KI-Fonds

KI-Fonds: Die neuen Power-Häuser der Fondsindustrie?

Immer häufiger stoßen Anlegende auf KI-Fonds. Das Fondsmarketing ist gewohnt aggressiv. Wir untersuchen, was es mit diesen Produkten auf sich hat, wo sie investieren, was die Merkmale der KI-Fonds  sind – und wie “intelligent” ihre Performance ist.

ChatGPT und die Fortschritte in der künstlichen Intelligenz (KI) sind seit über zwei Jahren in aller Munde – auch in der Fondsindustrie. Hier tummeln sich immer mehr Fonds mit Bezug zu KI. KI-Fonds sind also ein relativ junges Phänomen in der Investmentwelt. Der erste europäische Fonds mit Fokus auf KI war der Allianz Global Artificial Intelligence, der 2017 aufgelegt wurde. Seitdem haben zahlreiche Fondsgesellschaften ähnliche Produkte auf den Markt gebracht, oder aber es wurden ältere Produkte auf das Thema KI umgepolt. 

Die Anbieter werben intensiv mit den Potenzialen von KI und stellen ihre Fonds als Möglichkeit dar, in den „Megatrend“ der Zukunft zu investieren. Sie heben dabei nicht nur die Fähigkeit von KI hervor, große Datenmengen zu analysieren, Muster zu erkennen und Anlageentscheidungen zu optimieren. Es geht vielmehr auch darum, dass KI-Fonds durch den Einsatz von KI bessere Renditen erzielen können als „traditionelle“ Anlagestrategien. Die Werbung für KI-Fonds ist oft von Optimismus und Zukunftsvisionen geprägt, wobei die transformative Kraft von KI für verschiedene Wirtschaftssektoren hervorgehoben wird. 

Das Fondsmarketing ruft bei mir immer wieder den Spruch von Altkanzler Helmut Schmidt in Erinnerung, wonach Menschen mit Visionen besser zum Arzt gehen sollten. Gerade bei Themenfonds sollte bei Anlegern Skepsis angebracht sein. Allzu oft werden von der Fondsbranche neue Trends mit allen möglichen Versprechen vermarktet: sagenhafte Renditen, Diversifikationsvorteile, eine dynamische Anpassung von Wertpapier-Portfolios an die Aktienmärkte. 

Anlass genug für uns, das Universum der KI-Fonds unter die Lupe zu nehmen. Wir haben in einer Umschau, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, Fonds, die die Begriffe “AI”, “KI” oder “artificial” im Namen tragen, europaweit ermittelt und auf ihre Eigenschaften überprüft. Bevor wir uns den Details widmen, wollen wir in Kürze auf eine scheinbar theoretische Frage eingehen: den Einsatz von KI in der Vermögensverwaltung. Dabei beziehen wir uns in erster Linie auf einen Beitrag des renommierten Finanzwissenschaftlers und Asset Managers Dr. Bernd Scherer, der vor drei Jahren unter dem Titel “Hipster versus Quant” veröffentlicht wurde.

KI-Fonds: Machine Learning in Theorie und Praxis

Maschinelles Lernen (ML) ist nichts Neues im Asset Management. Bereits seit Jahren werden neuronale Netze eingesetzt, um Entscheidungen im Fondsmanagement vorzubereiten. Doch was ist ML eigentlich genau, und was sind dessen intellektuelle Grundlagen? Es basiert auf der Mustererkennung. Diese beschreibt Bernd Scherer als “radikalen Induktivismus”. Komplexe Muster werden allein durch Datenanalyse erkannt – ohne theoretisches Vorwissen. Doch dieses Vorgehen sei fragwürdig, denn es stehe im Kontrast zur deduktiven Methode der Ökonometrie, bei der theoretische Modelle verwendet werden, um Zusammenhänge zu erklären. 

