Hochzinsanleihen Ottmar Wolf

Hochzinsanleihen: „Viele Anleger verstehen die Risiken nicht“

Ottmar Wolf ist einer der erfolgreichsten Fondsmanager für Hochzinsanleihen in Deutschland. Ein Interview über die Frage, warum die allerbesten Zeiten für High Yield zwar schon vorbei sein könnten, aber die Renditen dennoch ordentlich sind – vor allem, weil viele Anleger die Risiken dieser mitunter wenig liquiden Asset-Klasse nicht verstehen.

Die Frankfurt Asset Management AG (FAM) dürfte den meisten Anlegern nicht bekannt sein, zählt aber unter Kennern der Vermögensverwalter-Branche zu einem der besten Häuser für Investments in Hochzins-Anleihen. Der Flaggschifffonds FAM Renten Spezial weist bei Rating-Agenturen Bestnoten auf und hat in den vergangenen Jahren zahlreiche Awards gewonnen. Wir trafen Fondsmanager Ottmar Wolf, der zugleich Gründer-Gesellschafter und Vorstandschef der FAM AG ist. Im Interview ging es um seine Sicht auf die Asset-Klasse High Yield, deren Risiken auch von Profis oft missverstanden werden – und warum Investoren einen ganz entscheidenden Punkt bei Hochzinsanleihen beachten müssen.

Ali Masarwah: Herr Wolf, der Fonds FAM Renten Spezial weist eine Portfolio-Rendite von neun Prozent auf. Neun Prozent entspricht der Performance eines nicht mal schlechten Aktienjahres. Das ist nicht das, was man sich unter einem Anleihenfonds vorstellt.

Ottmar Wolf: Der FAM Renten Spezial zählt zu den sportlichen Rentenfonds und hat seinen Schwerpunkt in Hochzinsanleihen. Wegen seiner Performance benchmarken ihn manche Kunden tatsächlich gegen Aktien. Das ist einerseits kein guter Vergleich, weil Anleihen ein ganz andere Risikostruktur haben als Aktien, und in guten Aktienjahren werden wir den DAX nicht schlagen. Aber über die Zeit ist unsere Performance tatsächlich aktienähnlich. Und wenn man das Ganze risikoadjustiert betrachtet, dann schlagen Hochzinsanleihen Aktien ohnehin klar. Insofern: ganz so falsch ist der Vergleich nicht.

Man muss schon gute Nerven mitbringen – seit Auflage hat der Fonds maximal 21 Prozent verloren, und gut ein Drittel des Fondsvermögens steckt in „B“-Papieren, das ist nicht viel besser als die Havarie-gefährdete Rating-Stufe „CCC“, in der übrigens auch rund 17 Prozent der Assets stecken.

„Havarie-gefährdet“ trifft die Eigenschaft von CCC-Papieren wirklich nicht. Genauso wenig, wie der Ausdruck „Junk Bonds“, was man auch als „Schrott-Anleihen“ übersetzen kann, der Asset-Klasse High Yields gerecht wird. Fangen wir mit „CCC“-Papieren an. Auf den ersten Blick sehen die Risiken immens aus. Während „BB“-Anleihen historisch gesehen eine Ausfallquote von 1-2 Prozent haben, fallen etwa 3 Prozent der „B“-Papiere aus; bei „CCC“-Ratings springen die Defaults auf bis zu 10 Prozent. Dahinter stecken auch Problemfälle, manchmal auch ganze Problemsektoren, heute etwa Immobiliengesellschaften. Da investieren wir nicht, einmal, weil wir nicht sicher sein können, dass hier nur zyklische Aspekte die wichtigsten Treiber der Krise sind. Außerdem ist die Analyse von Immobilien eine eigene Disziplin, mit der wir uns nicht wohlfühlen. Aber es finden sich auch viele kerngesunde Unternehmen, die CCC-Papiere emittieren.

Haben Sie dafür Beispiele?

