Rendite-Chancen bei Anleihen: alles eine Frage des Szenarios

Eine von vielen abgeschriebene Anlageklasse erlebt ein Comeback: Anleihen. Wir erklären die Rendite-Chancen bei Anleihen und erläutern, warum ein Investment dennoch kein Selbstläufer ist.

Anleihen haben sich 2022 auf dramatische Weise zurückgemeldet: mit einem Crash. Was sich für Bestandsanleger in einem Performance-Desaster manifestierte, erhöhte die Chancen für Neuanleger. Allerdings hängt das Ausmaß der Rendite-Chancen bei Anleihen davon ab, wie sich die Zinsen künftig entwickeln. Die Performance ist also – wie so oft – stark abhängig vom Pfad, der sich vor Anlegern auftut.

Rendite-Chancen bei Anleihen: how it started

Nach der großen Finanzkrise haben die Notenbanken in den Industrieländern die Deflation mit einer lockeren Geldpolitik bekämpft. Der Zins sank auf unter null. Altanleger profitierten von den steigenden Kursen, Neuanleger schauten in die Röhre, weil sie keine Zinsen bekamen. Viele Investoren, unter ihnen auch Renten- und Mischfondsmanager erhöhten daraufhin ihr Risiko, indem sie in riskantere Anleihen investierten – unter anderem in langlaufende Papiere. Diese Strategie erhöhte die Duration in den Portfolios und machte Anleihen für Investoren hochriskant.

Es kam, wie es kommen musste: Die Niedrigzinsphase mündete in einem Jahrhundert-Crash ein. Die Notenbanken bekämpften die steigende Inflation mit einer Serie von Zinserhöhungen. In nur wenig mehr als 12 Monaten stieg der Leitzins auf 4,5 Prozent (Eurozone) und 5,25/5,5 Prozent (USA).

Es griff die bekannte Mechanik, dass Anleger bei Zinsanstiegen einen Abschlag auf den Preis der bestehenden Anleihen fordern, um die niedrigeren Zinsen auszugleichen – steigen die Zinsen, fallen die Kurse. Fonds für Euro-Langläufer brachen 2022 um über 36 Prozent ein, nachdem sie schon ein Minus von knapp neun Prozent 2021 verzeichnet hatten. Anleihen weltweit verloren zumeist zweistellig.

Das Highlight bildete die 100-jährige Österreich-Anleihe, die im Jahr 2017 zu einem Kupon von 2,1 Prozent begeben wurde. Sie verlor zwischen Ende 2020 und Herbst 2023 rund 75 Prozent. 

Neues Bond Game, wessen Glück?

Bis Ende Oktober 2023 standen die Rentenmärkte im Zeichen des rasanten Renditeanstiegs, der zehnjährige US-Staatsanleihen an die Fünf-Prozent-Marke trieb. Wer damals investierte, konnte sich eine üppige Rendite bis 2033 sichern. Seitdem tendieren die Anleihenrenditen nach unten in Erwartung sinkender Zinsen. Aktuell rentieren zehnjährige US-Treasuries mit 4,17 Prozent; Dreimonatspapiere kommen auf 5,37 Prozent.

Zehnjährige Bundesanleihen rentieren aktuell mit 2,35 Prozent. Mit Euro-Geldmarktfonds oder -ETFs sind hierzulande annualisierte Renditen von zwischen vier und fünf Prozent mühelos zu haben. Welche Segmente sind attraktiv?

(Fast) Alles eine Frage der Inflationsprognose

Halten wir zunächst fest, dass Anleihen über alle Laufzeiten aktuell real eine positive Rendite liefern. Zinsen minus Inflation liefern also eine positive Rendite, egal, ob man in Geldmarktfonds, Kurzläufer oder langlaufende Anleihen investiert: Willkommen in der neuen Zinsrealität!

Allerdings ist es wichtig, die Rendite relativ zur Inflation zu nehmen. Bei Geldmarktfonds und -ETFs ist die Sache klar: Hier stehen vier Prozent und mehr einer Inflation von nur noch 2,9 Prozent gegenüber. Und was ist mit den zehnjährigen Bunds, die nur mit 2,35 Prozent rentieren? Auch die haben aller Voraussicht nach eine positive Realrendite. Denn länger laufender Anleihen setzt man nicht ins Verhältnis zur aktuellen Inflation, sondern ins Verhältnis zur Inflationserwartung. Schließlich vereinnahmt man die Kupons in diesem Beispiel zehn Jahre lang und nicht nur heute bei einer Teuerung von knapp drei Prozent.

Die Bundesbank rechnet derzeit mit einer bis auf 2,2 Prozent rückläufigen Inflation bis im Jahr 2026. Bei Bunds ragen also die Renditebäume zwar nicht in den Himmel, aber inflationsbereinigt sind die Renditen aktuell real positiv. Aber wer von Anleihen inflationsbereinigt eine Rendite von, sagen wir, 1-2 Prozent erwartet, muss – Stand heute – höhere Risiken eingehen, sei es auf der Laufzeitenseite oder – naheliegender – bei der Bonität der Emittenten. Das ist der Stand heute. Aber Anleihen sind in einem Punkt Aktien ziemlich ähnlich: die Preise schwanken. Was heute attraktiv ist, ist es morgen mitunter nicht mehr.

