Mischfonds gelten als Königsdisziplin der Vermögensverwaltung. Das weckt Erwartungen bei Anlegern, die die Fondsindustrie gerne vorgibt, erfüllen zu können. Anlass für die Serie Mythen über Mischfonds. Teil I unserer Serie: Erfolg und großer Gleichklang.
Mischfonds gelten als ideale Instrumente zur Vermögensbildung. Aktien? Anleihen? Gold? Rohstoffe? Cash? Anleger und Berater sind über die Jahre immer mehr dazu übergegangen, die Verantwortung für den richtigen Anlagen-Mix an Fondsmanager zu delegieren. Die Prämisse: Die Manager finden nicht nur die richtige Balance zwischen riskanten und risikoarmen Investments, sondern adjustieren die Portfolios immer so, wie es die Marktlage erfordert. Fertig ist die Vermögensverwaltung des sprichwörtlichen Kleinanlegers, der mit einem Fonds alle wichtigen Kapitalmärkte abdecken will.
Mischfonds: Realität, Ansprüche, Zerrbilder
Das Versprechen der Mischfonds: Steigen die Aktienmärkte gehen sie ins Risiko, fallen sie, schichtet der Mischfondsmanager rechtzeitig in Anleihen oder Cash um. Diese allgemeine Zuschreibung ist nicht falsch, hat sich aber immer mehr zu einem Zerrbild entwickelt, weil sie sich von den Realitäten des Marktes gelöst hat. Grund hierfür ist interessantes Zusammenspiel von Faktoren: wiederholte Finanzkrisen, die die Erwartungen von Anlegern geschürt haben und die Bereitschaft der Fondsindustrie, diese zu erfüllen. Viele Finanzberater haben wiederum nur allzu gerne die Verantwortung für die Asset Allocation delegiert – nur keinen Fehler machen und dem Kunden „blank“ gegenübertreten, könnte hier das Motto sein.
In einer Serie gehen wir in lockerer Reihenfolge auf einige Mythen über Mischfonds ein, die oft zu schlechten Ergebnissen bei Anlegern führen. Im ersten Teil geht es um eine Einführung, in der wir die Historie skizzieren, die zu einem großen Gleichklang bei Mischfonds geführt hat.
Am Anfang waren der große Crash und die Eurokrise
Die Geschichte nahm ihren Anfang zu Zeiten der großen Finanzkrise. Damals implodierten nicht nur die Aktienmärkte, sondern auch Asset-Klassen, die als Bollwerke gegen Kursverluste galten: Geldmarktfonds, (vermeintlich) konservative Total und Absolute Return-Fonds sowie offene Immobilienfonds. Etliche Mischfondsmanager konnten sich gegen den Erdrutsch stemmen. Besondere Meriten konnte sich der Mischfonds Carmignac Patrimoine erwerben, der das Kunststück schaffte, 2008 mit einem minimal positiven Ergebnis abzuschneiden, und das in einem Jahr, in dem DAX, MSCI World und Co. rund 40 Prozent und mehr verloren.
Weitere Gewinner der Finanzkrise, die auch heute noch hohe Vermögenswerte aufweisen: Fonds wie der Ethna-Aktiv, M&G Optimal Income, Flossbach von Storch Multiple Opportunities oder Kapital Plus. Die Manager dieser Fonds hatten rechtzeitig die Kurve bekommen und in sicheres Cash und Gold investiert oder mittels Derivate die Verluste minimiert. Hatte der Carmignac Patrimoine 2008 Heldenstatus erlangt, so waren auch Mischfonds mit einstelligen oder niedrigen zweistelligen Verlusten die Retter der Anlegerrendite.
Neben der Finanzkrise 2008/09 spielte eine weitere Entwicklung Mischfonds in die Hände: Die Niedrigzinsphase, die sich fast nahtlos an die Finanz- und Eurokrisen anschloss. Die immer weiter rückläufigen Renditen waren zwar eine tolle Performance-Quelle für Anleger in Anleihen. Anleger, die Geld am Markt ohne große Risiken unterbringen wollten, suchten dagegen händeringend Renditequellen. Und Sparer, die es gewohnt waren, Sparbuch-Zinsen zu bekommen, mussten sich nach Alternativen umschauen. Eine spezielle Gruppe von Fonds war nur allzu gerne bereit, Lösungen zu bieten: Mischfonds.
