Riester-Rente 2.0

Riester-Rente 2.0 – mehr Rendite für das Volk!

Die Riester-Rente 2.0 kann kommen: Das Finanzministerium hat dazu einen Referentenentwurf vorgelegt. Kern der Reform der geförderten privaten Altersvorsorge ist das sogenannte Altersvorsorgedepot. Was es damit auf sich hat, erläutern wir in einer kritischen Würdigung.* 

* Dieser Beitrag wurde vor dem Bruch der Ampelkoalition am 6.11.2024 verfasst. Es handelt sich also um eine Art historischen Konjunktiv. Keinesfalls sollten Leser die in diesem Beitrag enthaltenen Vorschläge als Regierungsinitiative zur Verbesserung der privaten Altersvorsorge der Menschen in Deutschland missverstehen. 

Es klingt fast zu gut, um wahr zu sein: Ab 2026 soll sie kommen, die Riester Rente 2.0. Ende September hat das Finanzministerium den „Entwurf eines Gesetzes zur Reform der steuerlich geförderten privaten Altersvorsorge“ vorgelegt. Auch wenn es sich um ein Projekt handelt, das im Koalitionsvertrag der Ampelparteien festgeschrieben wurde, war angesichts der, nun ja, atmosphärischen Störungen innerhalb der rot-grün-gelben Koalition nicht klar, ob dieses Projekt noch in dieser Legislaturperiode angestoßen werden würde. Die FDP hatte im Vorfeld der Diskussion stets auf Flexibilität, Vereinfachung und Erhöhung der Rendite-Chancen der viel zu starren Riester-Rente gedrungen; die SPD legte den Fokus auf bessere Förderbedingungen, während die Grünen dem Projekt zwar aufgeschlossen gegenüberstanden, aber auf Transparenz und günstigere Kosten pochten.

Vor diesem Hintergrund legte das FDP-geführte Ressort Ende September den Referentenentwurf vor. Käme es so wie im Entwurf vorgeschlagen, wäre das die größte Reform der privaten Altersversorgung seit Verabschiedung der Riester-Rente vor gut 22 Jahren. Reform tut Not: Der Erfolg der geförderten Vorsorge war für Anleger überschaubar: zu teuer, zu unflexibel, zu wenig renditestark. Die wichtigsten Punkte in der Übersicht.

Riester-Rente unconstrained: Verzicht auf Garantien

Die reformierte private Altersvorsorge-Modell sieht im Gegensatz zu Riester 1.0 keine Garantie des eingezahlten Kapitals vor. Das klingt für viele Investoren konterintuitiv, weil – Norbert Blüm hat es uns ja eingehämmert – die Renten „sicher“ sein soll. Erfahrene Investoren wissen wiederum, dass höhere Renditen ohne Garantien viel einfacher zu erzielen sind. Wie bei Aktien-Renten-Portfolios üblich, soll das Risiko durch breite Streuung minimiert werden. Das soll durch ein Lebenszyklusmodell zusätzlich sichergestellt werden. Hiernach ist in jungen Jahren ein hoher Aktienanteil vorgesehen, der mit zunehmendem Alter reduziert wird. Zu Beginn der Ansparphase sollen mindestens 60 Prozent des Vermögens in Aktien investiert sein; die Quote riskanter Vermögenswerte sinkt mit zunehmendem Alter und wird gegen Ende der Ansparphase auf 30 Prozent reduziert. Das ist auch in der bisherigen Riester-Rente bereits Standard. Neu ist dagegen der inhaltliche Schwerpunkt auf Rendite-starke Instrumente wie Aktien und Fonds – Versicherungslösungen werden zudem nicht länger als Teil der Auszahlphase festgeschrieben.

Es ist kein Wunder, dass sich die Versicherungswirtschaft unzufrieden gibt und vor den tatsächlichen oder vermeintlichen Risiken warnt. Verbraucherschützer wie die Investment-Industrie in Gestalt des BVI sehen im Verzicht auf Garantien dagegen eine Chance für höhere Renditen. Allerdings sind Garantien nicht prinzipiell ausgeschlossen – im Referentenentwurf werden zwei Varianten genannt: Eine 80-prozentige Wertuntergrenze und eine 100-prozentige Garantie. Letztere Variante ähnelt stark Riester 1.0, der sich als Rendite-Killer erwiesen hat. Es wird zu beobachten sein, wie sich die Anbieter in Position bringen – und ob Anleger heute aus dem bisherigen Riester-Schaden klug geworden sind und auf renditestarke Fonds – einschließlich ETFs – setzen statt auf statische Garantiekonzepte.

Staatliche Förderung: Top it up, Lindner!

Hier ist das neue Altersvorsorgedepot ähnlich gestrickt wie die bisherige Riester-Rente. Das ist allerdings kein Fehler, da die Zulagenförderung zumindest ein bisschen die dürftige Rendite aufgepeppt hat. Auch die steuerliche Absetzbarkeit der Beiträge bleibt gegeben. Allerdings hat die reformierte Riester-Rente einen größeren Förder-Wumms, da die Förderung und die steuerliche Absetzbarkeit attraktiver sind: 20 Prozent der jährlichen Beiträge von höchstens 3.000 Euro werden als Zuschuss gezahlt.

