Die Risiken von Portfolios durch Diversifikation zu senken, ist ein zentraler Grundsatz der Geldanlage. Doch die Realität ist komplex, die Beziehungen zwischen verschiedenen Anlageklassen sind instabil. Eine kleine historische Rückschau auf die Performance von Aktien, Anleihen, Gold, Rohstoffe und Kryptos in herausfordernden Marktphasen.
Dass sich Kapitalmarktrisiken durch die Streuung der Gelder auf verschiedene Anlageklassen minimieren lassen, ist seit Harry Markowitz nicht nur eine Erkenntnis in der Finanzwissenschaft, sondern längst auch in der Breite der Anlegerschaft angekommen. Ist der Zusammenhang zwischen verschiedenen Vermögenswerten niedrig, senken sie in Kombination das Gesamtportfolio-Risiko. Es gibt griffige Merksprüche dazu – Diversifikation sei der einzige „Free Lunch“, den man beim Investieren erwarten könne. Auch wir heben die Vorzüge der Diversifikation stets hervor. Doch wie sieht die Diversifikation verschiedener Assets in der Praxis aus? Dafür haben wir zunächst eine Korrelationsmatrix über einen Zeitraum von knapp zehn Jahren erstellt. Sie zeigt den Zusammenhang zwischen globalen Aktien, Aktien Europa, Anleihen Deutschland, Bitcoin, Gold und Rohstoffen.

Daten per 26.3.2025, in Euro, Quelle: Morningstar
Die obere Grafik zeigt ein erfreuliches Bild: Aktien Welt (MSCI World) zeigen zwar einen großen Zusammenhang mit Aktien Europa (MSCI Europe), der Aktienkursverlauf hängt allerdings wenig zusammen mit Anleihen (REXP), noch weniger mit Gold (LBMA Gold) und auch wenig mit Bitcoin (XTB Bitcoin Tracker). Allenfalls verursacht die recht hohe Korrelation von Aktien und Rohstoffen (S&P GSCI) ein wenig Stirnrunzeln. Besonders erfreulich für Anleger in europäischen Aktien: Die Korrelation zwischen dem MSCI Europe, Anleihen und Gold war seit 2015 negativ. Das deutet auf eine fast perfekte Diversifikationswirkung hin. Diese Konstellation gilt auch für Anleihen und Rohstoffe.
Alles gut also?
Nicht ganz.
Die Sache ist, Sie ahnen es schon, leider nicht ganz so einfach. Welcher Vermögenswert mit Aktien wann wie korreliert, ist im Vorhinein nicht zu sagen – es kommt auf die Marktbedingungen an. Das wollen wir anhand einiger historischer Beispiele illustrieren. Sie erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern zeichnen nur die großen Linien der Märkte in turbulenten Zeiten nach.
Portfolio-Diversifikation in Zeiten der Stagflation
Reifere Anlegergenerationen dürften sich 2022, als Aktien und Anleihen gleichermaßen ins Trudeln gerieten, an die 1970er Jahre erinnert haben. Damals stieg die Inflation im Zuge staatlicher Ausgabenprogramme (Vietnam-Krieg, steigende sozialstaatliche Ausgaben in den USA und Europa); zugleich stagnierte das bis dahin starke Wirtschaftswachstum der Nachkriegsjahre. In der „Stagflation“ zeigten sowohl Aktien als auch Anleihen eine überwiegend negative Performance. Nominal positive Renditen erwiesen sich nach Abzug der Inflation als mager – vor allem bei Anleihen.
Gold behauptete sich indes als außergewöhnlich effektive Krisenwährung. Der Goldpreis stieg von etwa 35 US-Dollar pro Unze im Jahr 1970 auf rund 680 Dollar im Jahr 1980, was einer Rendite von über 32 Prozent pro Jahr entsprach. Der Bloomberg Commodity-Index legte ebenfalls um gut 30 Prozent pro Jahr in der Dekade zwischen 1970 und 1980 zu, angetrieben vor allem von den steigenden Energiepreisen im Zuge wiederholter Nahostkonflikte (1973/74, ab 1979).
Dot-Com-Krise 2000-2003
Die große Internet-Euphorie, die in den 1990er Jahren die Aktienkurse von Wachstumswerten angetrieben hatte, fand im neuen Millennium ein jähes Ende. Zwischen 2000 und 2003 brachen die Aktienkurse weltweit um rund 50 Prozent ein. Wer in der Zeit zuvor alles auf Aktien gesetzt hatte, schaute in die Röhre. Es gab damals mehrere Schutzräume für gestresste Portfolios: Gold konnte zwar nicht an die fabelhafte Performance der Vordekade anknüpfen, legte aber immerhin (auf Eurobasis) in den drei Baisse-Jahren um rund 10 Prozent zu. Besser entwickelten sich in der Zeit Bundesanleihen in Gestalt des REXP, der um gut 25 Prozent stieg. Noch besser lief es bei breit gestreuten Rohstoffkörben. Der S&P GSCI stieg in dem Zeitraum um gut 50 Prozent und war damit ein perfekter Aktien-Hedge.
Die große Finanzkrise 2008-2009
In der großen Finanzkrise von 2008 bis 2009 erwies sich Gold erneut als sicherer Hafen. Während sich globale Aktien erneut halbierten, stieg der Goldpreis zwischen Mitte 2007 und März 2009 um gut 50 Prozent. Anleihen tickerten entspannt bis unspektakulär nach oben – der REXP legte in der Zeit um kumuliert 15 Prozent zu. Indes brachen Energie-lastige Rohstoffkörbe massiv ein, da die Weltwirtschaft in eine tiefe Rezession stürzte – auf Euro-Basis verlor der GSCI-Index knapp 40 Prozent.
