Im zweiten Teil unserer Serie zu Anleihen geben wir eine Übersicht über wenig bekannte Anleihensegmente. Sie bieten attraktive Renditeaufschläge gegenüber Staatsanleihen. Paradoxerweise sind diese Papiere in der aktuellen Marktsituation nicht einmal übermäßig riskant im Vergleich zu „sicheren“ Staatsanleihen. Unsere Übersicht.
Im ersten Teil unserer Serie zu Anleihen haben wir erläutert, warum Anleihen heute attraktive Konditionen bieten. Die Zinsen sind 2022 gestiegen, was viele Anleihenportfolios regelrecht durch den Fleischwolf gedreht hat. Verluste von 15 bis 20 Prozent waren bei vermeintlich sicheren Staatsanleihen die Regel. Woran Altanleger noch zu knapsen haben, erfreut indes Neuanleger: Kreditoren, also Gläubiger, finden seit 2023 gute Konditionen vor, Schuldner müssen seit gut 18 Monaten höhere bis hohe Zinsen bieten. Jetzt kommen wir auf die Details zu sprechen.
Bis weit in dieses Jahr haben Kurzläufer-Rentenfonds wegen der inversen Zinskurve höher rentiert als Langläufer. Diese Situation hat sich heute normalisiert. Anleger werden für länger laufende Anleihen besser für ihre Risiken kompensiert. Aber „besser“ ist nicht unbedingt „gut“. Zehnjährige Bundesanleihen rentieren gerade einmal mit 2,3 Prozent. Die reale Rendite liegt also deutlich unter einem Prozent. Dafür gibt es ordentliche Laufzeitrisiken. So auch bei US-Treasuries,j die mit identischer Laufzeit allerdings immerhin auf 4,2 Prozent Rendite komme. Aber Treasuries bringen ein Währungsrisiko für Euro-Anleger mit sich.
„Anleger haben Anleihen in den vergangenen 15 Jahren links liegen lassen. Bis 2022 war das auch gut so. Heute ist das anders“
Es gibt also gute Gründe, sich mit anderen Anleihenrisiken zu beschäftigen, die Risikoaufschläge gegenüber Staatsanleihen bringen. Viele Anleger haben in Zeiten von Minizinsen den Anleihenmarkt – zu Recht – links liegen gelassen. Die Notenbanken des globalen Nordens hatten Zinsanlagen so unattraktiv gemacht, dass sich die allermeisten Anleger auf Aktien gestürzt hatten, frei nach dem Motto: There is no alternative (Tina). Diese Situation hat sich grundlegend geändert, wie unser kleiner Parforce-Ritt durch die Welt der Spread-Zinspapiere zeigen wird. Aus Praktikabilitätsgründen lassen wir Emerging Markets Bonds, die vielen Anlegern vertraut sind, aus dieser Umschau aus. Wir werden sie zu einem späteren Zeitpunkt ausführlicher behandeln. Anschnallen, es geht los!
Investment Grade: Mäßige Renditen, ordentliche Risiken
Investment Grade Bonds sind Unternehmensanleihen, denen Rating-Agenturen eine hohe Bonität bescheinigen. Diese Papiere halten Ratings ab der Stufe „BBB“ bis zur Höchstnote „AAA“ (wir bleiben der Einfachheit halber in der Rating-Systematik von Standard & Poor’s). Die Spanne reicht also vom BBB-Problemkind Bayer (Stichwort: Monsanto-Belastung) bis zum AAA-Musterschuldner Microsoft. Weil diese Anleihen vor Ausfallrisiken gut geschützt sind, bieten sie in der Regel Renditen, die leicht über denen von Staatsanleihen mit identischen Ratings liegen. Das Kreditrisiko ist also moderat. Aktuell bieten Euro-Bonds Renditen von etwa 4 bis 5 Prozent, vergleichbare US-Investment Grade Bonds kommen wegen des höheren Zinses in den USA auf 5 bis 6 Prozent. Der globale Markt für Investment Grade Bonds ist ziemlich liquide und hat ein Volumen von über 10 Billionen US-Dollar. Die bekannteste Benchmark dieses Segments ist der Index Bloomberg Global Aggregate Corporate.
Wie sieht es mit den sonstigen Risiken aus? Investment-Grade-Anleihen mögen zwar geringe Kredit-Risiken aufweisen, die Laufzeitrisiken sind allerdings recht ordentlich. Bei einer durchschnittlichen Laufzeit von bis zu zehn Jahren liegt die modifizierte Duration bei durchschnittlichen Investment-Grade-Anleihen bei rund sieben Prozent. Jeder Renditeanstieg um ein Prozent zieht also einen Verlust von sieben Prozent nach sich. Der 2022-er Crash führte beim oben erwähnten Bloomberg-Index zu einem Verlust von knapp 17 Prozent. Während qualitativ hochwertige Unternehmensanleihen bei steigenden Zinsen mitunter stark leiden, performen sie in Zeiten sinkender Zinsen zumeist gut. Das liegt nicht nur an den verbesserten Finanzierungskonditionen für Unternehmen, sondern auch daran, dass die Kurse längerfristiger Anleihen dann steigen.
