Guy Wagner: „Gold trägt viel zur Absicherung der Aktienvolatilität bei“

Fondsmanager Guy Wagner kann man mit Fug und Recht als Urgestein bezeichnen – nicht wegen seines Alters, aber aus vielen anderen Gründen. Einmal ist er bereits seit 1986 als Analyst und Fondsmanager aktiv. Seine Karriere hat sich zudem in einem Haus abgespielt: der Banque de Luxembourg. Darüber hinaus verantwortet er den flexiblen Mischfonds BL Global Flexible EUR seit Auflage im April 2005. Der Mann hat also sehr viel gesehen. Ach ja, der bescheiden, bedacht und leise auftretende Investment-Profi ist auch noch Chief Investment Officer und Managing Director bei Banque de Luxembourg Investments. Wir sprachen mit ihm über die Märkte und wie ein Mischfonds-Manager die Herausforderungen der Aktien- und Anleihenmärkte des Jahres 2022 bewältigen kann.

Herr Wagner, der Vergleich zwischen Anleihen und Aktien fällt in diesem Jahr ernüchternd aus. Gemessen an klassischen Aktienindizes hat der vermeintliche Risikopuffer in Portfolios mehr verloren als die Risikoseite. Was ist los mit Bonds?

Ich will Ihre Frage so beantworten: Wir haben den BL Global Flexibel nach der Tech-Krise gebracht, weil wir nach den Erfahrungen zwischen 2000 und 2003 nicht mehr nur mit festen Risikoprofilen arbeiten wollten. Die haben bei Mischfonds ihre Berechtigung, aber ich wollte die Flexibilität haben, ein gemischtes Portfolio an das jeweilige Marktumfeld anzupassen. Es gibt Umstände, in denen bestimmte Anlageklassen schlicht nicht attraktiv sind, und ich wollte die Freiheit haben, unattraktive Anlageklassen soweit wie möglich zu reduzieren. Aktuell liegt die Anleihequote bei unter fünf Prozent.

Anleihen braucht also kein Mensch.

Moment. Ich hatte nach Beginn der Coronakrise 2020 US-Staatsanleihen bei einem Renditeniveau von unter einem Prozent vollständig verkauft. Jetzt sind die Renditen wieder stark gestiegen, und ich habe ein paar Positionen an 30-jährigen Treasuries aufgebaut. Nach und nach werden Anleihen im Verlauf der Korrektur attraktiver. Aber Sie machen mit Ihrer Bond-Kritik schon einen Punkt: Die sind noch nicht wirklich attraktiv. In den vergangenen Jahren haben Anleihen im Fonds keine große Rolle gespielt – das Gewicht schwankte zwischen null und 15 Prozent, und das wird sich nicht ändern, solange die Zinsen nicht deutlich weiter steigen.

Ist es eine Genugtuung für Sie, dass Anleihen, die Sie vermieden haben, jetzt stark korrigieren? Starre 50:50 Aktien-Renten-Portfolios wie die beliebten Pantoffel-Portfolios verlieren gerade kräftig.

Nein, keine Genugtuung, aber es natürlich sehr erfreulich, dass sich unser Fonds auch deshalb gut entwickelt hat. Anleihen waren lange Zeit nicht attraktiv. Jetzt, wo die Renditen wieder steigen, erhöhen wir ihren Anteil graduell.

Aber die Inflation ist sehr viel höher auch als die Renditen lang laufender Anleihen. Real ist da noch nicht viel zu holen.

Auch wenn alle über die galoppierende Inflation sprechen, wird sie nicht so hoch bleiben wie heute. Der Basiseffekt wird sich in den nächsten Monaten einstellen, und dann kommt die Inflation wieder zurück. Aber das ist schon richtig, die Zinsen werden nicht in dem Maße wie die Inflation steigen, weil die Schulden zu hoch sind und ein hohes Zinsniveau zu einer Krise führen würde. Aber mit steigenden Zinsen wird sich die Wirtschaft abschwächen, und dann werden auch die Renditen zurückkommen. Davon möchten wir profitieren. Aber das wird keine Riesensache sein – wie gesagt, ich sehe die Anleihequote im BL Global Flexible bei maximal 15 Prozent.

Was dann die Frage nach dem Sicherheitsbaustein stellt. Cash vielleicht?

In begrenztem Maße ja. Da sind wir aktuell bei einem Gewicht von neun Prozent. Aber für mich ist Gold heute ein besonders wichtiger Gegenpol – nicht nur zu Aktien, sondern auch zu Anleihen. Die Gold-Quote ist auf 15 Prozent begrenzt, und daher versuche ich, den Hebeleffekt über Minenaktien zu erhöhen. Das hat im ersten Quartal sehr gut geklappt. Es geht mir insgesamt um eine ordentliche Balance zwischen Angriff und Verteidigung, zwischen risk on und risk off. Gold trägt aktuell viel zur Absicherung der Aktienvolatilität bei.

