China Aktien ABC

Das ABC der China-Aktien

Nach Bekanntgabe der geldpolitischen und fiskalischen Kehrtwende in China haben China-Aktien den Kursturbo gezündet. Im ersten Schritt sind lokale Anleger die treibende Kraft. Anleger aus dem globalen Norden sind noch unentschlossen. Wir bringen ein Update zu den Basics von China-Aktien.

China-Aktien waren in den vergangenen Jahren eine der größten Enttäuschungen für Investoren. Die Verlangsamung des Wachstums, die harte Regulierung des Tech-Sektors, die Immobilienkrise und die Verschärfung der Spannungen zwischen China und USA und Europa haben die Märkte unter Druck gesetzt. China-Aktien galten bis vor wenigen Wochen, ja Tagen, für viele Anleger als nicht investierbar.

Der Wind hat sich in der letzten Woche gedreht

Doch der Wind hat sich seit Anfang vergangener Woche gedreht. Die chinesische Führung scheint entschlossen, die wirtschaftliche Wende zu erzwingen. Zinssenkungen, mehr Liquidität für Banken, größere Anreize, Immobilien zu kaufen und die Ankündigung eines Staatsfonds zum Kauf von Aktien: All das haben die chinesische Notenbank sowie die Führung unter Xi Jinping angekündigt. Der Staat wird auf Pump den Kauf von Aktien finanzieren. Anleger reagierten euphorisch. In gerade einmal fünf Börsentagen machten China-Indizes ein Plus von bis zu 25 Prozent.

Während die geldpolitischen Maßnahmen bereits auf den Weg gebracht wurden, sind die fiskalpolitischen Stützungsmaßnahmen noch nicht auf den Weg gebracht. Das dürfte viele Anleger aus dem Westen noch zögern lassen – zu oft hatte es in den vergangenen Jahren Strohfeuer gegeben, Kursgewinne waren nur ein Zwischenhoch auf der bitteren Talfahrt. Wie auch immer sich der Gang der Dinge entwickeln wird, haben uns einige Nachfrage von Anleger und Medien erreicht. Daher wollen wir die Sinne der Anleger schärfen für das mögliche Comeback und bringen zur Auffrischung ein kleines Glossar für China-Aktien.

China-Aktien: Das Onshore-Segment

Wir blicken zunächst auf die unterschiedlichen chinesischen Aktiensegmente. Zunächst zu Festlandsaktien, dem sogenannten Onshore-Segment. Hier geht es vor allem um die sogenannten A-Shares. Sie machen inzwischen gut zweidrittel der Marktkapitalisierung aller China-Aktien aus. Es handelt sich hier um Unternehmen, die an den Börsen Shanghais und Shenzhens gelistet sind und auf Renminbi (RMB) lauten. Auch wenn China in den vergangenen Jahrzehnten seinen Finanzmarkt liberalisiert hat, bleibt er doch in weiten Teilen staatlich kontrolliert. Gerade der chinesische Markt für Festlandsaktien ist nicht so ohne Weiteres für ausländische Anleger zugänglich.

Nur chinesische Investoren und ausländische institutionelle Anleger (so genannte Qualified Foreign Institutional Investors, QFII) können in A-Aktien investieren. Letztere dürfen erst seit dem Jahr 2002 in Shanghai und Shenzhen aktiv sein. Mit dem Connect Programm, das das Festland über die Börse in Hongkong verbindet, ist dieses Segment in den vergangenen Jahren deutlich stärker mit der internationalen Finanzwelt verbunden worden.

„Auch wenn China in den vergangenen Jahrzehnten seinen Finanzmarkt liberalisiert hat, bleibt er doch staatlich kontrolliert.“

Deutlich weniger Bedeutung hat das Segment der B-Shares. Im Unterschied zu A-Shares sind B-Shares in Fremdwährungen gelistet. In Shanghai lauten die Kurse auf US-Dollar, in Shenzhen auf Hongkong-Dollar. Dieses Segment steht ausländischen Investoren offen. Es handelt sich allerdings über ein recht kleines Segment, dessen Bedeutung weiter abnimmt.

Die „alte China-Welt“: Das Offshore-Segment

Hier bewegen wir uns in Gefilden, die bereits seit geraumer Zeit zum Brot-und-Butter-Geschäft von Investmentfonds mit Fokus auf Schwellenländer zählen. Wir wollen auf die wichtigsten Aktiensegmente blicken, die ausländischen Investoren uneingeschränkt zugänglich sind: H-Aktien, Red Chips und P-Chips und auch ADR bzw. ADS.

