Das kasachische Fintech Kaspi hat seine Ergebnisse für das dritte Quartal vorgelegt. Das Bild ist durchwachsen: In Kasachstan läuft das Geschäft trotz einiger Einmaleffekte weiter rund, während in der Türkei höhere Investitionen und operative Verluste auf die Marge drücken. Der Markt hat das schwächere Jahr jedoch längst eingepreist – und reagierte positiv auf die Ankündigung des Aktienrückkaufs sowie den optimistischen Ausblick für 2026.
Quartalszahlen im Detail
Die Kaspi-Aktie hat im laufenden Jahr gut 22 Prozent auf Dollar-Basis verloren. Der asiatische Fintech-Star verzeichnet ein rabenschwarzes Jahr. Oder gibt es Licht am Horizont? Am 10. November hat Kaspi Zahlen vorgelegt. Der Konzernumsatz stieg im dritten Quartal um 20 Prozent auf 1,1 Billion Tenge (rund 2 Milliarden US-Dollar) und entsprach damit weitgehend den Markterwartungen. Beim Nettogewinn blieb Kaspi.kz mit 278 Milliarden Tenge rund fünf bis sechs Prozent unter dem Konsens von Visible Alpha und Goldman Sachs. Während das Heimatgeschäft in Kasachstan um etwa zwölf Prozent zulegte, fiel der Verlust in der Türkei mit 29 Milliarden Tenge etwa doppelt so hoch aus wie erwartet. Der Konzerngewinn lag damit dennoch über dem Vorjahr (248 Milliarden Tenge) und zeigt, dass das heimische Kerngeschäft trotz der temporären Schwäche im Handel und der Verluste in der Türkei weiter wächst.
Das Payment-Volumen legte um 18 Prozent auf 11,6 Billionen Tenge zu, das Fintech-Geschäft um 16 Prozent auf 3 Billionen Tenge. Der Online-Marktplatz wuchs beim GMV um zwölf Prozent; ohne die schwache Smartphone-Sparte hätte das Plus bei rund 20 Prozent gelegen. Der Grund für die Smartphone-Delle liegt in einem neuen Registrierungssystem für importierte Geräte, das Kasachstan eingeführt hat, um illegale Parallelimporte zu unterbinden. Diese Regulierung führte zu landesweiten Lieferengpässen, insbesondere bei der neuen iPhone-Generation. Viele Verbraucher verschoben ihre Käufe, bis die Modelle offiziell verfügbar sind. Laut Kaspi-Sprecher David Ferguson hat diese Knappheit das GMV-Wachstum um rund acht Prozentpunkte gebremst und die Gewinnmarge um etwa drei Prozentpunkte gedrückt.
Besonders stark entwickelten sich dagegen E-Grocery (+53 Prozent) und Advertising (+56 Prozent). Auch die Kundenaktivität bleibt beeindruckend: Durchschnittlich tätigten Nutzer 76 Transaktionen pro Monat.
In der Türkei steigerte Hepsiburada den Umsatz um 22 Prozent auf 20 Milliarden Lira und das GMV um 15 Prozent. Aufgrund hoher Ausgaben für Logistik, Marketing und „Buy Now Pay Later“ verschlechterte sich jedoch die Profitabilität deutlich: Das EBITDA sank um rund 74 Prozent. Ferguson sprach von einem „klaren Aufwärtstrend bei Bestellungen und Transaktionen“, wies aber darauf hin, dass sich die positiven Effekte erst 2026 stärker im Ergebnis niederschlagen werden.
Ausblick
Kaspi hat seine Prognose für das Gesamtjahr reduziert und rechnet nun mit einem Nettogewinnwachstum (ohne Türkei) von zehn bis zwölf Prozent – nach zuvor 15 Prozent. Damit liegt die neue Guidance unter dem Konsens von Goldman Sachs und Visible Alpha, die von rund 16 Prozent ausgegangen waren. Bereinigt um externe Faktoren wie Smartphone-Engpässe, Steueränderungen und die Zinserhöhung bleibt die unterliegende Ertragsdynamik laut Management jedoch nahezu unverändert bei 18 bis 20 Prozent.
