In Zeiten sinkender Zinsen sind Hochzinsanleihen gefragt wie selten zuvor. Doch Vorsicht ist heute gefragt: Die Konditionen für Anleger wandeln sich, klassische Schutzmechanismen – Covenants – werden schwächer. Für Fondsmanager ist eine kritische Prüfung heute wichtiger denn je. Unser Update zu einem nur scheinbar nerdigen Thema.
Egal, ob es um Aktien oder um Anleihen geht: Bei der Prüfung der Attraktivität einer Anlageklasse gilt es, bei Adam und Eva anzufangen: In jedem Markt sind Angebot und Nachfrage entscheidend für das, was am Ende (vielleicht) herauskommt. Bei Hochzinsanleihen sieht das so aus: Was in Zeiten geringer Nachfrage und hoher Risikoprämien als unantastbarer Standard gilt, wird in Zeiten ausgeprägten Renditehungers der Investoren zu einer breiigen Beliebigkeitsmasse. Die Rede ist von Klauseln, die zum Schutz der Anleihen-Investoren in die Prospekte geschrieben werden. Der Fachbegriff lautet Covenants.
Covenants: 2022 Pflicht, 2025 verzichtbarer Luxus
Heute werden sie wieder – wie in Nullzinszeiten vor zehn Jahren – als Verhandlungssache betrachtet. Weil sich Anleger gerade ihre Portfolios mit Risiken vollladen, profitieren Unternehmen davon, gegen einen etwas höheren Kupon den Schutz der Gläubiger aufzuweichen.
Werden Anleihen mit schwächeren oder ganz fehlenden Schutzklauseln (Covenants) ausgegeben, verschafft das Unternehmen mehr Handlungsspielraum: Sie unterliegen weniger strengen Auflagen bei wichtigen Finanzkennzahlen, können auch bei schwankender Bilanz einfacher neue Schulden aufnehmen, Vermögenswerte verschieben oder umstrukturieren und müssen Gläubiger seltener um Zustimmung bitten. Zudem verringert sich das Risiko, dass ihnen Kredite vorzeitig gekündigt werden. Die größere Flexibilität, schneller und eigenständiger auf wirtschaftliche Herausforderungen zu reagieren, bedeutet auch, Restrukturierungen nach eigenen Vorstellungen zu gestalten – was die Kontrolle der Gläubiger schwächt, aber für Unternehmen gerade in unsicheren Zeiten ein großer Vorteil ist.
Trauriges Paradebeispiel: Der Fall Saks Global
Diese Konstellation zeigt aktuell der Fall von Saks Global. Er illustriert den Trend zu lockeren Covenants. Ende 2024 brachte Saks Global Enterprises eine Anleihe über 2,2 Milliarden Dollar mit einem hohen Kupon von 11 Prozent. Die Bedingungen waren allerdings sehr flexibel und gaben Saks unter anderem die Option, Vermögenswerte in Tochtergesellschaften zu verschieben und die ursprünglichen Investoren flexibel bei Zahlungen und Rangfolgen zu behandeln. Als sich die wirtschaftliche Lage bei Saks Global im Frühjahr 2025 verschlechterte, reagierte das Unternehmen mit einer aggressiven „Liability Management Exercise“ (LME).
Eine Mehrheitsgruppe von Anleihegläubigern (mit über 51 Prozent der ausstehenden Anleihe) schloss sich zusammen, um neues Kapital bereitzustellen und gleichzeitig die Bedingungen so zu ändern, dass sie als frische Geldgeber im Rang vorgezogen wurden. Mit ihrer Mehrheitsbeteiligung konnten sie Blockaden gegen Asset-Transfers und sämtliche bisher bestehenden Covenants aus dem Vertrag entfernen lassen. Diese Umschichtungen erfolgten im Rahmen eines strukturierten Umtauschangebots und einer Einwerbung von Zustimmungserklärungen (Consent Solicitations), sodass am Ende rund 92 Prozent des ursprünglichen Anleihevolumens in neue, unterschiedlich besicherte Tranchen umgewandelt wurden.