High Yield Bonds: zu Unrecht verschmäht
High Yield Bonds haben auch ein Image-Problem. Sie werden oft, sogar in der Fachsprache, als „Junk Bonds“ bezeichnet, und welcher normaldenkende Mensch würde sich „Müll“ ins Portfolio legen? Wir sprechen deshalb lieber hochverzinsten Unternehmensanleihen mit niedrigerem Kreditrating, kurz: Hochzinsanleihen. Diese Papiere haben Ratings von unter „BBB“. Sie werden von Unternehmen mit schwächeren Bilanzen emittiert und bieten wegen der Ausfallrisiken höhere Zinsen als Unternehmensanleihen mit besseren Kredit-Ratings.
Der globale Markt für hochverzinsliche Anleihen ist deutlich kleiner als der Markt für Investment-Grade-Anleihen. Yield Markt hat ein Volumen von etwa 2,4 Billionen US-Dollar. Aktuell liegen die Renditen für Euro High Yield Bonds bei durchschnittlich 6 bis 8 Prozent, der wesentlich größere Markt für US-Hochzinsanleihen bringt im Schnitt 7 bis 9 Prozent. Welche Risiken schultern Kreditoren? Im Vergleich zu Ausfall-Raten von unter einem Prozent bei Investment-Grade-Bonds liegen die Ausfallraten bei High Yields in der Regel bei 3 bis 5 Prozent.
„Die Risiken von Hochzinsanleihen sind auf den ersten Blick hoch. Bei guten aktiv verwalteten Fonds sind die Ausfälle allerdings minimal“
Allerdings gibt es große Unterschiede: „BB“-Papiere haben historische Ausfallquoten von rund zwei Prozent, deutlich niedriger als die 8-10 Prozent bei schwach bewerteten „CCC“-Emissionen. Allerdings ignorieren viele Anleger die gänzliche andere Kapitalstruktur zwischen Aktien und Anleihen und überschätzen folglich die Risiken von Hochzinsanleihen. Aktive Manager mit großer Expertise haben auch bei CCC-Papieren deutlich niedrigere Ausfallquoten als der breite Markt. Folglich sind Indexfonds bei High Yields, die die schwächsten Schuldner am höchsten gewichten keine besonders gute Erfolgsbilanz gegenüber aktiven Managern, geschweige denn gegenüber den besten Hochzinsmanagern am Markt.
Hochzinsanleihen hängen stärker am Tropf der Konjunktur als Unternehmensanleihen mit höheren Ratings. Folglich leiden die Kurse dieser Papiere stärker in Rezessionszeiten oder in Zeiten konjunktureller Unsicherheit. Allerdings steht hinter der Volatilität von Hochzinsanleihen häufig das Liquiditätsrisiko und nicht unbedingt das Kreditrisiko. Bei steigender Nervosität an den Märkten fallen die Kurse stärker, als es der verschlechterten Bonität naheliegen würde. Hochzinsanleihen punkten dagegen mit geringeren Durationsrisiken, weil diese Papiere typischerweise kürzere Laufzeiten aufweisen. Das Paradebeispiel hierfür war der Bond-Crash 2022. High Yield Indizes verloren deutlich weniger als Investment-Grade-Bonds: Der Bloomberg US Corporate High Yield verlor nur gut 11 Prozent gegenüber seinem Investment-Grade-Pendant, das um 16 Prozent einbrach. Anders sah es 2008 aus. Hier führten die Liquiditäts- und Kreditrisiken zu höheren Verlusten bei High Yields.
CLOs: Anleihen-Performance hoch, Risiken niedrig
Wir kommen zu einem vermeintlich exotischen Bond-Segment, CLOs, oder Collateralized Loan Obligations. Es handelt sich um strukturierte Produkte, die aus einem Pool von Unternehmenskrediten bestehen, die nicht an einer Börse notiert sind. Sie bieten typischerweise höhere Renditen als traditionelle Unternehmensanleihen, da sie komplexer und weniger liquide sind. Wegen dieser Komplexität ist es schwierig, generalisierende Aussagen über die Risiken zu treffen, daher hier eher generalisierende Merkmale:
CLOs sind in verschiedene Tranchen unterteilt, wobei die vorrangigen Tranchen mehr Sicherheit, aber geringere Renditen bieten, während nachrangige Tranchen höhere Renditen bei erhöhtem Risiko aufweisen. Die globale CLO-Marktgröße beträgt etwa 1 Billion US-Dollar, wobei der Großteil auf den US-Markt entfällt. In der aktuellen Hochzinsphase können CLOs Renditen von 7 bis 12 Prozent für vorrangige Tranchen und bis zu 20% für nachrangige Tranchen bzw. das „Equity Piece“ bieten.
