Marktbilanz 2023

Marktbilanz 2023 und die Lektionen für Anleger

Bevor wir zum Alltag des neuen Jahres übergehen, ziehen wir eine Marktbilanz 2023. Wie sah die Performance der großen und kleinen Asset-Klassen aus, welche Investment-Stile lieferten die beste Rendite, und – noch wichtiger – welche Lektionen wir aus der Performance 2023 ziehen sollten. 

Wohl kaum ein Anleger hätte sich Anfang 2023 träumen lassen, dass auf das Desaster 2022, als so ziemlich alle Risiko-Anlagen einbrachen, zweistellige Gewinne bei (fast) allen wichtigen Aktienindizes folgen würden. Insbesondere Growth-Fans erlebten 2023 unverhofft einen Performance-Frühling: Der Nasdaq 100 legte um gut 55 Prozent zu. Das war für diesen Index die beste Jahresbilanz seit 1999, einer Zeit, als noch die naiven Internet-Träumereien zu Geschäftsmodellen hochgejazzt worden waren. Fast unvorstellbar aus heutiger Sicht: 2022 hatte der Growth-Auswahl-Index noch um rund ein Drittel nachgegeben.

Auch Cathie Woods Ark Innovation ETF vollbrachte Großes: Der in den USA gelistete ETF schoss 2023 um gut 67 Prozent nach oben, nachdem er im Jahr zuvor dieselbe Performance unter umgekehrten Vorzeichen verbucht hatte. Der MSCI World gewann knapp 24 Prozent, der DAX erwirtschaftete ein Plus von gut 20 Prozent und selbst breit diversifizierte Euro-Anleihe-Indizes gewannen über 7 Prozent. 2023 war also genau das Spiegelbild der Entwicklung des Vorjahres.

Rollen wir nun in gebotener Kürze die Marktentwicklung für Euro-Anleger auf, und zwar angefangen von der obersten Ebene: was haben MSCI World, DAX und Co. für Euro-Anleger eingebracht? Diese Rechnung ist nicht eine Wiederholung der oberen Zahlen, denn die großen globalen Indizes (MSCI World) notieren teilweise oder ganz (Nasdaq, S&P 500, FTSE 100, Nikkei 225) in Fremdwährungen. Das bringt für Anleger in Deutschland eine andere Performance-Komponente ins Spiel.

Bei den Märkten, die in Dollar notieren, blieben 2023 für Euro-Anleger rund 5,2 Prozentpunkte auf der Strecke. Der Nasdaq 100 warf also für heimische Anleger keine 55 Prozent, sondern nur knapp 50 Prozent ab. Der S&P 500 legte aus der Perspektive von US-Anlegern um 26,3 Prozent zu, aus unserer Sicht im Euroraum dagegen um nur 22 Prozent. Grund hierfür ist die Dollar-Schwäche im vergangenen Jahr. Entsprechend dem hohen US-Anteil lag das Plus beim MSCI World währungsbereinigt bei 19,6 Prozent im vergangenen Jahr. (Auch der schwächere Yen half hier nicht; indes notierte das britische Pfund stärker, was wiederum einen Performance-Schub für brachte.)

Das alles klingt nach Petitessen: Was machen fünf Prozentpunkte schon für einen Unterschied, wenn der zugrundeliegende Markt um 55 Prozent zulegt? Was im Fall des Nasdaq 100 tatsächlich eine Marginalie darstellt, ist anderswo schon beachtlich: Fünf Prozent mehr oder weniger machen mitunter die Rendite eines ganzen (eher mittelprächtigen) Aktienjahres aus. Für die Galerie: Aus Sicht deutscher Anleger konnte der DAX mit einem Plus von 20,3 Prozent den MSCI World um 70 Basispunkte übertreffen – keine schlechte Bilanz für einen piefigen Value-Index! Kommen wir nun zu den großen Märkten: Aktien, Anleihen, Rohstoffe, Gold, Kryptos.

Marktbilanz 2023

Rendite in Prozent; fünf Jahres-Performance annualisiert, in Prozent und in Euro, Quelle: Morningstar

Marktbilanz 2023: Aktien, Anleihen, Gold, Kryptos

Wie die obere Tabelle zeigt, konnten Anleihen 2023 auch zulegen – allerdings in ungleichmäßigen Umfang. Stockkonservative Bunds – hier in Gestalt des RexP – legten um 3,6 Prozent zu. Dagegen konnte der Gesamtmarkt-Index Bloomberg Euro Aggregate Bond um beachtliche 7,2 Prozent zulegen. Hier machte sich der positive Einfluss der Euro-Südländer bemerkbar, deren Anleihen von einer Spread-Einengung gegenüber Bundesanleihen profitierten. 2023 haben Anleger nicht länger hohe Risikoaufschläge als Kompensation für Spanien- oder Italien-Anleihen verlangt. Das globale Anleihen-Pendant des Euro-Index, der Bloomberg Global Aggregate TR, stieg aus Sicht von Euroanlegern um nur 2,1 Prozent. Ohne entsprechende Währungskonversion hätte das Plus bei dem Dollar-geprägten Index bei 5,7 Prozent gelegen. Globale Unternehmensanleihen mit Investment-Grade-Rating stiegen um 5,9 Prozent aus Sicht von Euro-Anlegern (9,6 Prozent aus Dollar-Perspektive).

