Aktienfonds jetzt noch kaufen?

Sollen Anleger Aktienfonds noch kaufen, jetzt, wo DAX und Co. von Rekord zu Rekord eilen? Die Frage ist eher eine rhetorische. Denn die Nachfrage nach Aktienfonds ist in diesem Jahr bereits gigantisch. Das macht manchen Anlegern Sorgen. Also sollten wir vielleicht fragen, ob Investoren zu Recht noch Aktienfonds kaufen? Wie dem auch sei: Wir sind eindeutig der Meinung, dass Investments in Risikopapiere mit wenigen Ausnahmen eine prima Sache sind. Auch heute. Warum, wollen wir in diesem Beitrag erläutern.

Das Wort „Bedenkenträger“ ist ein sehr deutsches. Es mag zwar negativ konnotiert sein, aber insgesamt trifft es ganz gut zu. Zumindest, wenn es um Investments am Kapitalmarkt, genauer: um Aktien, geht. Aktien sind für viele bloße Zockerei und insofern des Teufels. Und selbst viele, die gegenüber Aktien aufgeschlossen sind, neigen zum Pessimismus. Steigen die Kurse, geht schnell die Furcht vor zu hohen Bewertungen um. Die Zahl der frühzeitigen Ausstiege („Einfach mal Geld vom Tisch nehmen“) ist Legende.

(Es ist nicht von ungefähr, dass der möglicherweise schlechteste Aktienfonds der Welt aus deutschen Landen stammt. Er wird von einem ehemaligen Börsenmakler gemanagt, der seit Jahren mit Weltuntergangprophezeiungen von sich reden macht. Nicht aber mit einer anständigen Performance. Sein Fonds ist so stark gegen Kursverluste abgesichert, dass er keine nennenswerte Rendite erzielt. Was Fans freilich nicht abschreckt, dem ehemaligen Börsen-Makler knapp 500 Millionen Euro anzuvertrauen.)

Aktienfonds jetzt noch kaufen oder besser abwarten?

Die Vorrede ist deshalb nötig, weil, wir müssen jetzt ganz stark sein, Aktien in diesem Jahr so gefragt sind wie nie zuvor. Per Ende Oktober hatten Anleger in Europa über 330 Milliarden Euro in Aktienfonds investiert. Auch wenn wir noch zwei Monate vom Jahresende entfernt sind, ist das Aktienfonds-Rekordjahr 2021 ausgemachte Sache.

Grafik: Nettozuflüsse in Aktienfonds 2007 bis 2021

Zuflüsse in AKtienfonds seit 2007
Mittelzuflüsse in Mio. Euro, Daten per 31.10.2021, Quelle: Morningstar

Das gilt auch für Deutschland. Per Ende September konnten hiesige Anbieter Rekordzuflüsse verbuchen. Dabei waren Aktienfonds die wesentlichen Treiber des Wachstums. Ist der Run auf Aktienfonds bedenklich? Dafür spricht wenig.

Blickt man auf die Nachfrage im Detail, verlieren die Rekordzuflüsse an Dramatik. Nachgefragt sind in erster Linie breit aufgestellte Fonds. Die untere Grafik zeigt die Fondskategorien mit den höchsten Zuflüssen in diesem Jahr. In erster Linie waren bisher global anlegende Aktienfonds gefragt. Auch globale Wachstumsfonds, Fonds für US-Standardwerte und USA-Value Aktienfonds waren 2021 beliebt.

Allerdings befinden sich durchaus riskantere Fondsgruppen unter den Bestsellern. Sektorfonds für Technologie, Öko-Aktienfonds sowie Aktienfonds für alternative Energien waren in diesem Jahr gefragt. Hier finden sich mitunter sportlich bewertete Aktien. Und einige Anleger haben sich dabei die Finger verbrannt: Fonds für alternative Energien hatten 2021 bisher eine schwache Entwicklung. Im Vorjahr war mit manchen dieser Fonds dagegen hohe zweistellige Renditen zu holen. Wer Anfang dieses Jahres hier eingestiegen ist, schiebt Verluste (und vermutlich auch Frust) vor sich her. Allerdings handelt es sich hier nicht um ein Massenphänomen.

