Anleihen die Basics

Anleihen: Die Basics einer verdrängten Anlageklasse

In Niedrigzinszeiten standen Aktien-Investments an erster, zweiter und dritter Stelle. Jetzt ist der Zins wieder da. Envestor ruft in einer Webinar-Reihe Anlegern diese vergessene Anlageklasse in Erinnerung. Der erste Teil handelt von den Basics, die wir im Interview mit Stefan Waldenberger, Portfolio-Manager bei der Kepler-Fonds KAG, erörtern. 

Anleihen, auch als Bonds oder Rentenpapiere bekannt, sind Schuldverschreibungen, bei denen sich der Emittent, Unternehmen oder Staaten, verpflichtet, dem Anlegenden einen festgelegten Zinssatz (Kupon) zu zahlen und am Ende der Laufzeit den Nennwert zurückzuzahlen. Stefan Waldenberger, Fondsmanager bei der Kepler-Fonds KAG, erklärt: „Unter der Rendite einer Anleihe versteht man die durchschnittliche Verzinsung über die Laufzeit hinweg, ähnlich wie bei einem Sparbuch.“ So weit, so scheinbar einfach. Wir starten mit unserem Deep Dive. 

Anleihen: Kurs kontra Rendite

Bei klassischen Anleihen sind Kupons vorweg festgelegt. Aber für die Rendite einer Anleihe ist auch der Kurs der Anleihe relevant. Für das Verständnis der Funktionsweise ist das Verhältnis zwischen Kurs und Rendite maßgeblich. Dieses Verhältnis lässt sich anhand eines einfachen Beispiels veranschaulichen:

Stellen Sie sich vor, Sie kaufen eine Anleihe für 100 Euro, die jährlich 3 Euro Zinsen zahlt und nach 5 Jahren den Nennwert von 100 Euro zurückzahlt. Wenn nun die Marktzinsen steigen, werden neue Anleihen mit höheren Zinsen ausgegeben. Dadurch wird Ihre Anleihe mit den niedrigeren Zinsen weniger attraktiv, und ihr Kurs fällt, und zwar so lange, bis die Rendite die aktuellen Marktverhältnisse widerspiegelt. Umgekehrt steigt der Kurs Ihrer Anleihe, wenn die Marktzinsen fallen, da Ihre alte Anleihe dann im Vergleich zu neu begebenen Anleihen attraktiver wird.

Dieser Mechanismus funktioniert wie eine Wippe: Wenn die Rendite steigt, fällt der Kurs, und wenn die Rendite fällt, steigt der Kurs. Das liegt daran, dass der Gesamtertrag einer Anleihe (Zinszahlungen plus Rückzahlung) im Verhältnis zu ihrem aktuellen Marktwert immer dem aktuellen Marktzinsniveau entsprechen muss. In der Fachsprache heißt es: Kurse und Renditen bewegen sich in einem inversen Verhältnis zueinander.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Duration, die die durchschnittliche Kapitalbindung einer Anleihe angibt. Sie misst die Sensitivität des Anleihenkurses gegenüber Zinsänderungen. Stefan Waldenberger erläutert: „Wenn der Fonds eine Duration von sechs Jahren hat, dann heißt es, der Fonds wird auch 6% verlieren, wenn die Renditen um 1% steigen.“

Die Duration gibt also an, wie stark der Kurs einer Anleihe auf Zinsänderungen reagiert. Eine höhere Duration bedeutet eine größere Kurssensitivität gegenüber Zinsänderungen. Man kann sich die Duration wie einen Hebel vorstellen: je länger der Hebel (also je höher die Duration), desto stärker die Kursbewegung bei Zinsänderungen.

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Renditen und Performance in Prozent, in Euro und per 31.10.2024, Quelle: Kepler-Fonds

Aktuell weist der Euro-Rentenmarkt – je nach Zuschnitt – eine Duration von sechs und sieben Jahren auf. Die modified Duration beim Index Bloomberg Barclays Euro Aggregate Total Return liegt bei etwa 6,5 Jahren. Bei einem Zinsanstieg von einem Prozentpunkt würde der Kurs der Anleihen im Index um etwa 6,5% fallen. Umgekehrt würde der Kurs bei einem Zinsrückgang um einen Prozentpunkt um etwa 6,5% steigen. In den vergangenen zwölf Monaten legte der Index um knapp 6,6 Prozent zu, was den Renditerückgang seit Herbst 2023 widerspiegelt. Als im Jahr 2022 die Renditen nach oben schossen, verlor der Index dagegen 17,2 Prozent. Klassische Staatsanleihen sind also keinesfalls risikofreie Investments. Die Duration ist entsprechend in erster Linie als ein Risikomaß zu verstehen. 