2023 war ungeachtet der Risikofreude der Anleger ein gutes Jahr für Gold: Aus Sicht von Euro-Anlegern sprang ein Plus von zehn Prozent heraus.

Schwellenländer-Investments haben sich auch 2023 nicht rentiert. Der MSCI Emerging Markets erwirtschaftete für Euroanleger ein Plus von 6,1 Prozent, das waren 13 Prozentpunkte weniger, als beim MSCI World heraussprangen. Die Schere hat sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich ausgeweitet: Einem mageren Plus von 3,8 Prozent p.a. bei MSCI EM steht eine Rendite von 13 Prozent beim MSCI World entgegen. Der Grund lässt sich in erster Linie auf die fortdauernde Korrektur bei China-Aktien zurückführen, die seit 2021 unter der erratischen Wirtschaftspolitik der chinesischen KP leiden. Sicher nicht geholfen hat die Abschreibung russischer Aktien auf null nach Verhängung der Sanktionen gegen das Putin-Regime nach Beginn der umfassenden Invasion der Ukraine.

Im Jahr 2023 durften sich die sogenannten Hodler bestätigt sehen. Das sind Menschen, die Bitcoin niemals verkaufen, egal, wie kalt der Krypto-Winter ausfallen mag. Kryptos brachen massiv noch oben aus: Ein beliebter Bitcoin-Tracker stieg um über 167 Prozent; ein Ether-Tracker legte um 94 Prozent zu.  2023 war eigentlich nur für Rohstoff-Anleger ein schlechtes Jahr. Diese glänzende Bilanz bei Risiko-Anlagen lässt sich mit dem Begriff „everything rally“ zusammenfassen. Doch steigen wir nun eine Stufe tiefer hinab: Was passierte bei Nebenwerten und Stil-Investments wie Growth und Value, Quality, SRI und Momentum?

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Rendite in Prozent; fünf Jahres-Performance annualisiert, in Prozent und in Euro, Quelle: Morningstar

2023 war das Jahr der Magnificent Seven

Wie aus der oberen Tabelle hervorgeht, hatten USA-Growth-Aktien bei Style-Investments 2023 die Nase vorn. Value Aktien aus den USA fielen massiv ab: Die beiden MSCI-Stil-Indizes lagen um über 35 Prozentpunkte auseinander.

Wegen des hohen USA-Gewichts konnte auch der MSCI World Growth Index um 32,4 Prozent aus Sicht von Euro-Anlegern stark zulegen. Weit dahinter kamen europäische Wachstumsaktien. Der MSCI Europe Growth legte um 14,5 Prozent zu. Günstig bewertete Substanz-Aktien hinkten weltweit Growth hinterher. Der MSCI USA Value stieg um magere 4,7 Prozent aus Sicht von Euro-Anlegern. Der MSCI World Value stieg um 7,7 Prozent, und der MSCI Europe Value legte um 14,2 Prozent zu. Getrost hierzu lässt sich auch der britische FTSE 100 zählen: Der inzwischen wohl unbeliebteste europäische Markt warf aus Sicht von Euro-Anlegern beachtliche 10,5 Prozent ab, was auch an der relativen Stärke des britischen Pfunds lag.

Das Growth-Value-Paradigma findet sich auch in der Performance der SRI-, Quality-, Momentum- und Dividenden-Indizes wieder: Weil die großen Tech-Unternehmen zugleich Cashflow-Maschinen sind, sind sie im MSCI Quality stark repräsentiert. Und weil Tech-Werte typischerweise eine überdurchschnittlich gute ESG-Bilanz haben, sind sie auch in SRI-Indizes übergewichtet. Dividenden-Indizes fischen indes vor allem in Value-Segmenten (Unternehmen aus saturierten, langsam wachsenden Branchen sind in der Regel die, die Anlegern besonders viel Geld zurückgeben.)