Grafik: Welche Aktienfonds in diesem Jahr gefragt sind

Welche Aktienfonds Kategorien gefragt waren 2021
Zuflüsse in Millionen Euro und per 31.10.2021, Quelle: Envestor, Morningstar

Die Bewertungen sind moderat

Eine Überhitzung würde vor allem dann drohen, wenn Aktien stark überbewertet wären. Eine Übersicht über die globalen Aktienbewertungen von der Rating-Agentur Morningstar spricht nicht dafür. Per 18. November 2021 notierten zwar US-Aktien, französische sowie australische und skandinavische Titel im Durchschnitt um bis zu fünf Prozent über ihrem fairen Wert. Deutsche Aktien sind aber fair bewertet, wie auch Aktien aus Großbritannien, den Niederlanden, Spanien und Österreich. Letztere sind sogar unterbewertet. Das gilt erst Recht für nahezu alle Schwellenländer-Märkte.

Grafik: Aktien im Großen und Ganzen fair bewertet bis günstig

Aktien sind nicht teuer
Morningstar Fair Value per 19. November 2021, Quelle: morningstar.de

Natürlich gibt es Ausnahmen. Die spektakulären dominieren die Schlagzeilen: Tesla mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von über 250; Rivian, ein Automobilhersteller ohne Produktion, aber mit einer Bewertung von über 100 Milliarden Dollar. Auch wer in heute in so manche High-Growth-Aktie investiert, könnte eine böse Überraschung erleben. Aktien, die seit Beginn der Pandemie sehr beliebt sind und aus den Branchen ESports&Entertainment, E-Commerce oder SaaS (Software as a Service) kommen, werden derzeit an der Börse scharf beäugt. In den vergangenen Wochen haben Aktien wie Peloton, TeamViewer, Upstart, Vimeo oder Zillow um bis zu 50 Prozent eingebüßt. Anleger achten immer mehr darauf, ob ein Unternehmen nur Gewinne verspricht oder tatsächlich welche abliefert. Qualitäts-Unternehmen wie Apple, Amazon oder Alphabet halten sich auch deshalb sehr gut, weil es sich um Gewinnmaschinen handelt. Techfirma ist also nicht gleich Techfirma.

Ausblick: Inflation führt zu Umdenken bei Anlegern

Unsere kurze Übersicht zu den Mittelflüssen in Fonds und Aktienbewertungen zeigt, dass die meisten Anleger eher traditionelle Fondsvehikel ansteuern. Den meisten geht es eher um den MSCI World als Clean Energy Spezialitätenfonds. Auf die Anfangs gestellte Frage, lautet die Antwort also eindeutig: Ja, Anleger sollten auch jetzt Aktienfonds kaufen!

Oder sogar gerade jetzt? Die Bewertungen sind zwar nicht billig, aber der Markt ist nicht überteuert. Darüber hinaus steigt die Inflation. Real frisst die Teuerung pro Jahr drei, vier Prozent oder mehr von festverzinslichen Wertpapieren auf, auf denen viele Sparer hocken. Es ist deshalb vernünftig, wenn Anleger Aktien kaufen. Unternehmen sind oft in der Lage, den negativen Folgen der Teuerung bis zu einem bestimmten Grad zu entgehen, indem sie die gestiegenen Kosten an Kunden weitergeben. Das schlägt sich in den Bilanzen und dann auch positiv im Aktienkurs nieder. Das ist auch der Grund, weshalb Aktien-Investments gerade in Zeiten steigender Teuerung empfehlenswert sind. Im Gegensatz zu Olafs Sparbuch bieten Aktien einen realen Inflationsschutz.

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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