Der Covid-Blitz-Crash 2020
Das Pandemie-Jahr 2020 war auch für Kapitalmarktanleger bemerkenswert: Aktien brachen zwischen Februar und Ende März um bis zu 30 Prozent ein, ein Rückgang, der sogar noch dynamischer war als der Crash des Jahres 1929. Allerdings führten die konzertierten geldpolitischen und fiskalpolitischen Maßnahmen von Notenbanken und Staaten weltweit zu einer dramatischen Aufholjagd. Der MSCI Europe beendete das Jahr 2020 mit einem kleinen Minus von 2 Prozent, der MSCI World stieg auf Eurobasis sogar um 6,3 Prozent. Gold behauptete sich einmal mehr mit einem Plus von 14 Prozent, der REXP trat mit einem Plus von 1 Prozent auf der Stelle. Dramatisch waren indes die Verluste bei Rohstoffen: Der S&P GSCI brach um gut 30 Prozent ein. Auf dem Tiefpunkt des Pandemie-Crashs notierten Ölpreis- und Gas-Futures sogar im Minus. Bitcoin machte übrigens in der Krise erstmals von sich reden: Plus 260 Prozent stand bei dem Krypto-Asset auf der Habenseite. Das führte dazu, dass auch ansonsten wenig Krypto-affine Anleger erstmals Bitcoin als ernstzunehmenden Portfolio-Kandidaten entdeckten.
2022: Nachhaltiger Schaden bei Bond-Indizes
Das Jahr, in dem Russland die Ukraine überfiel und die Inflation nach oben schoss, brachte zweistellige Verluste für Aktien und Anleihen gleichermaßen. Was Aktien-Routiniers nicht umwarf, war ein traumatisierendes Erlebnis für Anleihen-Anleger. Der REXP verlor 12 Prozent, breit gestreute Euro-Renten-Indizes kollabierten mit einem Minus von mehr als 15 Prozent regelrecht. Angesichts langer Laufzeiten und negativer Nominalrenditen war die Fallhöhe immens. Obwohl die Aktienverluste von rund 13 Prozent beim MSCI World und 8,5 Prozent beim MSCI Europe vergleichsweise moderat für eine Baisse waren, bedeutete der parallele Fall von Aktien und Anleihen, dass gemischte Portfolios unter die Räder kamen. Wohl dem, der auf Gold (plus 6) und Rohstoffe setzte (plus 34 Prozent). Als Aktien-Diversifikation gänzlich ungeeignet erwiesen sich indes Krypto-Assets. Der oben aufgeführte Bitcoin-Tracker brach um gut 67 Prozent ein. Das Wort vom „Krypto-Winter“ machte 2022 die Runde.
Portfolio-Diversifikation – (zu) viel Kontingenz
Unsere kurze historische Umschau zeigt, dass eine Diversifikation über Aktien, Anleihen, Gold, Rohstoffe und Kryptos das Risiko von Portfolios reduzieren kann. Allerdings funktioniert das nicht immer. In Krisenzeiten können systemische Risiken dazu führen, dass alle Anlageklassen stärker miteinander korrelieren, was den Nutzen der Diversifikation verringert. Gold hat sich in der Vergangenheit als besonders wertvolle Ergänzung von Aktienportfolios erwiesen, insbesondere in Phasen hoher Inflation oder wirtschaftlicher Unsicherheit.
Deutsche Staatsanleihen (Bunds) boten in der Vergangenheit überwiegend auch einen sicheren Hafen. Allerdings bildete das Jahr 2022 eine wichtige Ausnahme, wie der Jahrhundert-Crash bei Anleihen zeigte. Angesichts langer Indexlaufzeiten und der Unsicherheit über die Inflationsdynamik in den USA sind Investoren vor den Risiken gewarnt, die in Anleihen-Indizes (ETFs) schlummern. Rohstoffkörbe, die zumeist von Energie- und Industriemetallen dominiert werden, können indes ein guter Inflations-Hedge sein, bieten aber wenig Schutz, wenn die Konjunktur schwächelt.
Die Jury hat noch nicht final über die Rolle von Bitcoin entschieden. Einerseits ist das wichtigste Krypto-Asset ein deflationäres Asset, weil die „schürfbare“ Menge begrenzt ist. Damit ähnelt Bitcoin Gold und anderen Edelmetallen. Andererseits ähneln die allermeisten Krypto-Assets Gold in unguter Hinsicht: ihr ökonomischer Nutzen ist nicht belegbar, und weil diese Assets keine Cashflows erwirtschaften oder Zinsen zahlen, handelt es sich um pure Spekulationsobjekte. Die Historie ist sehr kurz, aber die Vergangenheit hat bei Bitcoin neben einer durchgängig exorbitanten Volatilität auch einen hohen Zusammenhang mit Risiko-Assets gezeigt. Eine Absicherung gegen Aktienverluste ist mit Bitcoin also eher nicht machbar.
Unser Beitrag zeigt: Welches Asset gegen Aktienverluste Sicherheit bietet, hängt stark von den Rahmenbedingungen ab. Wirtschaftswachstum, Zinsen, Inflation, Unternehmensgewinne und wirtschaftliche Indikatoren müssen in die Betrachtung einbezogen werden – mechanisch-mathematische Korrelationsanalysen ohne gesamtwirtschaftlichen Kontext können Anleger in die Irre führen. Eine rein naive Diversifikation von Portfolios kann also zu suboptimalen Ergebnissen führen und auch mittelfristig beachtlichen Schaden in Anlegerportfolios anrichten.
Autor
-
Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
Alle Beiträge ansehen