Fondsmanager und Vertrieb schimpfen unisono auf ETFs. Doch auf Beraterseite wird das Stimmchen leiser und leiser. Im deutschen Finanzvertrieb kündigen sich tektonische Verschiebungen an.
Es fühlte sich eigentlich vertraut an auf der Vermögensverwalter-Konferenz, die ich in der vergangenen Woche besucht habe. Wie auf derartigen Veranstaltungen üblich, prangerten Fondsmanager den Aufstieg von ETFs an, die immer mehr zum Investmentvehikel der Wahl für Investoren werden. Auch Starfondsmanager Bert Flossbach räumte mit der – tatsächlich irrigen – Annahme auf, dass Anleger „passiv“ handeln würden, wenn sie in ETFs investieren. Es gab kräftigen Applaus von den versammelten Vermögensberatern und Bankern. Und dennoch war nicht alles wie immer: ETF-Bashing verkommt immer mehr zum hohlen Ritual. Warum?
Immer mehr Berater stellen ihre Geschäftsmodelle um und sind nicht abhängig von den Provisionen, die Fondshäuser ihnen aus den Gebühren ihrer Fonds abzwacken. Immer mehr Vertriebe lassen sich von ihren Kunden bezahlen.
„Fondshäuser werden die Gebühren ihrer Fonds deutlich senken müssen - und sich auf Produkte beschränken, die in der Lage sind, einen Mehrwert gegenüber ETFs zu liefern“
Diese tektonische Verschiebung war auch auf der Konferenz bemerkbar. Ja, natürlich spendet man dem rhetorisch brillanten Bert Flossbach Applaus – und wendet sich dann beim Networken in der Pause drängenden Themen zu: Welche Depotbanken bieten noch einen adäquaten Service? Was kommt auf die Märkte in der Trump-Ära 2.0 zu? Welche Vermögensbausteine setzen die Kollegen bei Anleihen ein? Welcher Europa-ETF ist der beste? Whud? Was auf den ersten Blick erstaunt, ist auf den zweiten logisch: Wer sich vom Kunden bezahlen lässt, will für ihn die beste Rendite rausholen. Die liefern oft, nun ja, das hat sich auch im deutschen Finanzvertrieb herumgesprochen, ETFs. Zumindest auf der Aktienseite. Gerade bei großen Märkten wie Welt, USA, Europa.
Fondsmanager mögen auf ETFs schimpfen, aber die Berater-Karawane zieht weiter. ETFs sind längst in der Welt des Finanzvertriebs angekommen. Berater finden sich immer häufiger auf der Seite des Anlegers wieder – die unheilige Allianz zwischen Fondsmanagern und Vertrieb geht absehbar dem Ende entgegen. Die Konsequenz ist für die Fondshäuser schmerzlich. Sie werden die Gebühren ihrer Fonds deutlich senken müssen und sich zudem auf Produkte beschränken, die in der Lage sind, einen Mehrwert gegenüber ETFs zu liefern. Das ist zumindest auf der Aktienseite schwierig. Es wird einsamer um aktive Fondsmanager. Ihnen weht ein eisiger Wind ins Gesicht. Und der wird immer stärker, so, wie es in den USA schon lange der Fall ist. Dort sind die Gebühren aktiver Fonds schon seit Jahren im freien Fall.
Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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