Im zweiten Teil unserer Serie vergleichen wir Strategie-ETFs mit Fonds und mit Marktindizes wie dem S&P 500 und dem MSCI World. Wer macht das Performance-Rennen? Weil es sich bei sogenannten Smart-Beta-ETFs um aktive Strategien handelt, ist die Analyse komplexer, als viele Anleger erwarten.
Im ersten Teil unserer Serie zu Strategie-ETFs haben wir uns die Bilanz der großen Gruppen vorgenommen: Value, Growth, Quality, Momentum, Dividenden, Fundamentals und Multi-Strategie. Die Bilanz fiel gegenüber aktiv verwalteten Fonds überwiegend zufriedenstellend aus, gegenüber Indizes weniger. Heute wollen wir Strategie-ETFs im Kontext der jeweiligen Kategorien mit Fonds und Indizes vergleichen. Denn jeder Strategie-ETF sitzt in einer Fondskategorie, in der sich viele andere Fonds und ETFs tummeln. Weil aktiv verwaltete Fonds die überwiegende Mehrheit in allen Fondskategorien darstellen, ist ein Vergleich zwischen Strategie-ETFs und Kategorie-Durchschnitten faktisch ein Vergleich zwischen Strategie-ETFs und aktiv verwalteten Fonds.
Wo schneiden die sogenannten Smart-Beta-ETFs gut und wo weniger gut ab?
Strategie-ETFs kontra Fondskategorie
Kommen wir zunächst zur Ebene der Fondskategorien: Die untere Tabelle zeigt Strategie-ETFs mit der besten relativen Performance gegenüber dem Durchschnitt der jeweiligen Kategorie in den vergangenen fünf Jahren. Die vollständige Tabelle finden Sie als Download hier.
Relative Rendite im Vergleich zum durchschnittlichen Fonds der identischen Morningstar-Kategorie, in Punkten, ab 1 Jahr annualisiert, in Euro, per 31.3.2024, Quelle: Morningstar
Bereits auf den ersten Blick wird deutlich, dass Strategie-ETFs am besten in den Märkten abschneiden, die in klassischen Portfolios in der zweiten Reihe zu finden sind: China A-Shares, US-Nebenwerte, global anlegende Wachstumsfonds, Immobilien-Aktien Nordamerika und Infrastruktur.
Mit einer jährlichen Outperformance von über sechs Prozentpunkten p.a. in den vergangenen fünf Jahren schneiden Strategie-ETFs für China-Festlandsaktien beeindruckend gut ab. Dahinter steckt allerdings ein einziger ETF: Der Market Access Stoxx China A Minimum Variance ETF. Die Outperformance verwundert nicht, da der chinesische A-Aktienmarkt in den vergangenen Jahren eine ziemlich schwache Performance gezeigt hat. Systematische Strategien, die minimal schwankende Portfolios implementieren, haben in Bärenmärkten Vorteile. In haussierenden Märkten schneiden Low-Volatility-Strategien dagegen schwach ab. Der Erfolg eines Minimum-Variance-ETFs ist also stark pfadabhängig, wie wir weiter unten anhand der Bilanz vieler Strategie-ETFs in der Kategorie Aktien USA sehen werden.
Beeindruckender ist die Performance der USA Small Value Strategie des SPDR MSCI USA Small Cap Value Weighted ETF. Hier gelang es dem ETF mit einer konzentrierten Value-Strategie einen Value-Markt in einer für Value schwachen Phase zu übertreffen. Der ETF ist vor allem unterwegs in günstig bewerteten Finanztiteln, Luxusgüter-Herstellern und Industrie-Aktien.
Gleich drei Strategie-ETFs finden sich in der Kategorie Aktien Welt Wachstum. Wenig überraschend ist, dass die beiden Outperformer Momentum-ETFs sind. Momentum-Strategien, die sich mit Growth-Aktien in einer Growth-Hausse vollladen, Hoch-Oktan-Investments.
Leichte Vorteile haben Strategie-ETFs gegenüber aktiv verwalteten Fonds in der Kategorie Aktien Welt Blend. Mit 0,7 Prozentpunkten p.a. schneiden sie besser ab als eine Kategorie, die sich gegenüber dem MSCI World ziemlich schlecht schlägt. Strategie-ETFs sind hier gewissermaßen die Einäugigen unter den Blinden.
Kommen wir nun zu den schwachen Strategie-ETFs im Vergleich zu den überwiegend aktiv verwalteten Fonds in den jeweiligen Kategorien.
Relative Rendite im Vergleich zum durchschnittlichen Fonds der identischen Morningstar-Kategorie, in Punkten, ab 1 Jahr annualisiert, in Euro, per 31.3.2024, Quelle: Morningstar
Die schwächste Bilanz verzeichnen Strategie-ETFs in den Kategorien Aktien Skandinavien, Aktien Asien-Pazifik ohne Japan, Immobilien-Aktien Europa, Eurozone Standardwerte und USA Standardwerte. Bescheiden ist ihre Bilanz auch in den Kategorien Aktien Japan, Euro-Staatsanleihen (Kurzläufer), Europa Aktien Value und USA Growth. Zur Erinnerung: Der Kategorie-Durchschnitt wird getragen von der Performance aktiv verwalteter Fonds. Strategie-ETFs haben in diesen Kategorien also keinen Mehrwert gegenüber Fondsmanagern erzielt.
