Investment Tops und Flops 2021: Alles eine Frage der Perspektive

Ergebnisse einer Twitter-Umfrage zu den Investment Tops und Flops 2021. Was waren die besten und was die schlechtesten Erfahrungen von Investoren in dem zur Neige gehenden Jahr? Aus dem Feedback herausgekommen ist ein Kessel Buntes – und die Erkenntnis, dass es Investoren nicht nur um Renditeoptimierung um jeden Preis geht.

Twitter ist ein phantastisches Instrument für Feedback-Schleifen. Wenn ich aus einer Laune heraus eine Frage in die Twitter-Weiten aussende, werde ich häufig von den Antworten überrascht. Bisher immer positiv. Die Erkenntnis, wie phantastisch interaktiv dieses Medium ist, dämmerte mir im Frühjahr 2020. Ich kann mich erinnern, dass ich zu Beginn des Covid19-bedingten Lockdowns einen Hilferuf aussendete: Welche Filme könnt Ihr für die anstehenden, langen Abende mit der Familie empfehlen? Ich bekam derart viele Tipps, dass wir noch Monate von den Favoriten vieler hilfsbereiter Menschen zehren konnten (an dieser Stelle noch einmal: danke, Eure Tipps haben uns so manche Corona-Lockdown-Abende versüßt!).

Was liegt also näher, als die Frage nach den besten und schlechtesten Investment-Erfahrungen auch auf Twitter zu stellen? Der nachfolgende stark O-Ton geprägte Text basiert auf einer Umfrage vom 12. Dezember, zu der es viel öffentliches, aber auch persönliches Feedback mit der Bitte um Anonymität gab. Natürlich ist Envestor mit von der Partie: Michael Weisz und ich sind in uns gegangen und haben auch eine persönlich Bilanz als Investoren gezogen, die wir natürlich auch sind.

Die ganz große Linie: Langfristig dabei bleiben

Ganz im Gegensatz zur Schnelligkeit des Mediums Twitter gaben sich die meisten Investoren in meiner Filterblase als Langfristanleger zu erkennen, deren Motto lautet: Buy and Hold. „2021 war nicht anders als 2020: überwiegend stillhalten“, schreibt uns Stefanie K. „Die vermutlich beste Entscheidung 2021: Nichts tun“, lautet auch das Fazit von Michael aus München. Es ist auffällig, dass vor allem ETF-Anleger die Lektionen der Vergangenheit gelernt haben. Wer Aktien kaufte und liegen ließ, hat seit 2009 alles richtig gemacht. Die zwischenzeitliche Krise von 2011, der Rücksetzer 2018 und auch der Crash im Februar und März 2020 ließen sich durch Aussitzen am besten bewältigen. Es spricht nichts dagegen, das auch in der Zukunft so zu tun – wobei die Aussicht auf Zinserhöhungen im nächsten Jahr die Volatilität an den Aktienmärkten antreiben könnte.

Doch wir sind noch im Jahr 2021, und hier lautete das Motto der befragten Investoren: Kurs halten und außer Rebalancing wenig Aktionismus an den Tag legen – „et kütt wie et kütt“, lautet die lakonische Empfehlung von Investor_BI. Vielleicht sind ja am Ende fatalistische Rheinländer die besten Anleger?

Wobei: Wahrscheinlich trifft „Reversion to the mean“ es besser als Fatalismus. Entscheidend ist dabei, dass man am unteren Ende und nicht am oberen Ende der Übertreibungs-Spanne zuschlägt. „Übertreibungen werden abgebaut, der Markt spielt seine Themen“, schreibt uns Cello. Entsprechend kalt lässt ihn der 40-Prozent-Crash bei BioNTech seit August. Wer Ende 2020 einstieg. konnte noch immer seinen Einsatz auch Stand heute mehr als verdreifachen. Wer früh genug dabei ist, kann sich die Souveränität leisten, auch mal „Gewinne liegenzulassen“. Buy and Hold-Anleger schlafen besser als taktische Trader.