Mischfonds erlebten nach 2010 einen immensen Nachfrageschub. Waren bis zur Finanzkrise Aktien- und Rentenfonds die relevanten Produktkategorien bei Fonds, wurden Mischfonds ab 2010 regelrecht mit Anlegergeld überschwemmt. 2011 sammelten sie mit 11,6 Milliarden Euro siebenmal so viel Geld ein wie Rentenfonds (Aktienfonds erlitten Abflüsse in Höhe von mindestens 35 Milliarden Euro). Auch 2015 waren sie die beliebteste Asset-Klasse, und zwischen 2014 und 2016 gingen ihnen höhere Mittelzuflüsse zu als Aktienfonds. Heute verwalten die großen Mischfonds am Markt Milliardenvermögen. Der Flossbach von Storch Multiple Opportunities bringt es in allen Varianten auf ein Vermögen von über 36 Milliarden Euro, der DWS Concept Kaldemorgen kommt auf 14 Milliarden, der BGF Global Allocation verwaltet gut 13 Milliarden Euro, und selbst der inzwischen chronisch erfolglose Carmignac Patrimoine hat noch ein Vermögen von 6,5 Milliarden Euro.
Europaweit vervierfachte sich fast das in Mischfonds investierte Vermögen zwischen 2009 und Ende 2023 von 400 Milliarden Euro auf 1,53 Billionen Euro. Das Vermögen von Aktienfonds wuchs von 1,65 Billionen auf 5,62 Billionen Euro, Rentenfonds legten von 1,81 Billionen auf 3,29 Billionen Euro zu.
Vermögen in Mio. Euro und per 31.12.2023, Quelle: Morningstar
Mischfonds-Performance: absolut versus relativ
Die Bilanz von Mischfonds war zwischen 2008 und 2023 alles andere als berauschend: sie kamen insgesamt eher schlecht als Recht mit der Aktien- und Anleihenmarktentwicklung mit. In Aufwärtsphasen fiel das selten auf, da flexible und ausgewogene Mischfonds in freundlichen Aktienjahren immerhin über der Fünf-Prozent-Plus-Grenze lagen. Unangenehmer waren dagegen die hohen Verluste 2018 und 2022 – aber dazu später mehr. Die untere Renditereihe zeigt die Performance der drei wichtigen Mischfondskategorien „defensiv“, „ausgewogen“ und „flexibel“.
Performance in Prozent und Euro, Quelle: Morningstar
Weniger auffällig war die Tatsache, dass die Renditen relativ zu den Vergleichsindizes wenig rühmlich waren. Die untere Grafik zeigt die Überschussrendite der jeweiligen Kategorie – Jahr für Jahr seit 2008. In den 16 Kalenderjahren konnten defensive Mischfonds in vier Jahren (2009, 2017, 2021 und 2022) und ausgewogene Mischfonds einmal (2022) im Schnitt besser abschneiden als ihre Vergleichsindizes. Flexiblen Mischfonds gelang das kein einziges Mal.
Relative Rendite in Prozentpunkten im Vergleich zur jeweiligen Kategorie-Benchmark, Quelle: Morningstar
Der Weg zum großen Gleichklang
Derweil Mischfonds über die Jahre unauffällig durch die Märkte humpelten, vollzog sich nach und nach ein interessantes Phänomen: Es entstand in einer immer wichtigeren Fondsgruppe ein immer größerer Gleichklang. Es fiel wenig auf, dass Mischfonds nicht nur in den identischen Gewässern fischen, sondern sich auch gezielt in denselben Ecken des Teichs herumtreiben. Der Grund ist die gnadenlose Renditejagd, die nicht nur von Anlegern gefordert, sondern auch durch die Konkurrenz der Fonds zueinander entstand.
Der typische Mischfonds sucht seine Chancen nicht nur auf der Aktienseite, sondern hat auch das Ziel, die Rendite auf der Anleihenseite zu maximieren. Das war seit Mitte der 1980er-Jahre angesichts der stetig rückläufigen Renditen einfach. In Zeiten niedrigster Zinsen führte das dazu, dass Mischfonds immer stärker das Risiko auf der Zinsseite gesucht und auch in Hochzinsanleihen investiert haben. Zugleich wurden die Laufzeiten immer weiter verlängert. Damit ging die Ureigene defensive Funktion von Anleihen im Portfolio-Kontext verloren – mit zunehmender Dauer der Niedrigzinsphase wurden Mischfonds immer mehr zum Risikoverstärker.
Parallel haben Mischfonds auf der Aktienseite immer mehr in Wachstums-Titel investiert. Gerade Techwerte haben seit 2009 ein immer größeres Gewicht in Mischfondsportfolios bekommen. Das USA-Gewicht wurde entsprechend immer schwerer, weil dort die großen Plattformen beheimatet sind, die immer mehr die Technologie-, Telekom- und Konsumgüter-Industrien dominieren. Stichwort Magnificent 7, bestehend aus Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla. Das Ausmaß und die Konsequenzen des großen Gleichklangs wollen wir an dieser Stelle in den nächsten Wochen vertiefen:
Stell dir vor, es ist Kapitalmarktkrise und alle Mischfonds straucheln.