Trump hat Aktien 2025 ins Chaos gestürzt. Anleger stehen vor der Frage: Sind Trumps Handelskriege ein systemischer Bruch, oder handelt es sich nur um temporäre Turbulenzen, die langfristig orientierte Anleger nicht aus der Ruhe bringen sollten? Zwei Perspektiven und unsere Gegenthese.
Angesichts des Chaos an den Märkten fand heute auf dem sehr gut besuchten Römerberg in Frankfurt eine öffentliche Diskussion statt. Drei prominente Finanzexperten kreuzten die Klingen über die Frage, wie das Chaos an den Märkten zu bewerten sei. Vertreten war ein renommierter Finanzjournalist mit besten Kontakten in die Hedgefondsszene. Der zweite Experte war der Vorstand eines ETF-Anbieters. Der Dritte im Bunde war der CEO eines mittelgroßen Anlagevermittlers aus Frankfurt, der in der Praxis jeden Tag Portfolios für Anlegende zusammenstellt.
Sie haben es wohl geahnt: Es handelt sich um eine rein fiktive Veranstaltung – Diskussionen um Finanzthemen finden in Deutschland schließlich niemals an einem öffentlichen Ort statt! Der Text ist aber realitätsnah, weil er idealtypische Positionen wiedergibt. Manche Anleger handeln marktnah, andere glauben, die Märkte hätten immer Recht und handeln wenig bis gar nicht. Mit der dritten Position fühlen wir uns bei envestor recht wohl, weil sie Sachkunde mit Praxisnähe kombiniert. Überflüssig zu erwähnen, dass die 30.000 Zuschauer auf dem Römerberg der Runde tosenden Applaus gespendet haben. Doch jetzt Vorhang auf: Chaos an den Märkten – und was Anleger daraus machen sollten.
Chaos an den Märkten: Stress, Risiken, Entscheidungs-Zwänge
Für den Finanzjournalisten ist die Sache klar: Die Finanzmärkte zeigen besorgniserregende Signale. Das deutet auf tiefgreifende Probleme hin. Der gleichzeitige Rückgang von Aktien und klassischen Sicherheitsanlagen wie Gold oder Staatsanleihen widerspricht den üblichen Mustern, bei denen Investoren in Krisenzeiten Kapital in sogenannte Safe Havens umschichten. Diese Entkopplung etablierter Korrelationen wird als Zeichen dafür gewertet, dass Anleger nicht mehr zwischen Risiko und Sicherheit unterscheiden können. Der Markt scheint seine Bewertungsgrundlagen zu verlieren, was sich in einer breiten Verunsicherung zeigt.
Ein zentraler Treiber dieser Entwicklung ist die geopolitische Eskalation zwischen den USA und China. Der Handelskonflikt hat sich von einem Streit über Zölle zu einer umfassenden Systemrivalität entwickelt. Exportkontrollen für strategische Güter wie Halbleiter und Seltene Erden destabilisieren globale Lieferketten und treiben die Kosten für Unternehmen in Schlüsselindustrien wie Technologie massiv in die Höhe. Die Auswirkungen sind nicht nur teurer Handel und geringere Effizienz, sondern auch eine zunehmende Unsicherheit für Unternehmen und Investoren. Die Rezessionssignale sind unübersehbar.
Wie bedrohlich die Lage ist, zeigt, dass selbst liquide Märkte ungewöhnliche Muster zeigen. Das deutet darauf hin, dass selbst große institutionelle Akteure Schwierigkeiten haben, klare Preisansätze zu finden. Diese außerordentlichen Kursmuster zeigen sich in simultanen Kursverlusten bei Anleihen und Gold. Zerbricht gerade etwas an den Märkten? Händler berichten von einem Rekordniveau bei Margin Calls, da Sicherheiten plötzlich an Wert verlieren und Liquiditätsengpässe entstehen. Die Situation wird durch einen sprunghaften Anstieg des Volatilitätsindex VIX verstärkt, der ein klares Signal für die wachsende Unsicherheit ist. Das alles sind ungute Zeichen, weil sie auf eine sich stetig aufs Neue verstärkende Marktvolatilität an den Märkten hindeuten.