ML als Tool bringt im Asset Management Potenzial. KI kann bei der Verarbeitung großer Datenmengen, insbesondere bei der Aktienauswahl und der Analyse von Querschnittsdaten, mehr leisten als Finanzanalysten. Vor wenigen Wochen ermittelte eine Studie, dass allein in den USA 200.000 Jobs durch KI im Bankensektor in Gefahr seien. Aber der Einsatz von KI beim autonomen steuern von Fonds steht auf einem anderen Blatt: Es gibt Herausforderungen, wie die zeitliche Instabilität von Finanzmarktdaten, die begrenzte Anzahl verfügbarer Datenpunkte und Messfehler in den Zustandsvariablen. Bei der Anwendung von ML-Methoden ist deshalb laut Scherer eine sorgfältige Research Governance entscheidend, um Overfitting und falsche Schlussfolgerungen zu vermeiden. Dazu gehören theoretische Fundierung, sinnvolle Variablenauswahl, Vermeidung von Modellselektion und Adjustierung für multiple Hypothesentests. ML, so Scherer, werde die Wirtschaftswissenschaften “nicht revolutionieren”.

KI-Fonds: Zahl, Vermögen, Spielwiesen

Gerüstet mit der nötigen Portion wissenschaftlicher Skepsis kommen wir also nun zu unserer Umschau zu KI-Fonds. Unser Screening der Morningstar-Fondsdatenbank zu allen in Europa aufgelegten Fonds (inklusive ETFs) ergab eine Summe von 38 Fonds, die sich auf KI spezialisieren. In Summe bringen diese Fonds ein Vermögen von 16,2 Milliarden Euro auf die Waage. Von diesen 38 Fonds befinden sich 29 in der Kategorie der Sektorfonds Technologie, was nicht überrascht. Darüber hinaus finden sich KI-Fonds in den Aktienkategorien Aktien Europa/Eurozone (3), Aktien Welt 3), Aktien Schweiz und Aktien USA. Es sind überwiegend junge Fonds – alleine 13 wurden im Jahr 2024 aufgelegt. Die Mehrzahl der Fonds –  27 an der Zahl – sind aktiv verwaltet, allerdings holen ETFs auf: 7 der 11 KI-ETFs wurden 2024 oder 2025 aufgelegt.

Dass die ältesten Fonds in den 1980-er und 1990-er Jahren aufgelegt wurden, zeugt weniger von den Visionen der Produktmanager – siehe Helmut Schmidt weiter oben -, sondern von deren Findigkeit: alte Fonds wurden kurzerhand umbenannt und mehr oder weniger konsequent auf das Thema KI getrimmt. Doch was machen diese Fonds genau? Dafür haben wir uns die Dokumente der Fondsanbieter angeschaut. Die Selbstdeklaration der Produktanbieter haben wir gefiltert und gewichtet und folgende Gruppen zusammengestellt:

Breit investierende Tech-Fonds

Sofern man von Generalisten sprechen kann, umfasst diese Gruppe ein breites Spektrum von AI-bezogenen Technologien und Unternehmen. Sie fokussieren sich auf Firmen, die AI entwickeln, nutzen oder verwenden. Hier findet sich der Löwenanteil des Fondsvermögens: knapp zehn Milliarden Euro waren per 6. Februar 2025 in diesen Fonds investiert. Das durchschnittliche Morningstar-Rating dieser Gruppe beträgt 3,0 Sterne. Das verwaltete Gesamtvermögen der Fonds in diesem Cluster beläuft sich auf etwa 11 Milliarden Euro. Die größten Fonds sind der Allianz Global Artificial Intelligence, der 7,5 Milliarden Euro auf die Waage bringt, der DWS Artificial Intelligence (1,5 Milliarden Euro) und der L&G Artificial Intelligence ETF (815 Millionen Euro).

Spezifische AI-Anwendungsbereiche

Eine zweite Gruppe an KI-Fonds konzentriert sich auf spezifische Anwendungsbereiche oder Teilbereiche der KI-Technologie, etwa Robotik, Automatisierung oder Datenverarbeitung. Das verwaltete Gesamtvermögen beträgt etwa 2,2 Milliarden Euro. Die zwei größten Fonds sind der UBS (Lux) AI and Robotics Equity Fund (1,3 Milliarden Euro) sowie der LUX IM AI & Data (377 Millionen Euro).

