DAX kontra S&P 500

In unserer Rubrik (Fast) Ohne Worte geht es um ein ungleiches Duell: DAX kontra S&P 500. In den vergangenen 12 Monaten hat das hässliche Entchen dem glamourösen Star der ETF-Manege den Schneid abgekauft. Old Europe sticht S&P – und bisher hat das kaum jemand gemerkt. Die Story hinter unserem Chart der Woche. 

Unser Chart, um den es heute geht, zeigt die ungleiche Entwicklung zweier Indizes in den vergangenen 12 Monaten: DAX kontra S&P 500. Der DAX konnte in den vergangenen 12 Monaten um gut zehn Prozent zulegen; dagegen brach der S&P 500 um 6,7 Prozent ein. Das ergibt eine Differenz von knapp 17 Prozentpunkten. 17! Prozentpunkte! Dass der DAX seit gefühlt Jahrhunderten dem S&P hinterherhinkt, macht die Underperformance des US-Börsenbarometers seit März 2022 umso bemerkenswerter. In den vergangenen 15 Jahren sind US Aktien den europäischen Pendants enteilt. Dahinter stand die Giga-Rendite, die US-Technologieplattformen wie Alphabet, Meta, Apple, Amazon, Netflix und viele andere Growth-Unternehmen erzielten. Die Outperformance von US-Aktien stand zugleich für die Überlegenheit der US-Plattformökonomie, derweil Europa Anlegern mit Dieselbetrügern, Euro-Südbanken und Wirecard die Performance vermieste. 

DAX kontra S&P 500: Old Europe obsiegt

DAX kontra S&P 500: Old Europe obsiegt

Spitzfindige Beobachter mögen bemängeln, dass der obere Chart die Performance der jeweiligen Heimatwährung widerspiegelt und dass die Performance von Euro-Anlegern in Euro umgerechnet wird. Gemach. Die Performance des S&P 500 in Euro umgerechnet ergibt immer noch eine DAX-Outperformance von 12 Prozentpunkten. Greenback-Stärke hin oder her. Übrigens hat der DAX damit über Bande einen noch größeren Rivalen ausgestochen: den MSCI World. In der Spitze hatte der Weltindex 2021 einen USA-Anteil von rund 70 Prozent. Der Einbruch beim S&P 500 führte also zwangsläufig zum Einbruch beim MSCI World, dem heiligen Gral der ETF-Anleger. Die scharfe Underperformance von US-Aktien 2022 hat dazu geführt, dass auch auf Zweijahressicht der DAX deutlich vor dem S&P 500 liegt. 

Satteln ETF-Anleger demnächst um?

Wird das Konsequenzen für Anleger haben? Das ist eine spannende Frage. Man muss wissen, dass der MSCI World und der S&P 500 die beliebtesten Indizes für ETF-Anleger in Europa sind. ETFs auf den S&P 500 und den MSCI World sind im Zuge der Dominanz der US-Plattform-Ökonomie fett geworden – und haben Anlegern in Deutschland seit 2010 eine grandiose Performance beschert. Die Deutschen wurde gewissermaßen zum bestmöglichen Zeitpunkt der Home Bias ausgetrieben. Kommt jetzt das große Umdenken? Werden Anleger die 1980-er Jahre wieder aufleben lassen, in denen der DAX einige Jahre US-Aktien hinter sich ließ? 

Europa-Fans müssen nun stark sein. Es hat sich nichts Wesentliches geändert. Die US-Wirtschaft ist größer, resilienter, innovativer, weniger reguliert, hat die überragende militärische Macht der USA hinter sich und wird mit der Weltreservewährung finanziert. Was wir in den vergangenen 12 Monaten gesehen haben, war eine gesunde Korrektur eines viel zu hoch bewerteten Marktes. Es erging den großen US-Plattformen so, wie es allen Quality Aktien in einer Korrektur geht: irgendwann erwischt es auch sie. Einige wenige Analysten – unter ihnen auch wir – haben schon länger vor der US-Unwucht im MSCI World gewarnt. Diese Warnung ist eingetreten, aber wer will ernsthaft behaupten, dass deutsche Legacy-Autobauer, britische Rohstoffunternehmen und französische Telekoms die nächsten Innovationstreiber der Weltwirtschaft sein werden? Linde und ARM sind nur zwei Beispiele von Giga-Konzernen, die das anders sehen und in die USA auswandern. Genießen wir also die Sternstunde des DAX, so lange sie andauert. Schon morgen könnten für heimatfixierte Anleger wieder Sauerbier und Schwarzbrot angesagt sein.

Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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