Finanztip offene Immobilienfonds

Finanztip ruft zum Run auf offene Immobilienfonds auf

Das beliebte Anlegerportal Finanztip rät zum Verkauf offener Immobilienfonds und provoziert so womöglich einen Run auf diese Fonds. Die Begründungen für die pauschale Verkaufsempfehlung sind nicht nachvollziehbar. 

Offene Immobilienfonds sind seit 2013 perfekte Opfer. Sie sind für viele Anleger, Analysten und Berater ein Ärgernis. Viele Anleger haben noch die Erinnerung präsent, dass offene Immobilienfonds gleich zweimal in den letzten 20 Jahren umgekippt sind. Sie gerieten infolge von Mittelabflüssen unverantwortlich handelnder Banker und panischer Anleger gleich zweimal in Liquiditätskrisen.

Viele Fondsanalysten finden diese Fonds wiederum sperrig, weil sie sich nicht auf liquiden und damit vertrauten Bond- und Aktienmärkten tummeln, sondern in Beton, Stahl und viel gebundenes und ungebundenes Cash investieren. Morningstar hat etwa vor geraumer Zeit entschlossen, keine Sterne-Ratings an offene Immobilienfonds zu vergeben, weil die Rendite-Risiko-Kennzahlen nicht die wahren Risiken dieser Asset-Klasse widerspiegeln. Berater wiederum haben in den Nullerjahren offene Immobilienfonds als sichere Anlagen empfohlen, was ihnen so mancher geprellter Anleger heute noch übel nimmt.

Finanztip ruft zum Run auf offene Immobilienfonds auf

Dennoch hat mich das Timing und auch die inhaltliche Kritik von Finanztip heute überrascht. Das Verbraucherportal mit einer sehr weiten Reichweite rief pauschal zum Verkauf offener Immobilienfonds auf. Und zwar nicht nur ihre Leser. Vielmehr wurden diese aufgefordert, die Verkaufsempfehlung gleich an „Immo-Fans“ im eigenen Umfeld weiterzuleiten. Nun zählt sich dieser Autor nicht zu den Fans offener Immobilienfonds, aber das Ausmaß der Kritik und auch die Begründungen fordern zum Widerspruch auf. Eine kleine Replik – in der Reihenfolge der Finanztip-Mängelliste.

„Hohe Kosten bei mäßiger Rendite“

Die gängigste Pauschalkritik, die oft bei Fonds geäußert wird, zieht hier nur halb. Der Finanztip-Autor macht bei den Kosten Ausgabeaufschläge von „oft fünf Prozent“ und jährliche Kosten von „2 Prozent oder mehr“ geltend. Die Ausgabeaufschläge sind in der Realität verhandelbar, wie bei Aktienfonds, so auch bei offenen Immobilienfonds. Geschenkt, bei Finanztip kennt man nur ETFs, wobei im ETF-Handel Spreads als Eintrittsgebühr anfallen. Kosten von „zwei Prozent und mehr“ klingen nicht nur abwegig, sind es zudem auch. Ich finde nur bei einem einzigen der rund 40 deutschen offenen Immobilienfonds im Vertrieb eine derart hohe laufende Gebühr. Die großen Fonds der Branche kommen eher auf Gebühren von etwas unter einem Prozent pro Jahr.

Der zweite Teil des Arguments, wonach offene Immobilienfonds in den vergangenen zehn Jahren eine mäßige Rendite erzielten, ist nicht von der Hand zu weisen. Zwischen zwei und drei Prozent pro Jahr waren es oft. Die geringe Rendite ist allerdings auch eine Folge des Niedrigzinsumfelds. Offene Immobilienfonds müssen Cash-Puffer vorhalten. Das betrifft nicht nur die Mindestliquidität, sondern auch die gebundene Liquidtität, die bis zu 30 Prozent des Fondsvermögens ausmachen kann. Dass Finanztip als Alternative Geldmarkt-ETFs anführt, mutet, nun ja, angesichts einer Minus-Performance in den vergangenen zehn Jahren ein wenig skurril an. Nach vorne blickend werden offene Immobilienfonds gerade von den Cash-Positionen profitieren, was Finanztip ebenfalls ignoriert und stattdessen Festgeld oder Tagesgeld von Banken empfiehlt, die allerdings oft sehr verzögert die üppigen Konditionen am Geldmarkt an Kunden weitergeben.

Apropos üppige Konditionen: Bei der Besteuerung sind offene Immobilienfonds gegenüber Aktien-, Mischfonds und Rentenfonds im Vorteil. Erstere weisen einen steuerfreien Anteil von 30 Prozent, Mischfonds von 15 Prozent und Rentenfonds von null Prozent auf. Bei offenen Immobilienfonds mit Anlageschwerpunkt Deutschland sind es 60 Prozent und bei Fonds mit Fokus auf ausländische Objekte sogar 80 Prozent.  

Apropos Eigenschaften offener Immobilienfonds. Sie sind nur niedrig mit Aktien und Anleihen korreliert und können daher die Risiken von Aktien und Anleihen im Portfolio auffangen – und angesichts der üppigen Zinsen tun sie das künftig nicht zwingend auf Kosten der Rendite.