Anleihen: Staatsanleihen und mehr

Staatsanleihen waren lange Zeit das A und O von Anleihen-Investments. Wegen des niedrigen Ausfallrisikos gelten Staatsanleihen aus den Industrieländern als sicherste Form der Anleihen, insbesondere wenn sie von wirtschaftlich stabilen Ländern ausgegeben werden. Aber es gibt mitunter große Unterschiede bei den Renditen. Kepler-Fondsmanager Waldenberger verweist auf die Unterschiede zwischen deutschen und US-Staatsanleihen: „Die Realrendite bei deutschen Anleihen liegt bei rund 0,4 Prozent. Das ist nicht viel, aber immerhin gleichen sie die Inflation aus“. Das war längere Zeit nicht der Fall. In den USA ist Rendite nach Inflation deutlich höher, nämlich bei über 1,80 Prozent. Das spiegelt die Realität der beiden Volkswirtschaften wider: Deutschland wächst nicht, die dagegen schon. Wachstum und Inflation sind zwei wichtige Determinanten des Anleihenmarkts.

Realrendite vs. Nominalrendite, in Prozent und per 31.10.2024, Quelle: Kepler-Fonds

Unternehmensanleihen und Emerging Markets

Investment Grade Anleihen: Diese werden von Unternehmen mit guter bis sehr guter Bonität ausgegeben. Stefan Waldenberger erklärt: „In diesem Segment gibt es kaum Ausfälle. Dementsprechend sind die Renditeaufschläge relativ.“

High Yield Anleihen: Hochzinsanleihen stammen von Unternehmen mit niedrigerer Bonität und bieten höhere Renditen bei erhöhtem Risiko. „Wer jetzt High Yield Anleihen kauft, bekommt einen Aufschlag von knapp drei Prozent gegenüber sicheren Anleihen. Aber dafür habe ich auch Ausfallrisiken“, so der Kepler-Fondsmanager. 

Anleihen aus Schwellenländern bieten oft höhere Renditen, sind aber auch mit spezifischen Risiken wie politischer Instabilität oder Währungsschwankungen verbunden. Waldenberger betont: „Wer bereit ist, diese Risiken zu schultern, kann schon einiges an Rendite herausholen.“ Aktuell bieten Emerging Markets noch die höchsten Renditeaufschläge unter den drei skizzierten Anleihen-Kategorien mit erhöhten Risiken. Die untere Grafik zeigt die Rendite-Aufschläge der drei Anleihen-Kategorien gegenüber Staatsanleihen. 

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Aufschläge in Basispunkten, Stand der Daten: 31.10.2024, Quelle: Kepler-Fonds

Anleihen im Portfoliokontext

Anleihen spielen eine wichtige Rolle in der Portfoliodiversifikation. Sie können als Gegengewicht zu volatileren Anlagen wie Aktien dienen und bieten in wirtschaftlichen Abschwungphasen oft eine stabilisierende Wirkung. „Inzwischen haben Anleihen in vielen Marktphasen wieder gute Diversifikationseigenschaften in Aktienportfolios.” Sollte sich beispielsweise die Konjunktur in den nächsten Monaten abschwächen, würden Aktieninvestments stark leiden. In einer derartigen Situation dürften die Notenbanken die Zinsen noch schneller senken, was dann Anleihen einen positiven Performance-Schub geben würde. Das würde die Aktienverluste bis zu einem bestimmten Grad kompensieren. Diese Eigenschaft macht Anleihen besonders wertvoll für Anleger, die ein ausgewogenes Risiko-Rendite-Profil anstreben. “Die aktuelle Marktsituation, in der Anleihen wieder attraktive Renditen bieten, verstärkt diesen Effekt noch”, so Stefan Waldenberger.

Herausforderungen und Risiken

Trotz der aktuellen Attraktivität von Anleihen gibt es einige Herausforderungen und Risiken zu beachten:

Zinsänderungsrisiko: Steigende Zinsen führen zu Kursverlusten bei bestehenden Anleihen. Die Duration eines Anleihenportfolios gibt Aufschluss über die Sensitivität gegenüber Zinsänderungen.

Kreditrisiko: Insbesondere bei Unternehmens- und Schwellenländeranleihen besteht das Risiko eines Zahlungsausfalls des Emittenten.

Inflationsrisiko: Hohe Inflation kann die reale Rendite von Anleihen schmälern.  Kepler-Manager Waldenberger betont die Bedeutung der Realrendite: „In Wahrheit geht es mir darum, was ich mir damit leisten kann, und wenn ich Inflation habe, habe ich nichts davon, dass ich vielleicht ein bisschen mehr Geld in der Tasche habe, aber dann nichts mehr dafür bekomme.“1

Währungsrisiko: Bei Anleihen in Fremdwährungen können Wechselkursschwankungen die Rendite stark beeinflussen. Fondsmanager Waldenberger rät zur Vorsicht: „Ich würde Euroanlegern grundsätzlich von Währungsrisiken abraten. Das Risiko ist in Relation zum möglichen Ertrag viel zu hoch”. Fremdwährungsrisiken abzusichern, hält die Volatilität in Schach. Allerdings kann die Währungsabsicherung teuer sein. 

 

Terminhinweis:

Im nächsten envestor Webinar machen wir einen Deep Dive in die Welt der Nachrang-Anleihen. Was es mit den Rendite-Risiko-Eigenschaften dieser Zwitter zwischen Eigen- und Fremdkapital auf sich hat, besprechen wir mit Sascha Peier. Er ist Leiter Anleihen und Senior Portfolio Manager bei der Schweizerischen DCP Client Partners AG.

Wann? 17. Dezember 2024, ab 18 Uhr. Dieser Link führt zur Anmeldungsseite.

Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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