Wenn wir jetzt einen Schritt zurücktun und festhalten, dass es bei Mischfonds um eine Balance zwischen Angriff und Verteidigung geht. Da sind Anleihen derzeit out, Gold klappt als Diversifikation dagegen gut. Wie nachhaltig ist dieser Switch von Anleihen zu Gold? Die Volatilität von Gold und Goldminen ist deutlich höher als bei Anleihen.

Ich bin kein Freund davon, die Eigenschaften von Anlageklassen zu verallgemeinern. Heute findet man in jeder Anlageklasse aggressive und defensive Bereiche. Wir setzen Risiko oft mit Volatilität gleich, und dann gelten Aktien als riskanter, weil ihre Kurse natürlich stärker als die von Anleihen fluktuieren. Wer das so sieht, ist heute ratlos, weil Anleihen mehr verlieren als Aktien. Ich sehe Risiko dagegen als die Gefahr eines dauerhaften Kaufkraftverlusts. Wer das so definiert, wird Aktien nicht risikoreicher als Anleihen sehen. Ich warne also davor, dass Anleger ihr Risikoverständnis an der Aktienquote ihres Portfolios festmachen. Früher war die Korrelation von Aktien und Anleihen negativ, und da waren Anleihen eine gute Absicherung gegen Aktienrisiken. Das ist vorbei, und daher kommt jetzt Gold stärker ins Spiel – nicht als Allheilmittel, aber doch als eine Absicherung gegenüber systemischen Risiken und auch als Inflationsschutz. Kann sich das ändern? Absolut: Wenn das Rezessionsrisiko wieder steigt, werden Anleihen wieder das bessere Risikotool sein. Es hilft aber auch, innerhalb der Aktienmärkte defensiv positioniert zu sein.

Heißt das, Sie setzen jetzt auf Value-Aktien?

Nein, Value-Aktien sind bei uns im Fonds prinzipiell nicht vertreten – jedenfalls nicht, wenn man Value so versteht, wie es der Markt definiert. Der Markt setzt günstige Value-Aktien gegen teure Growth-Aktien. Das ist, mit Verlaub, Blödsinn. Wir sind von Warren Buffett geprägt. Wir setzen auf qualitativ hochwertige Unternehmen. Wir kaufen sie, wenn sie unterhalb ihres fairen Werts notieren. In der Praxis machen wir einen Bogen um Bereiche wie Telekom, Banken, Versicherer, Rohstoffunternehmen, Auto- und Flugzeughersteller, da es in diesen Bereichen schwierig ist, Unternehmen mit nachhaltigen Wettbewerbsvorteilen zu finden. Bei uns im Fonds landen dagegen vor allem Unternehmen aus dem Konsumgütersektor – Basiskonsum wie Luxus, Industrie-, Technologie- und Gesundheitsaktien. Nach herkömmlicher Marktdefinition sind das eher Growth-Aktien, aber was sagt dieser Begriff schon aus?

Es fällt auf, dass Sie ein sehr viel geringeres Gewicht auf US-Aktien legen als das bei klassischen Mischfonds der Fall ist.

Ja, wir haben im Gegenzug die asiatischen Märkte mit gut einem Viertel gewichtet. Viele Multi-Asset-Anleger neigen dazu, Japan und Asien auszuschließen und stattdessen auf US-Technologiewerte zu setzen. Microsoft und Alphabet haben wir zwar auch, aber die sind nicht zu hoch gewichtet, weil die Bewertungen inzwischen hoch sind. Das gilt auch für viele Quality-Aktien aus Europa, etwa L‘ Oréal, Novo Nordisk oder LVMH. Stattdessen setzen wir auf Bond-Proxies, die sich durch stabile Dividenden auszeichnen und in den vergangenen Jahren nicht so gut gelaufen sind, etwa Nestlé, SAP, Kone und viele asiatische Titel wie zum Beispiel Alibaba. Die waren zuletzt günstig zu haben.

Sie investieren stark in Japan und setzen auch auf Aktien aus Hongkong, China, Taiwan, Singapur, Thailand und Südkorea und haben im Gegenzug die USA stark untergewichtet. Das ist schon weit weg von klassischen Benchmarks wie dem MSCI World …

Wir verfolgen einen Contrarian-Ansatz, und das nicht aus Spaß. Weil der Preis die Rendite bestimmt, sind die USA bei uns nicht so stark vertreten. Anders dagegen Japan und China, die in den vergangenen Jahren zurückgefallen sind. Jeder Fondsmanager wollte die FAANGs seinen Kunden zeigen, weil die sehr beliebt bei Anlegern sind. Aber irgendwann muss man auch die Bewertungen dieser FAANGs in Betracht ziehen. Auf der anderen Seite ist die Bewertung eines Unternehmens wie Alibaba stark gesunken.

Es sei denn, man sieht China als nicht mehr investierbar, unter anderem wegen der staatlichen Interventionen.

Ja, diese Entscheidung kann man treffen. Wir haben anders entschieden, und deshalb sind diese Unternehmen für uns attraktiv.

China und Russland werden in diesen Tagen aus geopolitischen Gründen, aber auch wegen eher fragwürdiger politischer Systeme in einen Topf geworfen. Auch deshalb könnte China nicht mehr investierbar sein?