Antizyklisch zum Langfristerfolg

Antizyklisches Vorgehen in der Hoffnung auf einen Rückkehr zum langfristigen Trend kann aber auch schmerzhafte Ergebnisse und Resignation hervorrufen – eben, weil das Geschehen in den vergangenen Jahren sehr einseitig verlief: Growth-Aktien, auch solche, die absurd hoch bewertet sind (Stichworte: Tesla, Rivian), liefen und liefen und liefen. Wer klassischen Bewertungsmodellen nachhängt, kann sich schon mal entnervt abwenden. „Es war ein Fehler zu vermuten, dass bei einer Normalisierung der Märkte auch alte Börsenweisheiten wieder gelten würden“, so das Fazit eines genervten Aktienanlegers.

Doch antizyklisches Vorgehen an der Börse hat nicht nur für Aktien-, sondern auch für Fondsanleger unverändert seinen Charme – auch wenn das mitunter kurz- oder sogar mittelfristig schmerzhaft ausfallen kann. „Die besten Entscheidungen stellen sich ja manchmal erst in drei, fünf oder zehn Jahren als die besten heraus“, gibt Dorett Florett zu bedenken, die angibt, in diesem Jahr gleich mehrfach China-Fonds nachgekauft zu haben – in der Hoffnung auf mittelfristige Gewinne. Auch Michael Weisz, Gründer der Plattform Envestor, zählt Emerging Markets Investments zu den Flops des Jahres. „Nach starken Jahren 2019 und 2020 dümpeln meine Fonds um die Null-Prozent-Linie“, schildert mein Mitstreiter bei Envestor seine Frust-Erfahrung des Jahres. Doch er bleibt dabei: „Zehn Prozent eines global aufgestellten Aktiendepots in Emerging Markets zu investieren, ist sinnvoll“.

Michael Weisz outet sich gerne als Value-Investor. Er zählt damit zu einer Anleger-Spezies, deren Geduld in den vergangenen Jahren massiv auf die Probe gestellt wurde. Value hat sich seit 2009 überwiegend rar gemacht – es gab allenfalls immer mal wieder ein zeitlich begrenztes Aufflackern denn einen nachhaltigen Trend zu günstigen Aktien. Anfang des Jahres hat Michael allerdings alles richtig gemacht und beim M&G European Strategic Value Fund zugegriffen, den er zuvor für Envestor-Anleger in einem Blog-Beitrag portraitiert hatte. „Ich bin froh, die Value-Karte gespielt zu haben, in einer Zeit als kein Mensch mehr an Value glaubte“, so der Geschäftsführer von Envestor.

Das Plus von 23 Prozent in diesem Jahr ist natürlich an sich schon eine prima Sache für einen Anleger in europäische Value-Aktien. Hinzu kommt zusätzlich noch der Diversifikations-Nutzen: „Europäische Value-Investments haben die Performance meines Portfolios im Jahresverlauf geglättet. In einem Marktumfeld, in dem die Börsen von nur einer Handvoll von US-Wachstumsunternehmen getrieben waren, ist Europa-Value die ideale Ergänzung zu Amazon, Apple und Co., in die jeder Anleger mit einem global aufgestellten Portfolio praktisch zwangsläufig und reichlich investiert ist“, so Michael Weisz weiter.

Investments wider besseres Wissen

Eher schlechte Erfahrungen haben Anleger dagegen mit Hype-Themen gemacht. „Trotz Fundamentalanalyse in Peloton einzusteigen, war ein Fehler“, räumt eine Investorin aus Hamburg ein, die ihren Namen hier nicht lesen möchte. „Es ist und bleibt ein Heimtrainer mit angebautem Tablet, der hochpreisig mit Abomodell daherkommt“, so die enttäuschte Investorin. Sie sei auf „viel Campaigning, Branding mit Celebs“ angesprungen. „Meine Erfahrung kommt in die Rubrik: nicht emotional mitreißen lassen und weiterhin kritisch hinterfragen“.

Meine schlechteste Erfahrung in diesem Jahr: Im Juni bin ich probeweise mit einer niedrigen vierstelligen Summe in ein Bitcoin-Zertifikat eingestiegen. Es war am ehesten Neugier, die mich angetrieben hat. Wie fühlt es sich an, ein Finanzinstrument zu halten, das eine Volatilität von 80 Prozent und mehr pro Jahr hat? Ich merkte recht schnell: Es fühlt sich absolut nicht gut an! Das Interessante ist die Begründung: Wenn der Kurs eines Investments einbricht, wägt man das Pro und Contra ab. Als absolut nicht überzeugter Krypto-Investor fehlten mir schon nach einem ersten Preisrutsch von 40.000 Dollar auf 35.000 Dollar jenseits der Neugier die Pro-Argumente. Ich habe dann mit einem relativ niedrigen Verlust von gut zehn Prozent verkauft. Mein persönliches Fazit: Selbst taktische Trades sind nicht zu empfehlen, wenn man nicht vom intrinsischen Wert des Investments überzeugt ist.