Wie auch bei High Yields ist die Marktvolatilität das größte Risiko bei diesen Papieren, wie bei High Yields sind die Durationsrisiken wegen der durchschnittlich kürzeren Laufzeiten der Kredite wie auch bei High Yields relativ gering. Zudem sind die Ausfallraten – für viele Anleger ist das neu – erstaunlich niedrig, zumal nach 2008. Das liegt einmal an der Eigenschaft der Papiere. Die Kredite sind, der Name sagt es bereits, besichert. Zum anderen greift bei CLOs der Zauber der Diversifikation. CLO-Portfolios setzen sich typischerweise aus 150 bis 500 Kreditoren zusammen. Nicht zuletzt wurden nach dem Desaster mit verbrieften Häuserkrediten 2008 die Anforderungen an Rating-Agenturen verschärft. Seit 2008 hat es bei CLO-Tranchen mit „BBB“-Ratings und höher keine (sic!) Ausfälle gegeben.
Vor diesem Hintergrund erstaunt das sehr geringe Angebot an CLO-Fonds am Markt – vermutlich liegt es an dem nachwirkenden CDO-Trauma vieler Anleger aus Zeiten der Finanzkrise. Mehr Sorgfalt bei der Auflösung von Abkürzungen und Akronymen wäre vonnöten!
CAT-Bonds: Mit dem Hurrikan kommen die Prämien
Im Gegensatz zu Unternehmensanleihen sind sogenannte Katastrophen-Anleihen (CAT Bonds) eine kleine Nische am Kapitalmarkt mit einem geschätzten Volumen von 50 Milliarden US-Dollar. Mit diesen Bonds transferieren Versicherer die Risiken von Naturkatastrophe an den Kapitalmarkt. Dafür werden hohe Kupons als Prämien gezahlt, solange kein definiertes Katastrophenereignis eintritt. Die Renditen liegen typischerweise 4 bis 6 Prozentpunkte über dem Geldmarktzins, was aktuell Gesamtrenditen von 8 bis 10 Prozent einbringt.
Neben den üppigen Aufschlägen bieten CAT-Bond-Fonds eine gute Diversifikation, da die Performance weitgehend unabhängig von den Aktien- und den Anleihenmärkten verläuft. Kommt es zu Erdbeben oder Wirbelstürmen, kann ein Teil des Kapitaleinsatzes verloren gehen. Der Großteil des Marktes betrifft Risiken in den USA und hier vor allem Schäden, die durch Wirbelstürme verursacht werden. So hat der Hurrikan „Milton“ bei etlichen CAT-Bond-Fonds für Preisabschläge gesorgt. Die fielen allerdings ziemlich gering aus. Außerdem sind die Schäden durch Naturkatastrophen von heute die Voraussetzungen für die Anleger-Performance von morgen. Nach der Hurrikan-Saison werden typischerweise die Prämien für das darauffolgende Jahr ausgehandelt, und wenn hohe Schäden anfallen, werden die Prämien für Versicherungen erhöht – aund damit die Kupons für Anleger in CAT-Bonds (und CAT-Bond-Fonds).
Nachranganleihen: Vorfahrt für die Performance
Nachranganleihen sind Schuldverschreibungen, die im Insolvenzfall erst nach den vorrangigen Verbindlichkeiten bedient werden. Diese Anleihen bewegen sich also auf der Achse zwischen Eigen- und Fremdkapital in Richtung Eigenkapital. Aufgrund dieses höheren Risikos bieten sie höhere Renditen als Senior-Anleihen.
Wie auch bei den anderen Marktsegmenten ist der Markt für Nachranganleihen vielfältig, weil es unterschiedliche Senioritätsstufen gibt und die Risiken je nach Sektor unterschiedlich ausfallen. Besonders attraktiv sind typischerweise Nachranganleihen von Versicherungen, weil die Risiken aufgrund strenger Solvabilitäts-Richtlinien relativ niedrig und die Renditen dennoch ordentliche Aufschläge gegenüber Staatsanleihen bieten – häufig rangieren diese zwischen 7 und 10 Prozent.
Eine Sonderform der Nachrang-Anleihen sind sogenannte CoCo-Bonds (steht für Contingent Convertible Bonds). Diese Nachranganleihen werden von Banken ausgegeben. Sie können in Aktien umgewandelt oder abgeschrieben werden, wenn das Eigenkapital der Bank unter eine bestimmte Schwelle fällt. Hier sind die Risiken höher – wie auch die Renditen, die in der Spitze im niedrigen zweistelligen Prozentbereich liegen.
In einer envestor Webinar-Reihe werden wir in den nächsten Wochen in Experten-Interviews Anlegern die Nischen am Anleihenmarkt näher bringen. Die genauen Termine werden wir im envestor Newsletter bekannt geben. Anmeldung zu unserem kostenlosen Newsletter hier.
Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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