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Michael Saylor Bitcoin

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Michael Saylors irres Bitcoin-Casino

Michael Saylor dreht das große Bitcoin-Rad. Der CEO von Strategy treibt mit Giga-Käufen den Bitcoin-Preis und pimpt damit den Aktienkurs des ehemaligen Softwareunternehmens. Immer mehr Nachahmer steigen in den Ring, unter anderem ein bekanntes Meme-Stock-Unternehmen. Wie lange kann das irre Bitcoin-Casino gutgehen?

Die Illusion, Gewinne aus dem Nichts schaffen zu können, ist ein untrügliches Anzeichen einer Blase. Das schließt nicht aus, dass Spekulationswellen eine ganze Weile gutgehen können. In den 1990er-Jahren konnten Unternehmen ohne Geschäftsmodell gedeihen, solange Anleger bereit waren, über Luftnummern hinwegzusehen. Doch wehe, der Kaiser wird als nackt entlarvt.

Doch so weit ist es mit Strategy noch nicht. Das einst unscheinbare Softwareunternehmen namens MicroStrategy hat sich in den vergangenen Jahren zur größten Bitcoin-Holding der Welt entwickelt. Unter der Führung von Michael Saylor setzt das Unternehmen alles auf die Bitcoin-Karte: Es nimmt Milliarden an Schulden auf, gibt neue Aktien und Wandelanleihen aus, um mit dem frischen Kapital immer mehr Bitcoin zu kaufen. Dieses ungewöhnliche Geschäftsmodell war bisher aus Sicht der Anleger extrem erfolgreich. Wer Anfang 2024 die Aktie zu 68,50 Dollar kaufte, hat bis gestern ein Plus von 470 Prozent gemacht. Die Aktie notierte am 10. Juni an der Nasdaq bei 391 Dollar. Kein Wunder, dass die Strategie von Strategy-CEO Michael Saylor Nachahmer auf den Plan gerufen hat: Immer mehr Trittbrettfahrer mutieren zu Krypto-Holdings. Das hat auch Folgen für Fondsinvestoren, die sich fragen, ob sie in Krypto-Aktienfonds investieren sollen.

Strategy hält aktuell rund 553.555 Bitcoins. Diese sind etwa 52 Milliarden Dollar wert. Die Marktkapitalisierung des Unternehmens liegt jedoch bei fast 100 Milliarden Dollar – also fast doppelt so hoch wie der Wert der gehaltenen Bitcoins. Der Rest? Eine Mischung aus Hoffnung, Spekulation und dem Glauben, dass Strategy mehr sei als nur ein Bitcoin-Speicher.

Das Drehbuch des Bitcoin-Leverage

Das Drehbuch hinter dem Plan von Strategy-CEO Saylor: Das Unternehmen nutzt die Euphorie am Kryptomarkt, um mit neuen Schulden und Aktienverkäufen weiteres Kapital einzusammeln. Mit diesem Geld werden neue Bitcoins gekauft, was wiederum den Kurs der Kryptowährung nach oben treibt – und damit auch den Wert der eigenen Bilanz und die Marktkapitalisierung.

Im vergangenen Jahr war Strategy der größte Bitcoin-Käufer am Markt mit 257.000 Bitcoins. Inzwischen hält Saylors Unternehmen rund 2 Prozent der maximal möglichen 21 Millionen Bitcoins. Die Folge: ein sich selbst verstärkender Kreislauf, der den Bitcoin-Preis und die Strategy-Aktie nach oben schraubt. Solange immer neue Investoren bereit sind, die Aktie zu kaufen, funktioniert das System – doch was passiert, wenn der Zustrom versiegt? Das dürfte irgendwann so kommen, doch vermutlich erst in einer Weile.  Vorhang auf für die Nachahmer!

Copycats oder das Comeback der Meme Stocks

Strategys „Bitcoin-Standard“ hat längst Nachahmer gefunden – und das weltweit. Jüngstes Beispiel ist Metaplanet, ein Hotelentwickler aus Japan, der sich vom Immobiliengeschäft verabschiedet hat. Das Unternehmen nennt sich nun die „Bitcoin Treasury Company“ und will für 5,4 Milliarden Dollar Bitcoin kaufen. Ein Schritt, der nicht nur in der japanischen Finanzwelt für viel Aufsehen sorgt.

Doch Metaplanet ist nicht allein: Boyaa Interactive aus Hongkong, ein Entwickler von Online-Brett- und Kartenspielen, hält mittlerweile über 3.000 Bitcoin und wird in Asien bereits als „Strategy von Hongkong“ gehandelt. Semler Scientific aus Kalifornien, eigentlich ein Medizintechnikunternehmen, hat sich mit mehr als 2.000 Bitcoin als Krypto-Proxi neu erfunden und seinen Aktienkurs damit mehr als verdoppelt. Cango aus Shanghai, ein Anbieter von Autokrediten, investiert nicht nur massiv in Bitcoin, sondern betreibt auch eigenes Mining und hält inzwischen fast 1.000 Bitcoin.

