigen. Die gestrige Zinssenkung der US-Notenbank, die die Leitzinsen auf eine Spanne von 4,0 bis 4,25 Prozent senkte, dürfte die globale Renditejagd weiter befeuern. In den USA betrug der Spread von Investment-Grade-Anleihen (IG) Anfang September rund 100 Basispunkte, während der ICE BofA US High Yield Index Option-Adjusted Spread für High-Yield-Anleihen bei etwa 280 Basispunkten notierte. In Europa liegen die IG-Spreads meist unter 100 Basispunkten; etwas höher sind dagegen die Renditeaufschläge bei Euro-High-Yields – etwa 320 bis 350 Basispunkte.
Die Renditeunterschiede zu sicheren Staatsanleihen sind damit noch kleiner geworden. Anleger werden angesichts der sich abzeichnenden lockeren Geldpolitik in den USA renditehungriger. Wie bereits ab 2014 dürften sie sich weiter ins Risiko stürzen – und dabei einen immer schwächer werdenden Gläubigerschutz, „covenant-lite“-Strukturen, bereitwillig in Kauf nehmen. Hauptsache, es locken ein paar Basispunkte mehr Rendite. Nachdem wir im ersten Teil unserer Serie die systematische Verschlechterung des Gläubigerschutzes gezeigt haben, wollten wir mehr über die Erfahrungen der Fondsmanager mit dem Thema Covenants wissen. Wir haben nachgefragt bei Philipp Graxenberger und Josef Pschorn, Portfoliomanager bei XAIA Investment, Sascha Peier, Head of Fixed Income and Senior Portfolio Manager bei der Schweizer DCP, und bei Gernot Hauzenberger von der Kepler-Fonds KAG.
Wie stark werden Covenants aktuell verwässert?
„In den vergangenen Jahren hat die Qualität vieler Vertragswerke deutlich abgenommen. Covenant-lite-Strukturen sind inzwischen Standard – auch in Europa“, konstatieren Philipp Graxenberger und Josef Pschorn von XAIA Investment. Der Fall Saks Global, der 2024 mit sportlicher Dreistigkeit einen Gutteil der Altinvestoren im Rahmen einer Liability Management Exercise (LME) ausbootete und sämtliche bisherigen Schutzmechanismen per Mehrheitsentscheid aus den Verträgen kegelte, ist zum Paradebeispiel geworden. Was hinter „Covenant lite“ steht, beschreiben die XAIA-Experten so: „Sie erlauben es Emittenten, mit relativ geringen Zustimmungshürden Vermögenswerte zu verschieben, neue vorrangige Schulden aufzunehmen oder Rangfolgen zu verändern. In Kombination mit flexibler Rechtswahl, etwa New York Law, können so selbst ohne formales Insolvenzverfahren Gläubigerpositionen spürbar geschwächt werden.“
Auch Gernot Hauzenberger von Kepler-Fonds sieht die Gefahr: „Wenn man sich als Bestandsinvestor nicht aktiv an der Umschuldung beteiligt und neues Kapital für die Anleihen nachschießt, steigt man dann oft deutlich schlechter aus.“ Im Grunde hat sich die Definitionsmacht in Restrukturierungen verschoben, neue Investoren dominieren – und Altgläubiger bleiben häufig auf der Strecke. Sascha Peier von DCP gibt zumindest bei qualitativ hochwertigen Hybridanleihen Entwarnung: „Es gibt aktuell keine Verwässerung der Covenants bei Hybridanleihen. Aufgrund der wandelnden Regulierung, von Basel 2 zu Basel 4 bzw. Solvency I zu Solvency II, findet dort eher eine Verschärfung statt.“ Er verortet das Problem „allenfalls punktuell“ bei Hochzinsanleihen.
„In den vergangenen Jahren hat die Qualität vieler Vertragswerke deutlich abgenommen. Covenant-lite-Strukturen sind inzwischen Standard – auch in Europa“
Philipp Graxenberger und Josef Pschorn, Portfoliomanagement, XAIA Investment
Bringt schwacher Gläubigerschutz Rendite?
Die Marktrealität zwingt zu Quantifizierungen – wie lassen sich die Vorteile aus dem „Creditor on Creditor violence“ beziffern? Laut Graxenberger und Pschorn können die Folgen der Ungleichbehandlung immens sein: „Bei gleicher Ausfallwahrscheinlichkeit kann ein Investor mit strukturellem Vorteil beispielsweise 90 Prozent zurückerhalten, während ein schlechter gestellter Investor nur 30 Prozent bekommt.“ Das könne in der Theorie einen Unterschied von rund 300 Basispunkten im notwendigen Risikoaufschlag bedeuten. Die Praxis zeigt, dass vor allem unter dem Druck knapper Spreads und fallender Leitzinsen Risikoprämien für schwache Covenants spürbar sind – aber längst nicht immer so hoch ausfallen, wie die Gläubiger es gerne hätten. Denn die Jagd nach Rendite begünstigt eine riskante Gleichgültigkeit bei institutionellen wie privaten Anlegern gleichermaßen.
