Es ist bald ein Jahr her, dass die Debatte um die Risiken von offenen Immobilienfonds angestoßen wurde. Seitdem hat einer der großen Fonds am Markt massive Abwertungen vornehmen müssen. Besonders prekär erscheint die Lage wegen der Beschleunigung der Mittelabflüsse aus den Fonds. Ein Statusbericht.
Vor knapp einem Jahr wurden Anleger in offenen Immobilienfonds von einer ziemlich nerdigen Diskussion erfasst. Spiegeln die Fondspreise von offenen Immobilienfonds den aktuellen Marktwert der Immobilien in den Portfolios wider? Die Debatte angestoßen hatte das Anlegerportal Finanztip mit einer pauschalen Verkaufsempfehlung für offene Immobilienfonds. Die Empfehlung war in der Sache fragwürdig und wurde von Experten fachlich verrissen. Dennoch hatte Finanztip zwei wichtige Aspekte bei angesprochen: die Frage nach der Werthaltigkeit von Immobilien in den Portfolios angesichts des Zinsanstiegs seit 2022. Die andere Frage betraf die Renditeaussichten dieser Vehikel.
Seitdem hängt ein Damoklesschwert über offenen Immobilienfonds. Die Nervosität der Anleger ist mutmaßlich groß. Wie groß, ist unklar, denn es gibt keine Transparenz über die perspektivische Liquiditätslage der Fonds. Offene Immobilienfonds dürfen nur mit einer zwölfmonatigen Kündigungsfrist bei einer Haltedauer von mindestens zwei Jahren verkauft werden. Es besteht weder Transparenz darüber, wie viele Fondsanteile laufend gekündigt werden, noch darüber, wie lange die Fondsanteile in den Anlegerdepots liegen. Außer den Verantwortlichen in den Fondsgesellschaften weiß niemand, wie hoch die Rückgabeanträge seit dem Herbst und Winter 2023/2024 sind. Schiebt sich eine Welle der Anteilsscheinrückgaben in den nächsten Wochen und Monaten auf offene Immobilienfonds zu? Das gesetzlich vorgeschriebene Cash-Polster von fünf Prozent dürfte schnell aufgebraucht sein. Anbieter können dann noch auf die Option zurückgreifen, (ziemlich teures) Fremdkapital aufzunehmen, um die Rückgaben zu bedienen.
Geht die Sache schief und übersteigen die Rückgaben das Cash-Polster, wird es zu Fondsschließungen und/oder Liquidierungen kommen. Eine dritte existenzielle Krise der offenen Immobilienfonds in diesem Jahrtausend dürfte endgültig die Sinnfrage für diese Anlageklasse stellen, die trotz aller Krisen noch immer ein Vermögen von über 123 Milliarden Euro auf die Waage bringt.
Die nervöse Debatte vom Herbst 2023 wird sich in den nächsten Wochen in Gestalt von Abflüssen reflektieren
Abwertungen bei Union Investment
Die hohe Abwertung von über 17 Prozent beim Fonds Uni Immo Wohnen ZBI im Juni dieses Jahres wird nichts zur Aufhellung der Stimmung von Investoren beigetragen haben. Im Zuge einer Sonderbewertung des gesamten Portfolios wurde der Wert der Immobilien deutlich abgewertet. Mutmaßlicher Grund für diese außerordentliche Portfolio-Bewertung waren Pläne des Fondsmanagements, Teile des Portfolios des Fonds, der vor der Abwertung noch ein Vermögen von rund fünf Milliarden Euro aufwies, zu veräußern. Waren die bereits feststehenden Kündigungen von Anlegern der Grund?
Jedenfalls belief sich der Verlust des Fonds in diesem Jahr per 5. September auf über 20 Prozent. Das sind Aktien-ähnliche Verluste und sie dürften Anleger, die von einem Fonds von höchster Sicherheit ausgingen, vollkommen auf dem falschen Fuß erwischt haben. Kritiker werden sich bestätigt sehen, dass die Wertermittlung bei offenen Immobilienfonds für Anleger nicht nachvollziehbar sei. In jedem Fall dürfte der Kontrast zwischen dem Absturz des Fondspreises und der Einstufung von offenen Immobilienfonds in die niedrigste regulatorische Risikostufe (eins) Diskussionen nach sich ziehen. Der Branchendienst Kapitalmarkt Intern hat wiederholt bemängelt, dass diese Risikoeinstufung irreführend sei, zumal geschlossene Immobilienfonds in die höchste Risikoklasse eingestuft werden.
