Die Magnificent Seven schießen die Performance-Lichter aus. Die Bewertungen steigen, und viele Growth-Anleger fragen sich, ob es Alternativen gibt. Wir haben für Growth-Investoren jenseits der Magnificent Seven gesucht und zumindest Ergänzungen gefunden – an einem unvermuteten Ort.
Die Magnificent Seven stehen für die spektakulärsten Renditen der vergangenen Jahre. Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla haben die Performance von US-Aktienindizes erst so richtig nach oben gepuscht. In diesem Jahr haben die „Mag 7“ 40 Prozent der Rendite des S&P 500 ausgemacht. In den vergangenen 12 Monaten waren es sogar 54 Prozent der Index-Performance. Inzwischen machen die Top zehn Aktien im US-Leitindex gut 32 Prozent aus. Das ist ein historisch hohes Niveau. In diesem Beitrag wollen wir zunächst ermitteln, ob Konzentrationsrisiken am US-Aktienmarkt ein Problem sind und wo es für Growth-Anleger Anlagealternativen gibt.
Um zu ermitteln, ob die Magnificent Seven ein Konzentrationsproblem für Anleger in US-Aktien darstellen, müssen wir zunächst die Frage beantworten, ob die Konzentration der großen Unternehmen im S&P 500 ein außergewöhnliches Phänomen ist. Wie die untere Grafik, die einige bekannte Indizes abbildet, zeigt, ist der DAX mit Abstand der konzentrierteste Index. Die Top-10-Werte machen gut 60 Prozent des Indexgewichts aus. Im britischen FTSE 100 und dem US-Nasdaq 100 sind die Top-Aktien je mit knapp 50 Prozent vertreten. Es folgen der Euro Stoxx 50 und der Nikkei 225. Erst danach kommt der S6P 500. Der Verlauf der unteren Grafik zeigt allerdings auch, dass die Konzentration der größten Aktien in den meisten Indizes in den vergangenen zehn Jahren zugenommen hat.
Gewichtungen der Top-10-Indexbestandteile im Zeitverlauf in Prozent (Monatsdaten) Stand: 28.2.2024, Quelle: Morningstar
Magnificent Seven: Konzentrations- und Bewertungsrisiken
Das bringt uns zur Frage, ob sich die Aktienkurse der Magnificent Seven in einer spekulativen Blase befinden. Einerseits sind Alphabet, Amazon und Co. zweifelsohne teuer: Sie bringen es im Schnitt auf ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 25,1 auf Basis der nächsten 24 Monaten, wie Goldman Sachs Investment Research schätzt. Die Bewertung des US-Aktienmarkts insgesamt ist auf einem Niveau wie zuletzt auf dem Höhepunkt der Dot-Com-Blase Anfang des Jahrtausends. Typischerweise sind hohe Bewertungen ein guter Gradmesser dafür, dass die zukünftigen Renditen unterdurchschnittlich ausfallen werden.
Die andere Frage ist allerdings, ob sich die Mag 7 in einer spekulativen Blase befinden. Im Einzelnen mag das sein. Tesla ist mit einem KGV von 40 ziemlich teuer, und die Konkurrenz durch andere EV-Anbieter groß. Aber das 2-Jahres-Forward KGV von Alphabet liegt gerade einmal bei 16, das von Meta bei 21. Nvidia, der Star der Manege, hat gerade auf seiner jährlichen Konferenz von prall gefüllten Orderbüchern bis 2026 berichtet. Dafür erscheint das Fwd-KGV von 31 nicht maßlos. Blickt man zum Schluss auf die historischen Vorbilder, relativieren sich die aktuell erhöhten Bewertungen.
Quelle: Goldman Sachs
Ein Blick auf die führenden Tech-Unternehmen im Jahr 2000 ergibt ein ganz anderes Bild. Microsoft, Cisco, Intel, Oracle, IBM, Lucent und Nortel Networks hatten damals ein Durchschnitts-KGV (wiederum: auf Basis der geschätzten 24-Monatsgewinne) von 52. Das Tesla von damals war Cisco, hatte allerdings kein KGV von 40, sondern 102. IBM war damals mit einem KGV von 23,5 das günstigste Unternehmen der 2000-er Tech-Champions.
Das Bubble-Argument wird auf dem Hintergrund des Anteils von Tech-Aktien von über 30 Prozent am US-Aktienmarkt angeführt. Allerdings ist es historisch gesehen üblich, dass die größte Branche einen hohen Anteil am Gesamtmarkt hat – Aktuell hat die Tech-Branche denselben Anteil an der US-Marktkapitalisierung wie die Energiebranche in den 1950-er Jahren. Zwischen 1850 und 1920 hatte die Transport-Branche einen viel höheren Anteil, und zuvor galt das für Banken und Immobilienunternehmen, wie Goldman Sachs ermittelt hat.
Zwei Alternativen zu den Magnificent Seven
Anleger müssen also ungeachtet der Dominanz der Magnificent Seven in den USA nicht beunruhigt sein, dass sie in den USA in eine Blase hineininvestieren. Allerdings machen USA-Aktien inzwischen rund 70 Prozent des Gewichts des MSCI World Aktienindex aus. Einen ordentlichen Anteil von US-Tech-Aktien im USA-Aktienportfolio zu halten ist das Eine, das Andere ist, dass auch viele Growth-Anleger aus Europa keinen derartigen Schwerpunkt setzen möchten. Sie möchten diversifizieren, und das zu Recht.