Unser Parade-Beispiel ist TK Elevator, also die Aufzugssparte von Thyssen Krupp, die vor ein paar Jahren von zwei Private-Equity-Sponsoren für 18 Milliarden Euro übernommen wurde. Thyssen Krupp musste quasi das Tafelsilber verkaufen. Es handelt sich bei TK Elevator um ein sehr starkes Unternehmen, da es weltweit nur vier große Spieler in diesem Sektor gibt. Rund 70 Prozent der Erlöse kommen aus Service-Verträgen, sind also wiederkehrend. Der sogenannte „Burggraben“ ist hier also immens und dennoch hat die unbesicherte Anleihe von TK Elevator ein CCC-Rating. Dieses schlechte Rating liegt allein in der Bilanz begründet, die von hohen Schulden gekennzeichnet ist. Das wiederum ist völlig normal bei solchen „Leveraged Buyouts“, denn es gehört nun mal zum Handwerkszeug der Private-Equity Branche, dass ein guter Teil des Übernahmepreises mit Fremdkapital finanziert wird. Auch interessant sein können Papiere ohne Rating; diese werden von vielen Marktteilnehmern gemieden. Ein aktuelles Top-Holding der FAM ist hier die 5 ¾ Prozent Nachranganleihe der österreichischen Lenzing AG, die lange Zeit bei unter 90 Prozent handelte und vermutlich in einem Jahr zu 100 Prozent zurückgezahlt wird, zum sogenannten First-Call-Termin. Lenzing generiert zwar derzeit nur einen leicht positiven Free Cashflow, verfügt aber über zwei starke Ankeraktionäre und hat – das ist unser Lieblings-Event – im letzten Jahr bereits eine Kapitalerhöhung durchgeführt.

Sicher kein Lieblings-Event für Aktionäre.

Völlig richtig. Und damit haben wir den schönen Unterschied zwischen Fremd- und Eigenkapital herausgearbeitet. Aktionäre bzw. Gesellschafter werden mit Kapitalerhöhungen verwässert, während wir als Kreditgeber davon profitieren, weil die Bilanz gestärkt wird. Wer mehr Cash hat, wird mit einer höheren Wahrscheinlichkeit die Kupons bedienen und die Anleihen zurückzahlen. Wir haben beispielsweise im letzten Spätsommer auch die Zero-Kupon-Wandelanleihe von Osram in den hohen 70-ern mit einer zweistelligen Rendite gekauft. Kurze Zeit später kam eine sog. „Sanierungskapitalerhöhung“, die Aktionäre extrem hart getroffen hat. Aber jetzt hat die Firma genug Cash, und die Anleihen läuft nur noch ein halbes Jahr und sollten nach unserer Meinung locker zurückgeführt werden können.

 Das klingt jetzt nicht nach super-soliden Unternehmensstories.

Alles eine Frage der Perspektive. Wir sind keine Aktienfondsmanager, die nach der Aufwärtsphantasie suchen. Wir müssen „nur“ vermeiden, dass die Anleihe ausfällt. Bis das passiert, muss schon viel schiefgehen. Gerät ein Unternehmen in Schwierigkeiten, wird zunächst die Dividende gestrichen, wenn das nicht hilft, kommt eine Kapitalerhöhung, und geht das Unternehmen Pleite, werden die Gesellschafter ausgenullt, bevor es uns ans Leder geht.

Aber bei den sogenannten Nachranganleihen kann auch die Kuponzahlung ausgesetzt werden.

Richtig. Aber die muss dann in aller Regel nachgeholt werden und geht nicht verloren, ein weiterer Unterschied zu Dividenden.

Unternehmen mit schwachen Bilanzen sind für Sie kein Problem?

Nicht, wenn das operative Geschäft einen freien Cashflow abwirft und das Unternehmen eine wirtschaftliche Relevanz hat, also nicht vollkommen austauschbar ist. Wir haben noch nie erlebt, dass ein starkes Unternehmen mit positivem Cashflow in die Pleite gerutscht ist. Solche Unternehmen können sich immer refinanzieren, auch wenn die Bilanz noch so grottig ist. Mit unserem hauseigenen Credit-Scoring-Modell konnten wir die allermeisten Pleite-Fälle umschiffen. Im letzten Jahr hat es uns allerdings auch leider einmal erwischt, bei der Schuldenrestrukturierung von Diebold Nixdorf. Es gab hier einen sogenannten „Debt-to-Equity“ Swap, das heißt, die Gesellschafter wurden ausgenullt und die Kreditgeber wurden die neuen Aktionäre. Wir reden hier also keinesfalls von einem Totalverlust, sondern am Ende war es für uns eine Halbierung.

Warum finden sich dann nur so wenige Manager in Deutschland, die systematisch den Markt für niedrige Ratings erschließen?

Das hat einmal etwas mit der Größe des Markts zu tun. Der europäische Hochzinsmarkt ist gerade einmal rund 400 Milliarden Euro groß. Das „CCC“-Segment kommt auf ein Volumen von 30 Milliarden Euro. Für große Asset Manager lohnt sich der Aufwand nicht. Außerdem haben viele institutionelle Anleger Investments in CCC-Papiere grundsätzlich ausgeschlossen. Wegen der teuren Eigenkapitalunterlegung investieren vor allem regulierte Investoren wie etwa Versicherer nicht in dieses Segment. Es hat aber auch damit zu tun, dass viele Anleger die Risiken dieses Marktes falsch verstehen und ihn zu oft mit Aktienrisiken in Verbindung bringen.