Die förderfähige Höchstgrenze wird ab 2030 auf 3.500 Euro erhöht. Dies entspricht zugleich die Summe, die höchstens steuerlich geltend gemacht werden kann. Die Kinderzulage liegt künftig bei 25 Prozent des geleisteten Beitrags, wird jedoch auf 300 Euro pro Kind begrenzt. Zusätzliche Unterstützung gibt es für Geringverdiener in Gestalt einer Bonuszulage von 175 Euro sowie einen Bonus für Berufseinsteiger in Höhe von 200 Euro jährlich für drei Jahre. Das soll sicherstellen, dass die Riester-Rente kein Instrument für Besserverdiener wird.

Nebulös-nebelig: Kostentransparenz und -begrenzung

Wie man es von einem FDP-geführten Ministerium erwarten kann, sind die Angaben im Referentenentwurf für die reformierten private Altersvorsorge schwammig. Hier soll offenbar der Markt bzw. die Konkurrenz der Anbieter helfen, die Kosten zu begrenzen. Hier sind Zweifel erlaubt: Zu Beginn der Riester-Rente 2001 sind dutzende Anbieter ins Rennen gegangen, die, auch dank der üppigen Vertriebsvergütungen bei Versicherungs-Riestern, hohe Kosten bei ihren Riester-Produkten aufgerufen haben – Konkurrenz hin oder her. Das hat sich über die Jahre nicht verändert. Die Riester-Rente 1.0 ist schlicht zu teuer.

Eine neue, unabhängige, digitale und kostenlos zugängliche Vergleichsplattform soll beim geplanten Altersvorsorgedepot Abhilfe schaffen. Informationen sollen in verständlicher Form bereitgestellt werden. Das Finanzministerium setzt also auf Transparenz. Die soll auch mit einer Effektivkostenberechnung sichergestellt werden: Anbieter müssen jährlich von einem Wirtschaftsprüfer bestätigen lassen, dass die Effektivkosten, die in den Muster-Produktinformationen angegeben sind, korrekt berechnet wurden. Ab Beginn der Auszahlungsphase dürfen Altersvorsorgeverträge ausschließlich Kosten in Prozent der Leistung vorsehen. Das soll die Kosten transparenter machen.

Skeptiker werden einwenden, dass bei Fonds bereits heute weitgehende Transparenz herrscht, die allerdings kaum dazu beigetragen hat, die Kosten von Fonds zu senken. Die Herausforderung von ETFs dürfte eine viel wichtigere Rolle als die Kostenaufstellung der Basisinformationsblätter bei der – geringfügigen – Senkung von Fondskosten beigetragen haben. Apropos Fonds und ETFs: Sondervermögen mögen zwar gegenüber Versicherungen bei Riester 2.0 im Vorteil sein, bekommen aber Konkurrenz in Gestalt von Aktien und Anleihen. Hier dürften sich die Banken und Vermögensverwalter bereits in Stellung bringen, wobei letztere häufig als Dienstleister für freie Vermittler dienen, die keinesfalls auf die Option von Direkt-Investments verzichten müssen. (Ob Einzelaktien- und -Anleihen Anlegern tatsächlich so große Vorteile bieten, steht auf einem anderen Blatt.)

Flexibilität: „Anbieter wechsel dich“

Anleger dürften von der freien Wahl des Anbieters, der Möglichkeit zwischen Anbietern zu wechseln sowie flexible Ein- und Auszahlungsoptionen zu ziehen, profitieren. Diese Flexibilität soll es möglich machen, auf veränderte Lebensumstände zu reagieren und das Produkt individuell anzupassen. Auch hier wissen sich Fondsanbieter und Verbraucherschützer im selben Lager.

Der Entwurf sieht eine Flexibilisierung der Auszahlungsphase vor. Künftig sollen sich Altersvorsorgende außer für lebenslange Leibrenten auch für Auszahlungspläne bis mindestens zum 85. Lebensjahr entscheiden können. Diese Neuerung ermöglicht es Anlegern, ihre Altersvorsorge individueller zu gestalten und auf veränderte Lebensumstände im Ruhestand zu reagieren. Unverändert bleibt dagegen die bisherige Regelung, nach der zu Beginn der Auszahlungsphase eine Einmalauszahlung von bis zu 30 Prozent des Vermögens ausgeschüttet werden kann. (Es bleibt ebenfalls beim Prinzip der nachgelagerten Besteuerung.)

Flexibilität gibt es auch mit Blick auf die verschiedenen Anlageinstrumente. Das Altersvorsorgedepot ermöglicht es Anlegern, nicht nur in Fonds und ETFs zu investieren, sondern auch in Einzelaktien und Anleihen. Allerdings bedeutet das mutmaßlich nicht, dass Anleger individuelle Portfolios selbst zusammenstellen werden. Denn statt einer individuellen Zertifizierung einzelner Fonds oder ETFs erfolgt eine Zertifizierung des gesamten Altersvorsorgedepots als Produkt durch die BaFin. Kriterien sind die Einhaltung der Anlagerichtlinien, Kosteneffizienz, Transparenz und Verbraucherschutz. Es stellt sich die Frage, wie die BaFin bei einer starken Proliferation verschiedener Depots dem Prüfaufwand gerecht werden wird.

Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

    Alle Beiträge ansehen

Über den Autor

Picture of Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
Nach oben scrollen