AI-Enabler und Infrastruktur

Diese Gruppe fokussiert sich auf Unternehmen, die die grundlegende Infrastruktur und Technologien für AI bereitstellen, wie Halbleiterhersteller, Cloud-Plattformen und Softwareunternehmen. Das verwaltete Vermögen ist hier noch relativ niedrig: 120 Millionen Euro. Beispiele für Fonds in diesem Cluster sind der Invesco Artificial Intelligence Enablers UCITS ETF, der iShares AI Infrastructure UCITS ETF und der Franklin AI, Metaverse and Blockchain UCITS ETF. 

Heute noch eine Chimäre: KI-gesteuerte Fonds

Eine kleine Minderheit an Fonds gibt an, dass KI zur Aktienauswahl verwendet wird. Einer der Vorreiter ist hier das Frankfurter Haus Acatis, das mit dem Acatis AI Global Equities und dem Avcatis AI US Equities zwei Fonds anbietet, bei denen “für die Auswahl der aussichtsreichsten Aktien Werkzeuge der KI genutzt, die den Nachrichtenstrom in öffentlichen Medien auswerten”. Dies lässt allerdings nicht den Schluss zu, dass hier ein vollkommen autonom fahrender AI-Fonds-Pilot zugange ist. Die Zahl der Fondshäuser, die AI in ihren Investment-Prozessen nutzt, lässt sich hier nicht beziffern – es dürften inzwischen die meisten sein. 

Unser erstes Screening hat bisher keine Belege für 100 Prozent selbstfahrende KI-Fonds gefunden. Angesichts der Gefahr von Data-Mining, Overfitting und Fehlsignalen, verwundert dies nicht. Am ehesten erscheint der Einsatz von selbstfahrenden KI-Fonds im Bereich High Frequency-Trading denkbar. Hedgefonds wie Renaissance Capital, aber auch kleine Start-ups wie Omphalos Fund aus Europa, setzen KI-gesteuerte Prozesse ein, die allerdings im kurzfristigen Trading eingesetzt werden.

Gretchenfrage: Wie sieht die Performance-Bilanz aus?

Kommen wir nun zur Performance der KI-Fonds am europäischen Markt. Im Schnitt haben die Fonds performt, wie man es von volatilen Themenfonds so erwarten kann: in Aufwärtsphasen geht es rasant aufwärts, in Abwärtsphasen rapide nach unten. 2022 haben KI-Fonds im Schnitt 32 Prozent verloren, 2023 gut 35,5 Prozent gewonnen und 2024 um mehr als ordentliche 23,7 Prozent zugelegt. Allerdings muss man diese Performance im Kontext vergleichbarer Fonds sehen, und hier dominiert allenfalls Mittelmaß. 

Ausgedrückt in Morningstar Sterne-Ratings, welche ein Maß für Risiko-adjustierte Renditen sind, weisen AI-Fonds – höchst durchschnittliche – 3-Sterne-Ratings im Schnitt auf. Blickt man auf die nackte Performance, so ergibt sich ein ähnliches Bild: In den vergangenen 12 Monaten lagen KI-Fonds durchschnittlich im 50. Performance-Perzentil, in den vergangenen 24 Monaten leicht überdurchschnittlich im 47. Perzentil, in den vergangenen 3 Jahren wiederum im 50. Perzentil und nach fünf Jahren im (unterdurchschnittlichen) 55. Performance-Perzentil ihrer jeweiligen Fondskategorie. 

Interessant ist hierbei ein Blick auf die beiden Fonds, die den KI-Einsatz am offensivsten vorantreiben, die beiden Acatis-Fonds. Während der Acatis AI Global Equities in den vergangenen Jahren konstant im obersten Quartil global anlegender Fonds war, gehört der Acatis AI US Equities in den vergangenen 1-, 2-, 3- und 5-Jahresperioden zu den schlechtesten zehn Prozent der USA-Aktienfonds. Eine Umstellung des Investment-Prozesses von einer KI-gesteuerten Sentimentanalyse Ende 2022 hat augenscheinlich keine Verbesserung gebracht.