Bevor sich Anleger jedoch entnervt von Value-Werten abwenden: In Europa ist die Value-Bilanz der vergangenen fünf Jahre nicht vergleichbar schlecht wie in den USA: Während der MSCI Europe Value seit Anfang 2019 um jährlich 6,9 Prozent stieg, legte der MSCI Europe Growth um 9,8 Prozent jährlich zu. Dieser Unterschied ist nicht so markant wie in den USA, wo Growth-Benchmarks in den letzten fünf Jahren um bis zu zehn Prozentpunkte jährlich mehr zulegten. In den USA machte sich der Einfluss der „Magnificent Seven“ (Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla) bemerkbar.

Europa hat dagegen im Tech-Bereich nicht so viel vorzuweisen, ja, die Entscheidung von Chip-Bauer Arm, sein Listing in New York und nicht in London vorzunehmen, zeigt, dass die USA unverändert eine Sogwirkung entfalten. Kein anderer Markt weist eine derartige Tiefe auf. Europa, lässt sich inzwischen dagegen (bis auf Pharma und die Luxusgüterbranche) als Value-Markt bezeichnen. Was allerdings nicht eine Outperformance ausschließt, wie das Beispiel 2022 zeigt, als der FTSE 100 wegen des hohen Anteils an Öl- und Rohstofffirmen sogar im Plus lag, derweil der Nasdaq 100 fast ein Drittel seines Wertes einbüßte.

Nebenwerte sind heute fast überall Value

Kommen wir abschließend zu Nebenwerten. Kleine und mittlere Unternehmen hatten an der Börse im Jahr 2023 erneut das Nachsehen gegenüber Standardwerten. In den USA stieg der Russell 2000 stieg um 13 Prozent, während der Standardwerte-Index Russell 1000 um 22,2 Prozent zulegen konnte. Interessant ist, dass 2023 in den USA Small Caps besser liefen als mittelgroße Werte, was im Kontrast zur langjährigen Entwicklung steht. In Europa sah das Bild etwas anders aus: Mid Caps liefen besser als Small Caps, aber beide Nebenwerte-Kategorien hinkten Standardwerten hinterher. Eine markante Ausnahme zeigte sich bei Emerging Markets. Hier lag der Nebenwerte-Index um sagen und schreibe 13,5 Prozentpunkte vor dem Standardwerte-Index. Hier finden sich allerdings kaum Anleger aus Europa. Hier zeigt sich der Mehrwert diversifizierter Portfolios.

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Rendite in Prozent; fünf Jahres-Performance annualisiert, in Prozent und in Euro, Quelle: Morningstar

Was die Marktbilanz 2023 gerade nicht aussagt

Wo hinterlässt uns das vergangene Jahr? Die Erkenntnis, dass Märkte kurzfristig vollkommen unberechenbar sind, sollten wir auch als realistische Möglichkeit für dieses Jahr im Blick behalten. Dominierten Ende 2022 die Kassandrarufe, die Schlimmes befürchten ließen und die unberechtigt waren, so haben ein Jahr später die Investmentbanken in ihren Jahresausblicken ein eher rosiges Bild gemalt. Im Schnitt gehen die Wallstreet-Auguren davon aus, dass in den USA 2023 keine Rezession droht, die Inflation dennoch besiegt und die US-Notenbank die Zinsen deutlich senken wird. Das könnte eintreten. 

Es könnte aber auch ganz anders kommen: Schwächelt der US-Verbraucher, bleibt die chinesische Wirtschaft erneut in den Startlöchern stecken und hält sich zugleich die Inflation auf relativ hohem Niveau, dann werden die Unternehmensgewinne leiden und die US-Fed dürfte dennoch nicht in dem Maße die Zinsen senken, wie es am Markt erwartet wird. Einen Vorgeschmack haben wir in den ersten Handelstagen des neuen Jahres erleben dürfen. Die Apple-Aktie verlor 5 Prozent, Cathie Woods Ark ETF brach um gut 6,5 Prozent ein, ebenso ginge es bei den meisten Growth-, Tech- und Nebenwerte-Benchmarks kräftig gen Süden. Die Renditen an den Anleihenmärkten stiegen ebenfalls merklich (wenn die Renditen steigen, fallen die Kurse).

Der Anlass dieser Nasenstüber? Die Protokolle der letzten Sitzung der US-Notenbanker vom Dezember 2023 wurden veröffentlicht und aus ihnen geht hervor, dass Zinssenkungen kurzfristig nicht zu erwarten sind. Es wurde damit das bestätigt, was eigentlich jeder den vielen Statements von Fed-Chef Jerome Powell im letzten Jahr hätte entnehmen können. Dass die Märkte so markant auf eine Binse reagieren, zeigt, dass die Fallhöhe der Märkte 2024 mutmaßlich höher ist als ihr Aufwärtspotenzial.

Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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