Für 2026 erwartet Kaspi eine Normalisierung der Smartphone-Lieferketten und damit wieder steigende Wachstumsraten im Marktplatzgeschäft. Auch ein mögliches Absenken des Leitzinses könnte das Fintech-Segment entlasten. Zudem beginnt noch im November das Rückkaufprogramm über 100 Millionen US-Dollar. Ferguson erklärte dazu: „Wir wollen 2026 eine Balance zwischen Reinvestition, Dividenden und Buybacks erreichen.“
Positiv
Kaspi bleibt ein Paradebeispiel für Plattform-Skalierung in den Emerging Markets. Die Fintech- und Payment-Segmente wachsen zweistellig, und die Profitabilität profitiert von hoher Nutzeraktivität und Skaleneffekten. Besonders positiv ist die zunehmende Monetarisierung zusätzlicher Services: Das Werbegeschäft legte um mehr als 50 Prozent zu, die Take-Rate im Marktplatz erreichte mit 10,3 Prozent ein neues Allzeithoch.
Ein weiterer strategischer Fortschritt ist der Einsatz künstlicher Intelligenz. Mit dem Tool Kaspi AI können Händler Produktfotos und -beschreibungen automatisch erstellen – laut CEO Mikheil Lomtadze steigen dadurch die Verkaufszahlen einzelner Artikel um bis zu 80 Prozent. Ergänzend treibt das biometrische Bezahlsystem Kaspi Alaqan („Pay by Palm“) die Innovationsführerschaft im Zahlungsverkehr voran. „Unsere Kunden sollen mit Karte, QR oder Handfläche bezahlen können – so flexibel wie nirgends sonst in der Region“, erklärte der CEO.
Negativ
Kurzfristig bleibt die Smartphone-Schwäche das beherrschende Thema. Die daraus resultierenden Belastungen auf die Margen wirken ebenso wie höhere Refinanzierungskosten infolge des Leitzinses von 16,5 Prozent. Auch die neue Steuer auf Zinserträge aus Staatsanleihen sowie strengere Mindestreserveanforderungen mindern den Nettoertrag. In der Türkei erschweren hohe Marketing- und Lieferkosten den Weg zur Profitabilität.
Kaspi-Aktie 2026: Bewertung
Kaspi.kz bleibt ein außergewöhnlich stark positioniertes Fintech-Ökosystem, das in mehreren Wachstumsmärkten führend ist. Das Management steuert konsequent zwischen Expansion und Kapitaldisziplin und signalisiert mit dem neuen Buyback Selbstvertrauen.
Die Zahlen im dritten Quartal lagen zwar unter den Erwartungen, die Aktie legte dennoch um 3,3 Prozent auf 73,65 Dollar zu. Nach dem Kursrückgang von rund 25 Prozent seit Jahresbeginn waren die Probleme in der Türkei und im Smartphone-Geschäft längst eingepreist. Bewertungsseitig bleibt sie attraktiv: Das EV/Sales-Verhältnis liegt bei etwa 2,3, das EV/EBITDA bei 5 und das Forward-KGV bei rund 5,9 – deutlich unter den Multiples von MercadoLibre oder Sea Limited, die allerdings aktuell auch deutlich starker wachsen. Unsere Kollegen von Goldman Sachs bekräftigt das „Buy“-Rating und sieht mit einem Kursziel von 107 Dollar rund 50 Prozent Aufwärtspotenzial.
2025 dürfte ein Übergangsjahr bleiben, doch ab 2026 könnten mehrere Faktoren für Rückenwind sorgen: die Normalisierung des Smartphone-Markts, eine mögliche Zinssenkung und die zunehmende Monetarisierung der KI-gestützten Plattformdienste. Lomtadze brachte es im Call auf den Punkt: „Das Fundament steht – unser Fokus liegt auf Qualität, Engagement und Wachstum. Die Nachfrage ist intakt, und 2026 wird ein besseres Jahr.“ Schön wäre es, wenn es auch in der Türkei dann besser laufen würde.
Autor
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Steffen Gruschka ist CFO und Co-Geschäftsführer von Envestor. Er ist seit über 25 Jahren Fondsmanager für Emerging-Markets-Aktien, zunächst bei der DWS, heute bei Pyfore Capital, wo er als Berater für den Emerging Markets Digital Leaders verantwortlich zeichnet.
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