„ Händler berichten von Rekordniveaus bei Margin Calls, da Sicherheiten plötzlich an Wert verlieren und Liquiditätsengpässe entstehen.“
Langfristige Markteffizienz – Krisen als Teil des Spiels der Märkte
Nun mal langsam, hält der ETF-Chef dagegen: Die Märkte haben sich historisch immer wieder als widerstandsfähig erwiesen, selbst in Zeiten extremer Unsicherheiten. Jede Krise – sei es die Ölkrise der 1970er Jahre, der Black Monday 1987 oder die Finanzkrise 2008 – führte letztlich zu korrigierten Bewertungen, die langfristig stabile Renditen ermöglichten. Kurzfristige Schwankungen wie Handelskonflikte oder Korrelationsbrüche werden daher als temporäre Störungen betrachtet, die keinen Einfluss auf den übergeordneten Trend haben.
Die Grundlage dieser Perspektive ist das Vertrauen in die Fähigkeit der Märkte, alle verfügbaren Informationen effizient zu verarbeiten und langfristig rational zu agieren. Anleger sollten sich nicht von kurzfristigen Turbulenzen leiten lassen, sondern ihre Portfolios diszipliniert an langfristigen Prinzipien ausrichten. Historische Daten zeigen beispielsweise, dass breit diversifizierte Portfolios mit hohen Aktienquoten stets Erträge generiert haben, weil Risikoprämien über Jahrzehnte hinweg wirken. Besonders US-Aktien gelten aufgrund ihrer Innovationskraft und Marktliquidität als unverzichtbarer Bestandteil eines Portfolios. Der MSCI World mag also heute volatil sein, aber wer eine langfristige Perspektive nimmt, kann auch die langfristige Japan-Baisse zwischen 1990 und 2011 wegstecken. Am Ende geht es doch immer nach oben.
Auch wenn politische Schocks wie Handelskonflikte kurzfristig belastend sind, dominieren langfristig strukturelle Trends wie technologischer Fortschritt oder demografische Verschiebungen das Marktgeschehen. Ein Beispiel aus der jüngeren Geschichte ist die schnelle Erholung der globalen Aktienmärkte nach dem COVID-Crash im März 2020: Innerhalb weniger Monate erreichten viele Indizes neue Höchststände – trotz anhaltender Unsicherheit in Bezug auf Lockdowns und wirtschaftliche Erholung. Anleger sollten daher diszipliniert bleiben und an marktkapitalisierungsbasierten Allokationen festhalten.
Warum Glaubenssätze Anleger in die Irre führen
Vorhang auf für den Praktiker, der pragmatisch die beste Lösung für Anleger herausholt. Der CEO des Finanzberaters hält beiden Thesen zugute, dass sie wichtige Einsichten liefern. Und doch weisen sie aus Sicht von Anlegern Schwächen auf. Die erste Perspektive überbewertet kurzfristige Signale wie Margin Calls oder Korrelationsbrüche und ignoriert dabei die langfristige Widerstandsfähigkeit der Märkte. Historisch haben sich solche Phasen immer wieder als temporär erwiesen – etwa während der Finanzkrise 2008 oder des COVID-Crashs 2020. Das Weltfinanzsystem ist mitnichten zerbrochen, sondern wurde sogar resilienter, weil Regulatoren wichtige Konsequenzen aus dem Chaos an den Märkten zogen. Zudem verfügen Märkte über Mechanismen zur Selbstregulation, die durch Preisanpassungen und Kapitalumschichtungen Ungleichgewichte korrigieren können.
Wer zu nah am Markt agiert, begeht oft den Fehler, dass er nach dem Motto agiert: Top oder Flop. Eine These zu einem Extremzeitpunkt zu formulieren, bringt oft eine Pfadabhängigkeit mit sich, die sich im Nachhinein als verfehlt erweisen kann. Die Fortschreibung eines Moments an den Märkten vernachlässigt den Umstand, dass Anleger und politische Entscheidungsträger auf Krisensituationen reagieren und ihre Positionen neu justieren und damit die Ereignisse in andere Bahnen lenken.
Trump könnte bereits morgen zurückzucken, wenn ihm die US-Handelspartner ernsthaften Widerstand entgegenbringen. Dann hätten wir heute Kaufkurse. Eskaliert MAGA-Amerika weiter, könnte es tatsächlich zur Rezession kommen. Dann wäre ein Neu-Pricing von Risiko-Investments angemessen. Doch auch wenn der Handelskonflikt eskalieren würde, schaffen neue Konstellationen neue regionale Wachstumsmöglichkeiten außerhalb der traditionellen Handelsströme. Ein Beispiel hierfür ist das Wachstum asiatischer Binnenmärkte: Länder wie Vietnam oder Indonesien profitieren von einer stärkeren Regionalisierung des Handels und bieten attraktive Investitionsmöglichkeiten für Anleger. Europa dürfte enger zusammenrücken und das Projekt des EU-Binnenmarkts vervollständigen.