Interessanterweise stellt es sich ganz anders dar, wenn man von einem Investment überzeugt ist. Hier kommen wir zu meinem favorisierten Investment in diesem Jahr. Seit Anfang November habe ich wiederholt kleinere Positionen in BioNTech aufgebaut. Die Volatilität ist sogar noch höher als die von Bitcoin, und dennoch fühlt es sich gut an, in ein Unternehmen zu investieren, das unter Einsatz einer faszinierenden Technologie einen immensen gesellschaftlichen Nutzen stiftet. Wenn die Story stimmt, ist man als Anleger bereit, Schmerzen zu erdulden. Dass ich gerade etwa fünf Prozent im Minus bin, ist mir deshalb egal, weil ich BioNTech als Aktionär länger begleiten möchte. (Ja, ich habe dieses Jahr Gewinne erzielt. Nach fünf Jahren und 100 Prozent plus habe ich den Threadneedle UK Smaller Companies Fund verkauft.)

Apropos Überzeugung: Beneidenswert sind Investoren, die ihre Investments in ihrem ganz persönlichen „häuslichen“ Kontext integrieren können. „Die beste Investment-Entscheidung in diesem Jahr war, ein etwa 10 kW Solarkraftwerk aufs Dach zu stellen – mitsamt Batterie“, so Axel. Er ist nicht der erste Häuslebauer, den ich kenne, der nicht nur selber einen Teil seines Stromverbrauchs selber deckt, sondern damit auch durch die Einspeisevergütung Geld verdient.

Cash is Drag but Cash is King

Viele Anleger halten bewusst Cash, auch wenn sie natürlich wissen, dass Cash absolut nichts abwirft. Wer so will, offenbart sich hier die Tragik des Privatanlegers. Große bzw. wohlhabende Investoren wie Warren Buffett horten zwar auch Cash, haben aber einen entscheidenden Vorteil: Haben sie erst einmal eine Opportunität entdeckt, können sie hebeln, was das Zeug hält (manchmal kommt auch der sprichwörtliche Arzt, siehe der Archegos, aber das ist eine andere Geschichte). Einige Anleger gaben bei der Umfrage zu erkennen, dass sie Cash-Quoten von bis zu 35 Prozent halten.

Doch da gibt es rationale und auch nachvollziehbare Gründe, Cash zu halten. Zum einen ist es höchst rational, als Anleger heute nicht in vermeintlich sichere Anleihen zu investieren. Da viele Renten-Indizes, die entweder als Underlying für ETFs oder Benchmark für aktive Manager fungieren, hoffnungslos lange Laufzeiten aufweisen, ist das Kursrisiko ziemlich hoch, gerade in Zeiten steigender Renditen. Viele Anleger verstehen, dass sie als Anleger in Rentenfonds und -ETFs eben nicht wie institutionelle Bond-Anleger, die Papiere bis zur Fälligkeit halten, sondern mit Fonds und ETFs Durationsrisiken auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind. Da ist Cash eine ziemlich gute Alternative, auch wenn man damit faktisch ein „Willing Loser“ ist.

Der nachvollziehbare Grund: Ich habe bereits oben angedeutet, dass der Wohlfühlfaktor auch beim Investieren wichtig ist. Wenn man nicht zu seinem Investment stehen kann, ist ein verfrühter bzw. abrupter Ausstieg wahrscheinlich. Cash steht für viele Anlegerinnen und Anleger als Instrument zur Glättung der Volatilität. Das kann so wichtig sein, dass Anleger sonst vermutlich nicht in der Lage wären, die Aktienvolatilität auszuhalten. Unsere Investorin aus Hamburg sieht eine zu niedrige Cash-Quote sogar als einen ihrer Anlagefehler in diesem Jahr: „Es war ein Fehler, das finanzielle Sicherheitspolster nicht weiter aufzustocken, ich würde mich deutlich wohler fühlen“, bedauert sie. Investieren kann so menschlich sein!

 

Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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