H-Shares umfassen chinesische Unternehmen, die an der Börse Hongkong gelistet sind und auf Hongkong-Dollar lauten. Gut 100 dieser Unternehmen sind ebenfalls im A-Shares-Segment notiert. Aus verschiedenen Gründen sind bei diesen doppelt gelisteten Aktien die Kurse der A-Shares deutlich höher als die der H-Shares der identischen Unternehmen. Einer ist, dass an den Börsen des chinesischen Festlands sich vor allem Retail-Anleger tummeln, die nur Zugang zu den lokalen Börsen haben – und entsprechend die Aktien dort in der Vergangenheit „hochgekauft“ haben. In Hongkong handeln dagegen überwiegend westliche Anleger, die keinen entsprechenden Anlagenotstand haben, weil sie den Zugang zu den Märkten weltweit haben.

„Seit Beginn der US-chinesischen Eiszeit, die absehbar nicht enden wird, schließt sich für Chinas Firmen das Fenster zum US-Kapitalmarkt“

Red Chips wiederum werden ebenfalls in Hongkong gehandelt. Sie sind Unternehmen, die unter Kontrolle von Organisationen oder Firmen stehen, die dem chinesischen Staat, den Provinzen oder den Regionen der Chinesischen Volksrepublik gehören. P-Chips umfassen Firmen, deren Sitz sich außerhalb Chinas befindet, die in Hongkong gehandelt werden und einige Kriterien erfüllen müssen mit Blick auf den Umsatz, den sie in China erwirtschaften, der Reichweite der chinesischen Eigentümerstruktur und die regionale Konzentration ihres Firmenbesitzes.

Zum Teil der „alten Offshore-Welt“ zählt inzwischen auch ein Segment, das bis vor wenigen Jahren noch als Hoffnungsträger für Anleger und chinesische Unternehmen gleichermaßen war: China-Aktien, die an US-Börsen gelistet sind. Rund 250 chinesische Unternehmen wurden bis 2022 an der NYSE und der Nasdaq gelistet. Der tiefste und liquideste Markt der Welt lockte u.a. Chinas-Tech-Stars Alibaba, JD.com, Baidu, NIO, Pinduoduo und viele mehr.

Doch seit Beginn der US-chinesischen Eiszeit, die absehbar nicht enden wird, schließt sich für Chinas Firmen dieses Fenster zum Westen. Als Voraussetzung für ein Listing verlangen die USA, dass ausländische – lies chinesische – Firmen dem Public Company Accounting Oversight Board umfassenden Zugang zu Ihren Bilanzen geben. Auf Druck der chinesischen Führung haben bereits Alibaba, JD.com und Baidu Zweitlistings in Hongkong vorgenommen. China Tech goes Wallstreet? Eher nicht.

China-Aktien im Spiegel von MSCI und Co.

Die großen Indexanbieter setzen unterschiedliche Schwerpunkte, was die Gewichtung der verschiedenen chinesischen Aktiensegmente betrifft. Auch die Voraussetzungen für die Zuordnung von Unternehmen zu den einzelnen Segmenten unterscheiden sich von Indexanbieter zu Indexanbieter. Während MSCI beispielsweise nur Unternehmen als P-Chips führt, die über 80 Prozent ihres Umsatzes mit der Volksrepublik erwirtschaften, sind es bei FTSE nur 50 Prozent.

Anleger in Deutschland haben über Fonds und ETFs Zugang zu den verschiedenen Onshore- und Offshore-Segmenten. Allerdings ist bei den meisten ETFs aufgrund des eingeschränkten Zugangs zum A-Shares-Segment dieses Marktsegment relativ zum Gewicht der Märkte Shenzhen und Shanghai unterrepräsentiert. ETFs, die den FTSE China oder den MSCI China abbilden, weisen nur eine Quote von 15 bis 20 Prozent an A-Aktien auf. Wer also passiv in China investieren will, was nur eingeschränkt zu empfehlen ist, sollte eher auf ETFs für A-Shares setzen. Allerdings müssen Investoren dann bedenken, dass sie bei vielen Aktien, die auch ein Hongkong-Listing haben, die bereits oben erwähnte Prämie für A-Shares bezahlen müssen.

Im Falle von China-Aktien sind aktiv verwalteten Fonds im Vorteil. Der chinesische Markt ist aus vielen Gründen ziemlich ineffizient, sodass Fondsmanager Vorteile haben. Einmal sind sie nicht an die starre Segmentierung gebunden des Marktes gebunden. Sie können entscheiden, wann sie Aktien in Hongkong, auf dem Festland oder an internationalen Börsen handeln. Derweil sind China-ETFs an die starre Gewichtung des Index gebunden. Ein Nachteil zeigt sich erst in diesen Tagen. Viele ETFs, die in A-Shares investieren, wurden während der Feiertage in China in dieser Woche nicht gehandelt und haben zuletzt am 30. September Kurse gestellt. Derweil haben aktiv verwaltete Fonds, die den gesamten chinesischen Markt abdecken, kontinuierlich Preise gestellt – vor allem hatten Fondsmanager die Flexibilität, in Hongkong und New York zu handeln, derweil an den Festlandsbörsen Feiertagsruhe herrschte.

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  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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