Das Risiko von Covenant Lite für Hochzinsanleihen
Die Kehrseite der Renditejagd manifestiert sich in konkreten Verlusten. Hauzenberger erinnert an Atos SE: „Gläubiger, die sich verpflichteten, die neuen Anleihen zu zeichnen und neues Eigenkapital bereitzustellen, wurden mit einer deutlich höheren Recovery Rate belohnt – circa mit dem Faktor drei.“ Wer den Trend verpasst, landet schnell unter den Verlierern. Graxenberger ergänzt: „Es gibt viele aktuelle Beispiele am Markt, etwa Selecta, Serta Simmons oder Adler, bei denen formal gleichrangige Gläubiger durch bestimmte Strukturen faktisch nachrangig gestellt wurden. Diese Fälle zeigen, wie wichtig eine sorgfältige Analyse vor der Investition ist.“ Viele Anleger wurden durch den Fall Saks Global aufgescheucht. Er zeigte, wie altgediente Anleger in wenigen Monaten zwei Drittel ihres Einsatzes verlieren können, wenn sie an traditionellen Schutzmechanismen festhalten.
„Creditor on Creditor violence beschreibt die aktuellen Vorgänge zumindest teilweise gut, wenn sich gewisse Gläubigergruppen vorab zusammenschließen, um für sich einen Vorteil oder eine bessere Besicherung zu verhandeln.“
Gernot Hauzenberger, Portfoliomanager, Kepler-Fonds KAG
Frühwarnsignale für Covenant-Schäden?
Und wie schützen die Profis das Sondervermögen der Anleger? „Wir prüfen pro Anleihe bis zu 200 Datenpunkte, darunter Rangfolge, Trigger-Events, Kouponaussetzungsrechte und deren Kumulierbarkeit, Dividend Stoppers/Pushers, Rückzahlungsrechte sowie, sofern vorhanden, Financial Covenants“, so Sascha Peier von DCP Client Partner. Doch selbst detaillierte Prüfungen schützen nicht vor schnellen Ad-hoc-Änderungen: „Heute ist nahezu jede Anleihe so gestaltet, dass es Möglichkeiten gibt, einzelne Gläubiger schlechter zu stellen“, stellen Graxenberger und Pschorn von XAIA fest. Hauzenberger weiß: „Creditor on Creditor violence“ beschreibt die aktuellen Vorgänge zumindest teilweise gut, wenn sich gewisse Gläubigergruppen vorab zusammenschließen, um für sich einen Vorteil oder eine bessere Besicherung zu verhandeln.“
Das Problem für Fondsmanager ist, dass solche Absprachen im Stillen ablaufen und sie im schlimmsten Fall erst dann Kenntnis davon bekommen, wenn sie morgens im Büro ihren Bloomberg hochfahren und die neue Realität einer Anleihe erst auf dem Schirm erfahren, berichtet uns ein betroffener Fondsmanager, der seinen Namen an dieser Stelle nicht lesen möchte.
Wie verhalten sich Fondsmanager?
In den neuen Machtkonstellationen müssen Manager schneller und wacher agieren – und sich gut mit möglichst vielen Marktteilnehmern vernetzen. „Passives Abwarten ist in solchen Situationen selten zielführend. Entscheidend ist ein aktiver Dialog und möglichst frühe Beteiligung am Prozess, um die eigenen Rechte zu wahren“, sagen Graxenberger und Pschorn. Peier sieht es pragmatisch: „Wir würden in Restrukturierungsfällen früh das Gespräch mit allen Stakeholdern suchen. Wenn das Ergebnis entgegen unserer Interessen verlaufen würde, würden wir rasch den Exit suchen.“ Hauzenberger warnt, dass viele kleinere Anleger und Asset Manager schon an administrativen und juristischen Hürden scheitern – und so in einer zunehmend rauen Welt oft das Nachsehen hätten.
Am Ende bleibt die Unsicherheit – und zugleich die Notwendigkeit, in Zeiten sinkender Renditen Risiken einzugehen. Doch man sollte die Kirche im Dorf lassen: So unangenehm die Folgen von Covenant lite sein können, sie sind nur ein Teil der Arbeit von Fondsmanagern. „Es wird schwer bleiben, einen Trend allein bei den Covenants abzulesen, da es gerade bei Verschuldungs- oder Finanzkennzahlen je nach Sektor und auch Unternehmen stark unterschiedliche Kennzahlen und auch Grenzwerte gibt, die sinnvoll sind“, sagt Hauzenberger von der Kepler-Fonds KAG. Sollten Covenants zu lasch ausgestaltet sein, sei das kein Ausschlusskriterium, „aber natürlich wollen wir dann für diesen Bond etwas mehr Risikoaufschlag“, so der Kepler-Fondsmanager. Ähnlich handhabt das XAIA: „Wir arbeiten nicht mit starren Ausschlusskriterien. Stattdessen ist die Bewertung der Schutzmechanismen fester Bestandteil unserer Analyse – und fließt direkt in die Risikoeinschätzung und die geforderte Rendite ein.“
Am Ende ist also die Bewertung des Gesamtpakets entscheidend für den Kauf einer Anleihe – „Covenants sind natürlich ein Teil, aber eben nicht alles“, bringt es Kepler-Fondsmanager Hauzenberger auf den Punkt.
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Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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