Das Problem ist, dass Growth Anleger mit Investments am heimischen Markt einen aus ihrer Sicht unappetitlichen Beifang machen. Sie finden reichlich Energie-, Tabak- und Rohstoff-Aktien in den klassischen Europa-Portfolios vor. Zyklischer Konsum in Gestalt u.a. deutscher Autohersteller ist ebenfalls wenig attraktiv für Wachstums-Fans, wie auch Telekoms und Konzerne aus der klassischen Industrie. Europa in der Breite ist etwas für Value-Anleger, die hohe Dividendenrenditen anstreben. Wer Wachstum in Europa einfangen möchte, findet eine konzentrierte und eine diversifizierte Möglichkeit vor.
From Goldman Sachs with Love: Granolas
US-Investmentbanken bleiben ihren Prinzipien treu und hübschen immer wieder ihre Anlageideen mit Akronymen auf. „Granolas“ ist eine Kreation von Goldman Sachs aus dem Jahr 2020. Hinter dem Akronym stehen die Aktien von GSK, Roche, ASML, Nestlé, Novartis, Novo Nordisk, LÒreal, LVMH, AstraZeneca, SAP und Sanofi (aufmerksame wie penible Geister werden einwenden, dass es daher eigentlich Grannnllass heißen muss). Als gemeinsamen Nenner hatten die Goldmänner und -frauen damals ein solides Gewinnwachstum, eine geringe Volatilität, hohe und stabile Margen, starke Bilanzen und die Fähigkeit, nachhaltig Dividenden auszuschütten identifiziert.
Das Problem an derartigen Akronymen ist, dass ihnen der Zahn der Zeit zusetzt. Wer sich die Top-Aktien von vor 30, 40 oder 50 Jahren in Erinnerung ruft, wird feststellen, dass viele kaum noch eine Rolle spielen. Nur 10 Prozent der Unternehmen in der Fortune 500 Liste aus dem Jahr 1955 sind dort heute noch vertreten. Ein Beispiel jüngeren Datums ist das Anlagekonzept der „Bric(s)“, an das sich kaum jemand erinnern mag – Brasilien und Indien mögen vielversprechend sein, aber China, Russland und das im Chaos versinkende Südafrika mag wohl kaum einer in seinem Portfolio verewigen. (Auch „Mist“-Investments, die aus Mexiko, Indonesien, Südkorea und die Türkei bestehen, sind Käse. Das Konzept ist schlicht zu starr weil eng begrenzt.)
Europa-Aktien: Die Lösung heißt Quality
Weniger krude verfährt, wer statt auf die wörtlichen „Granolas“ deren Eigenschaften unter die Lupe nimmt: Bilanzqualität, Eigenkapitalrenditen, hohes Gewinnwachstum, Wettbewerbsvorteile, die in der Sprache von Warren Buffett als Economic Moats bezeichnet werden. Der Indexanbieter MSCI berechnet anhand der drei Merkmale ROE, Gewinnwachstum und niedrige Verschuldung seine Quality Benchmarks. Wer hiernach vorgeht und auf Europa blickt, landet u.a. bei Aktien wie ASML, LVMH, Novo Nordisk, Novartis, AstraZeneca, Nesté, Roche, Unilever, L’Òreal und Schneider Electric. Darunter befinden sich einige Granolas von heute, aber es handelt sich um dynamisches Konzept. In Quality-Portfolios finden sich oft Healthcare-Aktien, die Hersteller alltäglicher Konsumgüter sowie Luxusprodukte, weniger dagegen Aktien aus den Sektoren Energie, Telecoms, Rohstoffe oder Versorger.
Der Quality-Faktor ist vor allem in Märkten wie Europa eine interessante Ergänzung zu marktbreiten Indizes, die hier einen Schwerpunkt auf zyklischen Aktien haben und relativ wenige wachstumsstarke Unternehmen aufweisen. Im Gegenzug müssen Anleger eine höhere Marktkonzentration in Kauf nehmen, vor allem aber hohe Bewertungen. Der MSCI Europe Quality weist ein Durschnitts-KGV von 19 auf, verglichen mit 13,2 beim Stammindex MSCI Europe. Dafür stand beim Quality-Index unterm Strich eine annualisierte Mehrrendite von mehr als 250 Basispunkten seit 2013 gegenüber dem MSCI Europe.
In einem ohnehin wachstumsstarken Markt wie den USA erscheint ein Quality Investment dagegen von fraglichem Mehrwert: Mit einem KGV von 24 (fwd) gegenüber einem KGV von 21 beim Hauptindex sind die Bewertungen noch ambitionierter und die Dominanz von Tech-Werten – knapp 38 Prozent – noch größer. In Zeiten, in denen die Magnificent Seven ohnehin den S&P dominieren, bringen Quality-Strategien in den USA keine Ergänzung, sondern potenzieren das Risiko.