Bei KI-Fonds gilt dabei leider das Hot Money-Phänomen: Die kapitalgewichtete Rendite fällt schlechter aus als die zeitgewichtete Rendite. Das bedeutet, dass auch bei KI-Fonds Anleger erst einsteigen, nachdem eine spektakuläre Rendite erzielt wurde, sagen wir: Anfang 2022. Spiegelbildlich verkaufen sie, nachdem die Performance schlecht war, sagen wir: Anfang 2023.

Fazit: Fondsanleger sollten besser keine Early Adopter sein

Laut Fondsanbietern zeichnen sich KI-Fonds durch mehrere Merkmale aus: Sie bieten Zugang zu einem breiten Spektrum von Unternehmen, die in KI-Technologien involviert sind, von Infrastruktur-Anbietern bis zu Anwendern. Die Fonds versprechen oft eine dynamische Anpassung an Marktveränderungen durch KI-gestützte Analysen. Erstere Botschaft ist zutreffend: KI-Fonds investieren in Unternehmen, bei denen KI Teil der Geschäftsprozesse oder sogar Teil des Geschäftsmodells ist. Der „KI-Reinheitsgrad“ wird mal streng, mal weniger streng ausgelegt.

Bei der zweiten Aussage ist dagegen Skepsis angesagt: Es gibt keinen Beweis dafür, dass „autonom investierende“ KI-Fonds tatsächlich einen Mehrwert bringen. Wer den Mustererkennungs-Hund von der Kette lässt, läuft Gefahr, den Lärm der Märkte einzufangen, zu oft Fehlsignalen aufzusitzen und viel Anlegergeld zu verbrennen. Problematisch dabei ist, dass KI-Fonds eine Black Box sind: Man kann die Input-Parameter bestimmen, aber nicht die Güte der Prozesse – oder auch nur erklären -, welche Faktoren die KI zu Handlungen hinführt oder von ihnen abhält.

Ist es schädlich, in KI-Fonds zu investieren? Es ist riskant, aber zumeist nicht riskanter als ein Investment in Technologie-Fonds. Wer etwa in den Allianz Global Investors Artificial Intelligence investiert, hat als Top-Holdings u.a. Nvidia, Broadcom, Microsoft, Tesla, Salesforce und Amazon. Und weil auch die KI-Anwender mit dabei sind, ist der Fonds auch in Morgan Stanley, JP Morgan oder auch Eli Lilly und Chipotle Mexican Grill investiert. Das spricht für ein Investment in Growth-Firmen. Andere AI-Fonds und -ETFs investieren in kleinere Firmen und sind entsprechend riskanter. Wer seine Risiko-Toleranz kennt, der wird investieren – oder auch nicht.

Es spricht derzeit allerdings nichts dafür, dass Anleger mit Fonds herumexperimentieren, die von einer KI gesteuert sind. Aktuell wird KI dafür verwendet, Inhalte auf der Basis vorhandener Muster oder Daten zu erstellen. Es ist nichts gegen einen derartigen Einsatz von KI im Portfolio-Management einzuwenden, weil er Prozesse schlanker und wesentlich kosteneffektiver macht. (Ob wohl die Kostenvorteile an Anleger weitergegeben werden, fragt sich an dieser Stelle der Beobachter?). Der Weg vom Einsatz unterstützender, generativer KI hin zu einer allgemeinen KI, die der menschlichen Intelligenz gleichwertig, oder sogar überlegen ist, ist noch sehr weit. Bis dahin spricht nichts dafür, dass Anleger als Early Adopter in KI-betriebene Fonds investieren. Es gibt da draußen genug gute und jede Menge schlechte Fonds. Sein Geld auf die KI-Gewinner-Fonds zu setzen, erscheint verfrüht, weil wenig erfolgversprechend. 

Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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