„Zinsen rauf, Häuserwerte runter?“

Auch mit diesem Pauschal-Einwurf ist Finanztip nur  vermeintlich auf der richtigen Spur, er ist jedoch bestensfalls  kontextfrei. Ja, die Zinsen sind hoch, was neue Projekte mitunter schwer zu finanzieren und Verkäufe schwierig macht. Allerdings sind offene Immobilienfonds keine Trader. Und die Mieten sind gerade bei offenen Immobilienfonds indexiert. Sie sind somit auch eine Absicherung gegen die Inflation. Zudem ist ein Merkmal offener Immobilienfonds, dass der Wert der Fonds von neutralen, öffentlich bestellten Gutachtern ermittelt wird und nicht an den Kapitalmärkten. Das führt zu einer deutlich reduzierten Volatilität bei der Anteilspreisermittlung. Insofern sind Anleger, die keine Wertschwankungen ertragen können, mutmaßlich weniger der Volatilität ausgesetzt, wenn sie in offenen Immobilienfonds investiert sind als die Anleger in Aktien- und Rentenfonds – letztere verloren 2022 mitunter mehr als 20 Prozent.

„Büros und Läden sind weniger gefragt“

Hier ist Finanztip mutmaßlich einem ganz heißen Ding auf der Spur. Fondsgesellschaften wie Deka und Union griffen auf „regelmäßig erstellte Gutachten zurück“. Der Börsenpreis mehrerer großer Fonds liege 10 Prozent unter dem Rücknahmepreis der Fondsgesellschaften. Das klingt nach Gefälligkeitsgutachten, die die Preise nach oben jazzen. Tatsächlich sind die Gutachter unabhängig und müssen regelmäßig rotieren. Dass der Nettoinventarwert offener Immobilienfonds nicht mit dem Börsenpreis übereinstimmt, ist zwei Mechanismen geschuldet: Wer an der Börse handelt, kauft und verkauft auf einem öffentlichen Marktplatz. Jeder Händler schlägt etwas auf seinen Verkaufspreis auf und zwackt etwas vom Verkaufspreis ab. Das nennt sich Händlermarge. Wichtig ist bei der Preisbildung an der Börse zudem der Umstand, dass die meisten Anleger qua Gesetz nur unter Beachtung einer 12-monatigen Kündigungsfrist offene Immobilienfonds verkaufen dürfen. Insofern reflektiert der tatsächlich üppige Börsenspread den Preis der Liquidität eines illiquiden Assets.

„Verwirrende Verkaufsregeln“

Es gibt eigentlich nur eine Regel und zwei Ausnahmen. Wer seine Fondsanteile nach dem 21. Juli 2013 gekauft hat, muss diese zwei Jahre halten und eine unwiderrufliche Kündigungsfrist von 12 Monaten beachten. Die Ausnahmen: Wer die Fondsanteile zwischen dem 1. Januar und dem 21. Juli 2013 gekauft hat, darf pro Kalenderhalbjahr 30.000 Euro ohne Beachtung von Kündigungsfristen aus den Fonds abziehen, muss die die Anteile aber mindestens zwei Jahre gehalten haben. Die 30.000-Euro-Grenze gilt auch für die Altanleger, die vor Ende 2012 gekauft haben, wobei diese keine Mindesthaltedauer beachten müssen.

Alternativ lassen sich die Anteile über Fondsbörsen verkaufen. Das ist eigentlich nicht wirklich kompliziert. Und für Langfristanleger sind zwei Jahre eher ein Klacks. 

Zum Schluss warnt der Finanztip-Autor vor Wertschwankungen und Kapitalverlust bei offenen Immobilienfonds. Die kann es tatsächlich geben, aber auch hier wäre Kontext hilfreich gewesen. Gerade offene Immobilienfonds schwanken im Vergleich zu liquiden Anlageklassen eher wenig. Im Falle eines Konjunktureinbruchs werden auch sie nicht verschont bleiben. Die Aussichten für Immobilien sind also ungewiss.  Allerdings dürften Aktien in einer Krise deutlich stärker schwanken.

Die gesetzliche Reform offener Immobilienfonds hat diese Produktgattung seit 2013 deutlich sicherer gemacht. Das schließt nicht aus, dass es für manche Anleger gute Gründe gibt, diese Fonds zu verkaufen, denn Nachteile haben sie. Aber ein Generalverdacht, der zudem schlecht begründet ist, schadet Anlegern mehr, als er nutzt. 

Anleger müssen sich gerade seit 2013 weniger Sorgen über Verluste und Instabilität offener Immobilienfonds machen. Es sei denn, dass jetzt hundertausende von Finanztip-Lesern und deren Freunde, Bekannte und Verwandte unwiderruflich ihre Fondsanteile kündigen. Das könnte zur Zeitbombe für offene Immobilienfonds werden, denn sie werden dann ihre Anteile in den nächsten 24 Monaten zwingend verkaufen müssen. Dann könnten offene Immobilienfonds genauso implodieren, wie es in den vergangenen 20 Jahren bereits zweimal passiert ist. Dann wäre die Verkaufsempfehlung von Finanztip eine sich selbst erfüllende Prophezeiung gewesen. 

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