Anleihe-Renditen: eine Frage des Szenarios

Wir unterscheiden zwischen zwei Szenarien und starten mit dem Basisszenario: dem sinkender Zinsen. Bei weiter rückläufiger Inflation ist es wahrscheinlich, dass die Notenbanken die Zinsen senken werden. Die Mehrheit der Marktteilnehmer geht derzeit davon aus, dass die EZB den stärkeren Handlungsdruck verspüren wird, weil hierzulande die Wirtschaft deutlich schwächelt, derweil sich die USA sehr robust zeigen.

Nach diesem Szenario wird die Freude über aktuell vier Prozent am kurzen Ende (Tagesgeld oder Geldmarktfonds) nicht lange währen. Jede Zinssenkung schlägt sich recht schnell beim Tagesgeld und Geldmarkt nieder. Demgegenüber profitieren länger laufende Anleihen voraussichtlich von sinkenden Zinsen. Das gilt für Staatsanleihen und zunächst auch für Unternehmensanleihen. Fallen die Renditen schnell, dann könnte sich eine ähnliche Marktsituation wie zwischen Oktober 2023 und Januar 2024 eintreten. Dann legen vor allem die Kurse riskanter Papiere zu.

Die untere Tabelle zeigt die Gewinner dieser Phase, in der in den USA die Renditen zehnjähriger Papiere von knapp fünf auf unter vier Prozent gefallen sind und auch Euro-Anleihen deutlich zulegten. Fonds für Euro-Langläufer legten in den vier Monaten um knapp 15 Prozent zu, Fonds für Unternehmensanleihen, einschließlich Hochzinsanleihen und Schwellenländeranleihen, gewannen über sieben Prozent. 

Anleihen Performance_best

Rendite in Prozent (ab 3 Jahre p.a.) und in der jeweiligen Basiswährung, Stand der Daten: 31.12024, Quelle: Morningstar.

Doch es könnte auch anders kommen. Erlebt die Inflation ein Comeback, wie es einige Vermögensverwalter insbesondere deutscher Provenienz erwarten, dann könnte die Kurzfristzinsen länger oben bleiben, als es heute der Konsens vorsieht. Das würde länger laufenden Anleihen und riskanten Papieren einen Dämpfer verpassen, auch dann, wenn die Fed oder EZB die Zinsen nicht senken. Erinnern wir uns an die Lage 2021: weil die Inflation langsam einen Anstieg verzeichnete, stiegen die Renditen, was bereits vor den Zinserhöhungen die Kurse ins Wanken brachte.  

Das Jahr 2021 stand bereits im Schatten einer Anleihen-Korrektur, die nicht nur langlaufenden Anleihen hohe einstellige Verluste im Schnitt brachte, sondern auch Staatsanleihen unter Druck setzte. Damals brachte vor allem Schwellenländer-Anleihen stark unter Druck, weil die Aussicht auf Zinserhöhungen in den USA und Europa eine beliebte Strategie von Finanzinvestoren unter Druck setzte: So genannte Carry-Trades. Investoren aus den Industrieländern, die Rendite in Hochzinswährungen gesucht haben, ziehen angesichts der Aussicht auf steigende Zinsen am Heimatmarkt ihr Geld aus den Emerging Markets ab, was dortige Anleihen unter Druck setzt.

Anleihen machen die Investment-Welt rentierlicher – und komplexer

Anleger müssen sich daran gewöhnen, dass die Welt von vor 2021 einfache Antworten lieferte. Rendite lieferten die Aktien, und wer diversifizieren wollte, musste entweder nicht-rentierliche Investments (Cash), wenig rentierliche und hochriskante Assets (Anleihen) oder auf Reservewährungen (Gold und, hüstel, Bitcoin) setzen. Rohstoffe lieferten passable Renditen, die aber höchst schwankend waren und häufig von negativen Roll-Renditen gemindert wurden.

Heute ist die Welt komplexer, weil der Zins zurück ist. Das setzt Aktien mutmaßlich unter Druck, weil Anleger eine rentierliche Alternative zu Aktien haben, die zudem auch im Portfolio-Kontext Diversifikationsvorteile besitzt. Anleger, die einfach nur Bonds halten wollen, werden sich mit einem marktbreit investierenden Fonds zufriedengeben. Sehr konservative Anleger werden sich mit dem Spatz in der Hand begnügen und in Geldmarktfonds investieren – darauf hoffend, dass sich die EZB möglichst lange Zeit lassen mögen mit Zinssenkungen.

Wer dagegen bei Anleihen Kursschwankungen in Kauf nimmt und ein größeres Portfolio bewirtschaftet, wird zahlreiche interessante Anleihen-Bausteine vorfinden, die nicht nur Diversifikation, sondern auch Rendite bringen. Zwar weisen Anleihen mit niedriger Bonität eine hohe Korrelation zu Aktien auf, aber auch bei Hochzinsanleihen ist die Volatilität relativ zu Aktien geringer, weil Bond-Investoren bei Insolvenz der Unternehmen bei der Verwertung von Vermögenswerten Vorrang haben vor Aktienanlegern, womit ihre Recovery Rate höher ist.

 

Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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