Für Altinvestoren ohne ausreichende Mitwirkung bedeutete das im Ergebnis erhebliche Verluste: Während neue und unterstützende Investoren Zugang zu besser abgesicherten Tranchen und/oder SPV-Notes erhielten, mussten viele Bestandsanleger – trotz weiterhin laufendem Kupon – von Verlusten von bis zu zwei Dritteln ihres Einsatzes ausgehen, da der Marktpreis der ursprünglichen Notes auf unter 50 Prozent des Nominalwerts gefallen war. Wer auf bestehenden Schutz vertraute, schaute in die Röhre.
Anlegerschutz auch in Europa kein Selbstläufer
Auch andere Beispiele verdeutlichen, dass Covenants kein Selbstläufer mehr sind. Travelport nutzte erfolgreich die sogenannte „J.Crew-Klausel“, um besonders wertvolle Vermögenswerte in eine Zweckgesellschaft auszulagern – legal, aber zum Nachteil der Bestandsanleger. Bei Envision Healthcare führten gezielte Uptiering-Transaktionen dazu, dass neue Investoren plötzlich gegenüber Altgläubigern bevorzugt waren. Besonders augenfällig ist das, wenn die Schutzmechanismen nicht greifen, weil sie im Zweifel schlicht ausgesetzt werden: So wie bei Wellis aus Ungarn, wo die ratingbasierten Covenants nach einer Verschlechterung der finanziellen Lage für mehr als ein Jahr auf Eis gelegt wurden.
Auch wenn die meisten Covenant-Probleme aus den USA gemeldet wurden, ist die Verschlechterung der Bedingungen für Anleger auch in Europa erkennbar. Hier bringen sogenannte Club-Deals zusätzliche Facetten ins Spiel. Unternehmen setzen dabei immer häufiger auf „Plug-and-Play“-Intercreditor-Agreements, mit denen frisches Geld von Investoren im Rang nach oben rückt. Altgläubiger werden dann – rechtlich sauber – in der Hierarchie degradiert.
Ungarische Growth-Bonds illustrieren ein anderes Risiko. Nach Rating-Downgrades oder Verstößen gegen Covenants mussten diverse Emittenten ihre Anleihen vorzeitig zurückzahlen oder in Eile umschulden. Häufig fehlte dabei sowohl die Transparenz über die aktuelle Unternehmenssituation als auch eine ausreichende Vorlaufzeit für angemessene Reaktionen.
Was Fondsmanager jetzt tun sollten
Mit der gestiegenen Flexibilität für Schuldner ist die aktive Analyse und laufende Überprüfung der Anleihekonditionen keine Kür mehr, sondern Pflicht. Juristische Schlupflöcher, Fresh-Money-Privilegien, Uptiering-Konstrukte und Super-Majority-Regeln sind keine Seltenheit, sondern prägen weite Teile des Markts. Fondsmanager sind in der Regel bei High Yields Buy-and-Hold-Anleger. Sie dürfen nicht nur auf nominale Renditen schauen, sondern auf das effektive Sicherheitsprofil von Anleiheinvestments.
Fondsanleger sollten nicht fatalistisch werden: Die Hochzinsmärkte bieten auch weiterhin attraktive Renditen. Bei einer Inflationsrate von zwei Prozent und einem sicheren Zins in gleicher Höhe bei gleichzeitig niedrigen Renditeaufschlägen bei Investment-Grade-Anleihen ist ein gewisses Exposure zu Hochzinsanleihen für Anleiheninvestoren fast schon Pflicht.
Die jüngsten Entwicklungen rund um Covenants und Gläubigerschutz fordern jedoch bei Fondsmanagern mehr Wachsamkeit. Ihnen obliegt es, Risiken zu kennen, frühzeitig auf Warnsignale zu achten und flexibel zu bleiben. Wir werden in den nächsten Wochen in unserem Blog ausgewählte Fondsmanager zu dem Thema befragen – wir bleiben für Sie dran!
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Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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