Steigende Abflüsse aus offenen Immobilienfonds
Besorgniserregend sind die Mittelabflüsse aus den Fonds. In absoluten Zahlen sind die Abflüsse zwar nicht dramatisch, wie die untere Grafik zeigt. Dass während einer Immobilienflaute Anleger Fondsanteile verkaufen, ist Teil des täglichen Geschäfts. Seitdem die Zinsen 2022 massiv gestiegen sind, hat sich die Lage am Immobilienmarkt verschärft. Dies gilt nicht nur für Wohnimmobilien, deren Finanzierungskosten in die Höhe geschossen sind, sondern auch für Handelsimmobilien und Büros, die seit der Coronakrise nicht wieder auf die Füße gekommen sind. Der Boom bei Logistikimmobilien, Data Center und Hotels, wird dies nur teilweise kompensieren.
Wie sieht die Lage aktuell aus? Mit der steigenden Inflation und dem Zinsanstieg ist die Nachfrage nach den Fonds ab 2021 stetig zurückgegangen, und in diesem Jahr haben die Fonds bis Anfang September Abflüsse von über 3,5 Milliarden Euro netto erlitten. Gemessen am Gesamtvermögen der Fonds prozentual ist das nicht sehr viel. Einerseits.
Nicht eingerechnet sind die Ausschüttungen der in Liquidation befindlichen Immobilienfonds. Mittelflüsse in Millionen Euro und per 5.9.2024, Quelle: Morningstar.
Besorgniserregend ist allerdings das Tempo der Abflüsse in diesem Jahr, das auf ein sich verschlechterndes Anlegersentiment schließen lässt. Für ein illiquides Marktsegment ist die Abwärtsdynamik bedenklich.
Wie die untere Grafik zeigt, beschleunigt sich seit Herbst 2023 das Tempo der Abflüsse Monat für Monat. Die höchsten Abflüsse gab es im Juli und August, und auch in den ersten Handelstagen im September gingen die Rückgaben weiter. Extrapoliert man die täglichen Abflüsse der ersten fünf Septembertage auf den gesamten Monat, dann könnten die Nettoabflüsse in etwa auf dem hohen Niveau der Vormonate liegen. Wohlgemerkt: Die vorliegenden Zahlen reflektieren nicht die Kündigungen seit Beginn der nervösen Diskussion über offene Immobilienfonds im Herbst 2023. Erst die Mittelflüsse im Oktober und November werden Aufschluss geben, wie prekär die Lage bei offenen Immobilienfonds wirklich ist.
Fazit: Die Uhr für offene Immobilienfonds tickt
Auch auf der Renditeseite sieht es bei offenen Immobilienfonds ziemlich mau aus. Dass die Preise der Fonds 2022 und 2023 viel stabiler waren als die Kurse von Immobilienaktien: geschenkt. Viele Anleger werden jetzt zur Kenntnis nehmen, dass sich Immobilienaktien im Zuge der angekündigten Zinswende erholen, derweil die Fondspreise von offenen Immobilienfonds „Krise“ signalisieren. Im Durchschnitt haben offene Immobilienfonds seit Jahresanfang knapp 1,5 Prozent an Wert eingebüßt.
Im Mai dieses Jahres hatte bereits der Fonds BNP Paribas MacStone die Schließung und die Liquidierung des Portfolios angekündigt. Beim LLB Semper Real Estate wurde die Anteilsscheinrückgabe bereits im Oktober 2023 ausgesetzt. Zwar handelt es sich bei diesen Fonds um kleinere Produkte, aber, zusammen mit der Abwertung des Uni Immo Wohnen ZBI, dürften etliche Anleger eine Anhäufung böser Omen registrieren.
Erst in den nächsten 2-3 Monaten werden wir wissen, ob es auf eine dritte große Krise bei offenen Immobilienfonds hinausläuft. Kommen im Herbst hohe Mittelabflüsse, dann werden manchen Fonds Schließungen und möglicherweise Liquidierungen drohen. Ginge die Sache schief, wäre das besonders bitter für Anleger, weil sich die fundamentale Lage nach und nach aufhellen dürfte.
Der Zinsausblick deutet auf eine Entspannung für den Immobiliensektor hin. Die Notenbanken weltweit haben die Zinswende angekündigt. Die Fed könnte in diesem Jahr dreimal die Zinsen senken, die EZB, die bereits im Juni die Zinsen gesenkt hatte, wird folgen. Die Kurserholung bei Immobilienaktien signalisiert, dass die zyklische Talsohle in der Immobilienbranche erreicht sein könnte. In diese Kerbe schlägt ein Update zu offenen Immobilienfonds der Rating-Agentur Scope. Sofern es keine Verwerfungen in diesem Herbst gebe, könnten die Renditen der Fonds 2025 wieder steigen. Als positiv bewertet Scope, dass die Fonds künftig auch in erneuerbare Energien investieren dürfen.
Es wäre mehr als schade, wenn einige offene Immobilienfonds den kurz bevorstehenden Turnaround nicht mehr erleben würden.