Exemplarisch an der Kategorie USA Standardwerte Blend wollen wir die Schwachstellen von Strategie-ETFs erläutern. Der SPDR S&P 500 Low Volatility ETF lag in den vergangenen Jahren pro Jahr um 6,4 Prozentpunkte hinter dem durchschnittlichen Fonds der Kategorie, die eine ganz entscheidende Rolle als Kerninvestment für Aktien spielt. Auch Minimum-Volatility-ETFs von iShares und UBS hinkten den Fonds der Kategorie hinterher. Das gilt auch für Multi-Faktor-ETFs von iShares und Morgan Stanley. Das Beispiel des Morgan Stanley Scientific Beta US Equity ist besonders illustrativ. Der ETF bringt sechs Faktoren zusammen (Size, Value, Momentum, Low Volatility, High Profitability, Low Investment) und gewichtet diese anhand verschiedener Kennzahlen (Efficient Maximum Sharpe Ratio, Efficient Minimum Volatility, Maximum Deconcentration, Maximum Decorrelation und Diversified Risk Parity). Puh! In Abwandlung eines beliebten englischen Sprichworts halten wir fest: Complexity killed the cat.
Auszeichnen konnten sich bei USA-Aktienfonds dagegen Strategie-ETFs, die auf Quality-Aktien setzen. Doch Warren Buffett-Mimikry ist nicht immer ein Erfolgsgarant: Der VanEck Morningstar US Sustainable Wide Moat ETF landet deutlich hinter dem Durchschnitt der USA-Aktienfonds. Es gibt viele systematische Strategien, und hinter die Algorithmen zu blicken, ist eine Herausforderung.
Strategie-ETFs vs. S&P 500, MSCI World und Co.
In der Tendenz ist die Auswertung der Strategie-ETFs im Indexvergleich ähnlich wie die Bilanz gegenüber dem durchschnittlichen Fonds der Kategorie, der sie angehören – nur schlechter. Die Logik ist klar: Aktiv verwaltete Fonds schneiden in aller Regel schlechter ab als ihre Vergleichsindizes und weil der Durchschnitt der Fonds einer Kategorie – pi mal Daumen – der Marktperformance minus Kosten entspricht, landen Strategie-ETFs wegen ihrer Kostenvorteile oft über dem Kategorie-Durchschnitt, aber hinter dem Index.
Die Outperformer gegenüber den Indizes sind wenige: China A-Shares, USA Nebenwerte, Europa Nebenwerte, Emerging Markets Nebenwerte, Asien Immobilien-Aktien, USA Standardwerte, Aktien Welt Wachstum, Schwellenländer-Anleihen (EUR) und Euro-Unternehmensanleihen (Investment Grade). Es ist auffällig, dass diese Aufzählung etliche Kategorien umfasst, die nicht besonders effiziente Märkte abdecken und in denen aktive Strategien oft erfolgreich sind. (Ausnahme: britische Standardwerte werden vom Strategie-ETF Invesco FTSE Rafi übertroffen, der einen fundamental-orientiertes Screening implementiert).
Am Ende der Tabelle, die Sie hier vollständig herunterladen können, finden sich wiederum Strategie-ETFs der Kategorien Aktien Nordics, Eurozone Standardwerte, USA Standardwerte, Dividenden Großbritannien, Aktien Asien-Pazifik, Aktien Standardwerte Deutschland.
Auffällig ist auch die schwache Bilanz der Strategie-ETFs der Kategorie Aktien Welt Standardwerte im Vergleich mit Welt-Aktienindizes wie dem MSCI World: Weisen Strategie-ETFs in der Kategorie Aktien Welt gegenüber aktiv verwalteten Fonds noch minimale Vorteile auf, so lagen sie in allen drei Zeitperioden deutlich hinter dem MSCI World. Hier wiederholt sich also das Dilemma aktiv verwalteter Fonds, die in dieser Kategorie keine Schnitte haben.
Strategie-ETFs: Komplizierte, launische Biester
Strategie-ETFs zeigen im Kontext ihrer jeweiligen Kategorie vor allem in der zweiten Reihe Stärken. Das verwundert nicht, weil sie dasselbe Spiel wie aktive Manager spielen. Indizes sind bei Nebenwerten und Emerging Markets nicht effizient. Mitunter sind Indizes in engen und illiquiden Märkten oft aus verschiedenen Gründen keine guten Spiegelbilder der Kapitalmärkte dort.
Anders sieht es bei großen Kategorien wie Aktien Europa, USA und Japan aus. Hier machen Strategie-ETFs auch gegenüber aktiv verwalteten Fonds keine bella figura. Das liegt teilweise an den relativ hohen Kosten von über 0,4 Prozent, aber auch an der Pfadabhängigkeit. In manchen Phasen laufen Faktor-Strategien wie Growth oder Value blendend, in anderen überhaupt nicht. Ausgewogene Portfolios sind hier langfristig oft im Vorteil. Ein Beispiel: In haussierenden Märkten werden Low-Volatility-Strategien mitunter verheerend schwache Ergebnisse zeitigen; bricht ein Markt ein, minimieren diese Produkte in aller Regel die Verluste. Weil die Märkte langfristig steigen, sind, zumindest in effizienten Märkten, die Risikominimierer oft im Nachteil – oftmals auch risikoadjustiert.
Auch der Auflagezeitpunkt dieser Produkte kann langfristig die Performance prägen. Viele Minimium-Volatility-ETFs wurden unter dem Eindruck der Finanz- und Eurokrisen aufgelegt. Aber nach 2012 war nun einmal Hausse angesagt, und entsprechend schwach fällt die Bilanz dieser ETFs langfristig aus.
In vielen Märkten konnten spiegelbildlich Quality-ETFs glänzen. Anleger lieben Unternehmen mit starken Bilanzen und Wettbewerbsvorteilen. Allerdings hat das dazu geführt, dass die Warren-Buffett-Lieblinge aktuell hoch bewertet sind. Kommt eine marktbreite Korrektur, dann dürften diese Aktien zunächst besonders stark leiden.
Strategie-ETFs sind komplizierte, weil launische Biester.