Die zweite These ist nicht weniger tückisch. Märkte als informationseffizient zu bezeichnen, klingt auf den ersten Blick vernünftig. Aber die Effizienzmarkthypothese ignoriert, dass Anleger eben nicht wie der sprichwörtliche Homo economicus. Die Wissenschaftsdisziplin des Behavioral Finance ist allein der Analyse der klassischen Anlegerfehler gewidmet. Zudem ignoriert die Effizienzmarkthypothese Strukturbrüche an den Märkten, etwa in Gestalt geopolitischer Konflikte, neue Zinsphasen, Marktmanipulationen durch Zentralbankinterventionen oder Monopolisierungstendenzen in bestimmten Sektoren. Seit 2008 stützen Notenbanken aktiv Preise durch Anleihekaufprogramme – ein Eingriff in freie Preisbildung, der mit der Theorie effizienter Märkte kaum vereinbar ist. Die Dominanz weniger Tech-Konzerne in den Indizes führt zudem zu Klumpenrisiken und macht Portfolios anfällig für Kurskorrekturen in überbewerteten Sektoren wie Big Tech. Der MSCI World ist also alles andere als optimal für ETF-Anlegerinnen und -Anleger.
Der Hinweis, dass die Märkte langfristig nach oben zeigen, führt auch zu weit. Denn langfristig sind wir alle tot. Für Anleger geht es um pragmatische Lösungen. Dass der MSCI World langfristig gestiegen ist, heißt nicht, dass Anleger ab 1990 mit einem Indexportfolio mit einem Japan-Anteil von 40 Prozent das beste Ergebnis erzielt haben. Japan-Aktien haben die Performance weltweit bis 2011 durchgehend belastet, und wer rechtzeitig dieses Klumpenrisiko identifizierte und gehandelt hätte, wäre mit einem diversifizierten Weltportfolio besser gefahren. Das gilt auch heute: Der DAX liegt in der Fünfjahres-Bilanz inzwischen vor dem MSCI World. Europa-Aktien haben 2025 den Welt-Index um gut 15 Prozentpunkte outperformt. Das prägt auch die mittelfristige Performance. Wer rechtzeitig auf der Aktienseite breit investiert hätte, würde heute nicht derart hohe Verluste aufweisen, wie das bei MSCI World-ETFs der Fall ist.
Die Synthese: Zwischen Chaos und Effizienz liegt Strategie
Die Moral der Geschichte? Ein tragfähiger Ansatz in der Praxis kombiniert Erkenntnisse aus beiden oben vorgestellten Thesen, ohne ihren Extremen zu verfallen. Statt Alarmismus oder blinder Effizienzgläubigkeit setzt ein erfahrener Portfolio-Manager auf strategisches, aktives Management mit einem klaren makroökonomischen Kompass.
Politische Risiken werden immer eingepreist; Handelskonflikte gehören ins Basis-Szenario eines jeden Portfolios. Regionale Resilienz wird gezielt genutzt – etwa durch Investitionen in Infrastrukturprojekte in ASEAN-Staaten oder durch Diversifikation über verschiedene Währungsräume hinweg.
Liquiditätsprofile spielen eine zentrale Rolle bei der Portfolio-Gestaltung. Assets mit hoher Markttiefe wie Blue Chips oder Staatsanleihen bilden das Rückgrat des Portfolios, während illiquidere Positionen und engere Märkte gezielt hinzugefügt werden, ohne aber das Portfolio-Risiko zu dominieren.
Langfristige Disziplin schließt taktische Anpassungen nicht aus: Überbewertungen im Tech-Sektor sollten zu Allokationen in unterbewertete, defensive Sektoren wie Gesundheits-Aktien oder Versorger-Aktien führen.
Die Debatte zwischen Chaos und Effizienz verkennt oft das Spannungsfeld zwischen kurzfristigen Ineffizienzen und langfristigen Trends an den Märkten. Erfolgreiches Investieren erfordert weder Panik noch Passivität, sondern eine aktive Strategie mit klarem Fokus auf Risikomanagement und Opportunitäten in unsicheren Zeiten. Wer dieses Spannungsfeld navigieren kann, wird nicht nur Krisen überstehen, sondern sie als Chancen nutzen können – unabhängig davon, ob Märkte gerade chaotisch erscheinen oder scheinbar effizient agieren.
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Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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