Das Liquiditätsrisiko ist vermutlich mit das größte Risiko für High-Yield-Manager?

Ja, das Liquiditätsrisiko ist das eigentliche Risiko für die Manager offener High-Yield-Fonds. In der Corona-Krise mussten wir uns mit dem Thema beschäftigen. Die Märkte trockneten schlagartig aus, und hätten wir hohe Abflüsse gehabt, dann hätten wir den Fonds zugemacht. Es wäre ja nicht so gewesen, dass wir bei einem Kursrutsch von 100 auf, sagen wir, 70 den Verlust ohne Weiteres hätten realisieren können. Wenn nicht gehandelt wird, ist der offizielle Kurs nichts wert, es hätte also sein können, dass man da nur bei 50 rauskommt. Das hätten wir nicht gemacht, daher hatten wir mit unseren Kapitalverwaltungsgesellschaften abgesprochen, dass, wenn es hart auf hart kommt, wir den Fonds in einer Extremphase temporär schließen würden. Es ist nicht so weit gekommen, aber in Krisenzeiten ist der High-Yield-Markt illiquide wie die Hölle – meist aber nur für sehr kurze Zeiträume, denn die Gier der Marktteilnehmer führt zu einem Kaufinteresse. Seit Corona investieren wir stärker in Hybridanleihen großer Unternehmen, die oft ähnliche Renditen wie High Yields haben, aber deutlich liquider sind.

Dass der FAM Renten Spezial heute keine Anteilsscheine ausgibt, hat aber nichts mit einer Krise zu tun, sondern im Gegenteil, damit, dass Sie die Interessen Ihrer Anleger vorbildlich wahren, indem Sie kein neues Geld annehmen, um die Strategie nicht zu verwässern.

Man kann auf diesem engen Markt ab einem bestimmten Vermögen nicht mehr seine Fondsstrategie umsetzen. Bei High Yield kann man nicht mit einem Mausklick seine Wunschtitel kaufen. Das geht bei der Apple-Aktien problemlos, aber bei den Hochzinsanleihen liegen die Emissionsgrößen typischerweise bei 300 bis 800 Millionen Euro. Bei einem 100-Millionen-Fonds braucht man schon ein Gewicht von 1-2 Prozent pro Anleihe, um einen wahrnehmbaren Effekt im Portfolio zu erzielen. Außerdem kann es immer sein, dass man eine Position zügig verkaufen möchte. Das geht nicht, wenn man 10, 20 oder 30 Millionen in einer Anleihe hält. Anfang des Jahres sind wir beispielsweise beim spanischen Blutplasma-Konzern Grifols nach einer Hedgefonds-Attacke ausgestiegen, weil wir uns nicht sicher waren, wie weitreichend die Bilanzprobleme wirklich waren. Das ging recht schnell, weil unsere Position klein genug war.

Kommen wir zur aktuellen Marktlage. Nachdem der Markt 2022 gecrasht war und die Zinsen massiv gestiegen waren, herrschten im Nachhinein vor 12 bis 18 Monaten optimale Bedingungen: zweistellige Renditen und kein Anzeichen für eine Mega-Rezession. Wie sieht es heute aus?

Die beste Zeit für High Yields ist wahrscheinlich vorbei. Als High-Yield-Manager muss man heute länger nach dem Speck am Knochen suchen. Die Spreads sind reingelaufen, und weil Anleger wieder den Renditen hinterherjagen, fangen die Emittenten an, mit den Zinsen zu geizen. Wir haben aber immer noch gute Zeiten. Als der Zins negativ war, haben „BBB“-Ratings mit null rentiert, High Yields kamen auf 3 oder 4 Prozent. Heute entsprechen 350 Basispunkte über dem sicheren Zins einer Rendite von rund 6,5 Prozent. Das ist immer noch ordentlich. Im FAM Renten Spezial kommen wir auf einen Kupon von 6,6 Prozent und eine Rendite von 9 Prozent. Außerdem hat die aktuelle FOMO-Situation („Fear of missing out“, Anmerkung von envestor) auch etwas Gutes.

Das wäre?

Man hört immer wieder, dass 2026 die Schulden-Refinanzierung angeblich vielen Unternehmen den Garaus machen könnte, weil die Zinsen nicht schnell genug fallen. Es wird das Bild einer Maturity Wall verwendet, die Fälligkeit der Anleihen wird also mit einer Wand verglichen, gegen die Unternehmen krachen, weil sie sich zu den höheren Zinskosten nicht refinanzieren könnten. Dieses Argument kann man getrost abräumen. Viele Unternehmen nutzen in den letzten Monaten die hohe Nachfrage der Investoren und refinanzierten sich. FOMO hat also die Maturity Wall gekillt.

Herr Wolf, wir bedanken uns für das Interview.

Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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