Geopolitik spielt für uns keine Rolle. Wir waren nie in russischen Aktien investiert, aber das liegt nicht an der Politik, sondern daran, dass der russische Markt im Wesentlichen aus Ölwerten und Banken besteht, und in solche Unternehmen investieren wir nicht. Für uns spielt das politische Risiko insofern eine Rolle, dass wir eine höhere Risikoprämie erwarten. Ich bin zum Schluss gekommen, dass wir in China weiter dabei sein wollen. Ja, in China stehen nicht Shareholder-Interessen an erster Stelle. Das hat die KPC schon mehrfach gezeigt. Das muss man akzeptieren. Aber die Partei ist an einem dynamischen Privatsektor interessiert, weil sie sonst ihre Wachstumsziele nicht erreichen würde.

Die Privatwirtschaft in China ist, zu Ende gedacht, ein Instrument der KPC, was heißt, dass man als Aktionär immer damit rechnen muss, dass es zu Entscheidungen aus dem Politbüro kommen kann, was einem ganz und gar nicht schmeckt. Das nehmen Sie in Kauf?

Ja, jetzt ist es aber auch nicht so, als ob chinesische Aktien in unserem Fonds massiv vertreten wären, und wir investieren auch eher in Hongkong als auf dem Festland selbst. Stellvertretend für China steht für mich zum Beispiel auch ein Unternehmen wie der Milchproduzent China Feihe, bei dem es also nicht um Tech-Regulierung oder um den Handelskonflikt mit den USA geht. Die gestiegene Risikoaversion hat den Kurs der Aktie seit Anfang vergangenen Jahres um ungefähr 70 Prozent gedrückt. Die Bewertung ist sehr attraktiv, das Chinarisiko scheint im Kurs enthalten. Auch Japan ist ein sehr spannender Markt. Ich habe 1986 im Portfoliomanagement angefangen, 1990 platzte die Blase, und bis 1998 fiel der japanische Aktienindex um 70 Prozent. Seitdem wird Japan von den ausländischen Investoren eher als Trading-Markt angesehen. Dabei gibt es qualitativ sehr hochwertige Firmen, die sich gut für Buy and Hold-Ansätze eignen. Shimano, Nintendo, Sony, und einige Robotics-Unternehmen sind sehr attraktiv und oftmals weltweit führend in ihrem Bereich. Außerdem findet in Corporate Japan ein Umdenken statt. Früher war die Rentabilität der Unternehmen oftmals schlecht, und die Interessen der Anleger waren nicht so wichtig. Das hat sich geändert, wurde aber von ausländischen Investoren bisher nicht honoriert.

Kehren wir zum Abschluss auf das große Bild zurück, das nicht gut aussieht: Der Krieg in der Ukraine könnte noch sehr lange dauern, die Konjunktur könnte global die Grätsche machen, und es ist mitnichten klar, dass die FED und die EZB die Inflation in den Griff bekommen. Das Gespenst der Stagflation geht um. Was macht man mit diesem Ausblick als Absolute Return Manager. Bei aller Priorität der Unternehmens-Ebene: ist der Kapitalerhalt da realistisch?

Ich weiß tatsächlich nicht, ob mir das in jedem Jahr gelingen wird. Sicher scheint mir jedoch, dass der Kaufkrafterhalt eher mit Sachwerten wie Aktien, als mit Geldwerten wie Anleihen erreichbar ist. Ich stimme Ihnen jedoch zu, dass das allgemeine Bild derzeit nicht sonderlich gut aussieht. Das Makroumfeld für die Märkte hat sich verschlechtert, und die US-Notenbank scheint gewillt, ihren Leitzins notfalls stark zu erhöhen. Ich setze weiterhin auf die Qualität meiner Unternehmen und auf die Maxime, beim Investieren nicht zu teuer zu bezahlen. Derzeit liegt die Aktienquote des Fonds bei leicht über 70 Prozent, allerdings habe ich 20 Prozent des Aktienanteils über den Verkauf von Futures abgesichert. Ich könnte natürlich die Aktienquote weiter reduzieren, indem ich einzelne Aktien verkaufe, aber dafür gibt es für die Unternehmen, die ich im Fonds habe, keinen triftigen Grund. Außerdem würde ich dann Transaktionskosten produzieren. Und ich müsste irgendwann das Timing der Rückkehr in diese Unternehmen hinbekommen. Ich nehme daher lieber das Risiko temporärer Verluste in Kauf, wenn es mir dadurch gelingt, die Gelder meiner Investoren langfristig zu schützen. Die Anlagen in Gold und Anleihen sowie in Zufluchtswährungen, wie zum Beispiel dem Schweizer Franken, sollten dem Fonds zudem an schwachen Börsentagen helfen.

Die Fragen stellten Ali Masarwah und Michael Weisz

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Cashback nach zehn Jahren in Euro bei einer angenommenen Investition von 25.000 Euro und einer jährlichen Performance von 3,0 Prozent. Quelle: Envestor

 

 

 

Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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