Ein besonders prominentes Beispiel für einen Nachahmer ist GameStop. Das US-Unternehmen wurde 2021 zum Inbegriff des „Meme-Stock“-Phänomens, als Kleinanleger und Internet-Communities den Kurs der angeschlagenen Videospielkette in astronomische Höhen trieben und so Hedgefonds in die Knie zwangen.

Nach dem Hype und einem langen Abstieg hat GameStop im März 2025 einen radikalen Strategiewechsel angekündigt: Mit einer Wandelanleihe über 1,3 Milliarden Dollar finanzierte das Unternehmen den Kauf von 4.710 Bitcoin im Wert von rund 513 Millionen Dollar. Die Reaktion der Börse fiel gemischt aus: Nach einem kurzen Kursanstieg sackte die Aktie Ende Mai vom Hoch von 35 Dollar ab – allerdings fiel sie nicht ins Bodenlose. Der Kurs notierte gestern bei gut 30 Dollar – noch immer nahe dem Niveau vom Jahresanfang.

Immer mehr Firmen wandeln sich zu Bitcoin-Proxys, deren Börsenwert sich vom realen Wert der gehaltenen Kryptowährungen entkoppelt hat. Zugleich treiben sie den Bitcoin-Preis, was den Aktien wiederum zusätzliche Fantasie verschafft.

Scam oder findige Finanzinnovation?

Kritiker vergleichen das Geschäftsmodell von Strategy offen mit einem Schneeballsystem: Solange neue Investoren Aktien kaufen, kann das Unternehmen neue Schulden aufnehmen und weiter Bitcoin kaufen, was die Kurse treibt und die Illusion von Wertschöpfung aufrechterhält. Fällt der Bitcoin-Preis oder versiegt das Interesse an der Aktie, droht das Kartenhaus einzustürzen. Dann droht eine Kettenreaktion. Die Unternehmen müssten ihre Bestände womöglich liquidieren, um Schulden zu bedienen – mit potenziell dramatischen Folgen für den gesamten Markt.

Michael Saylor: „ Finanzingenieure, keine Betrüger“

Michael Saylor weist die Kritik zurück. In Interviews vergleicht er seine Strategie mit der Immobilienentwicklung in Manhattan: „Jedes Mal, wenn die Immobilienpreise steigen, nehmen Entwickler mehr Schulden auf, um neue Wolkenkratzer zu bauen. Das ist seit 350 Jahren so – ich würde es eine Wirtschaft nennen, keinen Scam.“

Saylor argumentiert, Strategy sei mehr als ein Bitcoin-Hodler: Das Unternehmen schaffe innovative Finanzprodukte, biete Anlegern flexible Möglichkeiten, am Bitcoin-Markt teilzuhaben, und habe mit der Ausgabe von Vorzugsaktien neue Wege der Kapitalbeschaffung erschlossen. Für Saylor ist Bitcoin das „höchste Gut der Welt“ und Strategy der Pionier einer neuen Finanzarchitektur.

Wie lange läuft die irre Bitcoin-Party noch?

Strategy hat mit seinem aggressiven Bitcoin-Leverage einen neuen Typ der Finanzspekulation eingeläutet – der allerdings einiges gemeinsam hat mit vorherigen Hypes: enorme Gewinne für Frühinvestoren und ein Geschäftsmodell, das immer mehr Nachahmer findet. Metaplanet, Boyaa Interactive, Semler Scientific, Cango und nun auch GameStop sind nur die prominentesten Beispiele eines Trends, der sich über Branchen und Kontinente hinweg ausbreitet.

Die Risiken sind offenkundig: Der Marktwert entkoppelt sich immer weiter vom realen Wert, das System lebt vom Zustrom neuer Investoren – und ein Kursrutsch könnte das gesamte Konstrukt ins Wanken bringen. Weil dies so offensichtlich ist, handelt es sich also nicht um einen klassischen Scam. Doch das schließt nicht erhebliche Schäden in den Portfolios von Anlegern aus. Die entscheidenden Fragen sind: Wann hört die Musik auf zu spielen? Und, wichtiger noch: Werden die Folgen eines Crashs auf den bisher eher abgeschotteten Krypto-Markt begrenzt bleiben? Die hochspekulative Symbiose von Börse und Krypto ist alter Wein in neuen Schläuchen – mit potenziell verheerenden Folgen für Anleger, die sich der Risiken nicht bewusst sind.

Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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