Renditekiller Abgeltungssteuer oder die späte Rache des Peer Steinbrück

Dass die Abgeltungssteuer ausgerechnet Langfristanleger benachteiligt, wurde bereits häufig beklagt. Allerdings wirkt die zur Amtszeit von Finanzminister Peer Steinbrück eingeführte Steuer noch fataler, als das allgemein wahrgenommen wird: der Renditekiller Abgeltungssteuer und seine unbekannten Facetten.

Dass die 2009 eingeführte Abgeltungssteuer Langfristanleger benachteiligt, ist inzwischen eine Binse. Die Abgeltungssteuer hatte das Ziel einer einheitlichen Besteuerung von Kapitalerträgen. Dividenden, Kursgewinne, Zinserträge – alles wird seitdem einheitlich mit einem Steuersatz von 25 Prozent plus Solidaritätszuschlag plus gegebenenfalls Kirchensteuer belegt. Damit einherging die Abschaffung der einjährigen Spekulationssteuer. Dadurch wurden langfristige Anlagen steuerlich nicht mehr begünstigt – Daytrader und Investoren, die Jahrzehntelang für die Altersversorgung sparen, wurden gleichgestellt.

Wir wollen an dieser Stelle nicht die alte Leier, dass früher alles besser war, aufrollen und auch nicht groß thematisieren, dass der damalige Finanzminister Peer Steinbrück damit die Unterbindung der Steuerflucht ins Ausland im Sinn hatte. Halten wir lediglich fest, dass – ceteris paribus – Langfristanleger heute durch diese Steuer niedrigere Renditen erzielen als vor 2009.

Anleger potenzieren den Renditekiller Abgeltungssteuer

Wir wollen heute die bisher wenig beachteten Spätfolgen der Abgeltungsteuer herausarbeiten und zeigen, dass die Rache des Peer Steinbrück an Anlegern in Deutschland noch viel größere Folgen hat, als mithin angenommen. Da ist zum einen der Wegfall des Anreizes zum langfristigen Sparen. Das Argument der Steuerfreiheit von Kapitalerträgen, sofern man oder frau nur länger als ein Jahr bei der Stange bleibe, war allseits einleuchtend. Da die steuerlichen Vorteile im Vergleich zu kurzfristigen Anlagen mit der Abgeltungssteuer verringert wurden, dürften sich viele Anleger motiviert fühlen, „mal eben Gewinne mitzunehmen“. Das verstärkt den ohnehin häufig begangenen Anlegerfehler, zu spät in den Markt einzusteigen und dann zu früh wieder auszusteigen.

Ähnlich kostspielig dürfte die wenig diskutierte Neigung vieler Anleger sein, an gescheiterten Investments länger festzuhalten als nötig, um Steuern zu sparen. Auch Performance-Krücken schaffen es mitunter, einen positiven Ertrag zu erzielen. Gerade bei größeren Investments können auch notorische Underperformer einen ordentlichen absoluten Ertrag erwirtschaften. Das stellt Anleger vor ein Dilemma.

Dazu ein Beispiel: Wer vor 15 Jahren in die drei Aktienfonds iShares MSCI World, Carmignac Investissement und Templeton Growth investierte, erzielte bis heute höchst unterschiedliche Ergebnisse: Während der ETF ein Plus von 13,5 Prozent pro Jahr erzielte, stieg der Carmignac Investissement nur um 8,8 Prozent und der Templeton Growth um 8,7 Prozent. In den vergangenen zehn Jahren war die Underperformance der beiden aktiv verwalteten Fonds noch deutlicher. So weit, so unspektakulär. Die beiden Underperformer sind ungeachtet dessen aber noch immer milliardenschwer. Aber warum werden langjährige Underperformer viel zu selten aus den Depots geworfen?

Dass viele Anleger an erkennbar schwachen Fonds festhalten, hat nicht nur etwas mit der Trägheit der Masse zu tun, sondern auch damit, dass es schmerzt, sich einzugestehen, dass man aufs falsche Pferd gesetzt hat. Noch schmerzhafter ist es jedoch, bei einem Verkauf der Loser-Fonds auch noch Steuern zahlen zu müssen – und das mitunter nicht zu knapp. Blicken wir auf die Performance der drei Fonds in der unteren Grafik: Die Underperformance der Carmignac- und Templeton-Fonds ist das eine. Aber das andere ist, dass nach 15 Jahren auch bei diesen Fonds absolut gesehen ein ordentliches Plus heraussprang: Aus 10.000 Euro machte der Carmignac Investissement 35.500 Euro und der Templeton Growth 35.000 Euro.

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Viele Anlegerfehler im Spiel

Die Erkenntnis, dass chronische Underperformer-Fonds aus dem Depot geworfen gehören, ist das eine. Das andere ist damit zurande zu kommen, dass man – im oberen Beispiel – auch noch rund 6.000 Euro Steuern berappen muss.

So bitter die Erkenntnis ist, so sollten Anleger nach dem Motto verfahren: Ein Ende mit Schrecken ist auch dann besser als ein Schrecken ohne Ende, wenn man zusätzlich Steuern zahlen muss. Denn zur vergangenen Underperformance gesellen sich die mutmaßlichen Opportunitätskosten, die bei einer fortdauernden Underperformance der Fonds-Krücken anfallen könnten. Im oberen Beispiel machte der MSCI World ETF aus 10.000 Euro eine stolze Summe von 66.600 Euro nach 15 Jahren.

Zu den typischen Anlegerfehlern, die hinter einer derartigen Prokrastination von Anlegern stehen, gehören Biases wie der Anchoring-Effekt, mit dem man sich in die Tasche lügt, dass man ja weit über dem Einstandspreis liegt, auch wenn die Performance im Vergleich zu anderen Investments mies ist.

Auch der Bias der Verlustaversion dürfte hier greifen, da man sich davor graut, mit dem Fiskus seine Gewinne zu teilen. Manche Anleger könnten sogar eine emotionale Bindung zu einem Fondsinvestment verspüren, da Fondsmanager in der Regel gute Stories erzählen können. Nicht zuletzt hassen wir es, uns und anderen einzugestehen, dass wir einen Fehler gemacht haben.

Wer in oberen Beispiel frühzeitig aus Underperformern ausgestiegen wäre und auf ein reines Marktportfolio gesetzt hätte, würde heute locker die gezahlten Steuern durch die Kursgewinne beim ETF wieder herausgeholt haben. Anleger sollten sich deshalb die einfache Frage stellen: Würde ich mit dem Wissen von heute erneut in den Fonds investieren? Lautet die Antwort „nein“, dann sollten sie den Schaden durch einen zügigen Ausstieg begrenzen, Steuern hin oder her.

Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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