Baki Irmak: „Umsatz-Nullnummern wie Rivian sind für uns keine seriösen Investments“

Ein Interview mit Baki Irmak, Fondsmanager des The Digital Leaders Fund. Der Fonds investiert in Unternehmen, die führend sind in der Digitalisierung. The DLF zählt seit Auflage im Jahr 2018 zu den besten Fonds der Kategorie Aktien Welt Growth. Der Fonds ist auch auf Envestor gelistet, und Kunden von Envestor Direkt profitieren auch bei diesem Fonds vom Envestor Spareffekt. Wir sprachen mit Baki Irmak über den besten Zugang zum Thema Digitalisierung an der Börse und warum die Grundsätze, die Benjamin Graham im Jahr 1949 niedergelegt hat, nach wie vor Gültigkeit besitzen.

The Digital Leaders Fund
Baki Irmak, Fondsmanager The Digital Leaders Fund, Foto: Katrin Binner

Herr Irmak. The Digital Leaders Fund klingt nach Tech-Themenfonds. Ist das so?

Nein, das ist nicht der Fall. Dass das so wahrgenommen wird, liegt daran, dass viele Digitalisierung gleichsetzen mit Technologie. Die Pandemie hat diesen Mythos abgeräumt. Die Digitalisierung findet überall statt. Bezogen auf die Unternehmenswelt unterscheiden wir zwischen Digital Enablern, wie Softwarehersteller, großen Technologieplattformen wie Google oder Meta, und Value-Unternehmen, die dabei sind, ihr Geschäft zu digitalisieren. Die besten dieser drei Unternehmens-Typen landen im The Digital Leaders Fund.

Das Plus von 44 Prozent im Jahr 2020 spricht aber schon für einen Fokus auf High Growth …

Wäre das so, dann hätten wir 2020 eine deutlich höhere Performance hingelegt! High-Growth-Aktien haben bei uns zu keinem Zeitpunkt mehr als 30 Prozent des Portfolios ausgemacht. Aber ich will mich nicht beklagen. Growth Stocks wie Facebook, Amazon, Alphabet oder TSM sind sehr ordentlich gelaufen. Und seit Herbst 2020 konnte man auch mit Banken wie BBVA oder Goldman Sachs hohe zweistellige Renditen erzielen.

In diesem Jahr ging der Markt zunächst Richtung Value, dann waren wieder Growth-Aktien gefragt, jetzt stehen Zykliker wieder im Fokus. In welchem Maße kann bzw. muss ein fundamental arbeitender Fondsmanager solche Richtungswechsel nachvollziehen?

Muss er nicht. Ein gut austariertes Portfolio aus Quality-Stocks sollte sich in sehr unterschiedlichen Phasen bewähren. Wir haben 2020 viel Performance liegen lassen, weil bei etlichen High-Growth-Unternehmen die Bewertungen irgendwann außerirdisch wurden. Da haben wir die Gewichtungen reduziert und in attraktiver bewertete Unternehmen investiert. Das ist zunächst nicht aufgegangen, aber Ende 2020, Anfang 2021 kam der Favoritenwechsel, von dem wir profitiert haben.

Also kein Market Timing im Spiel?

Die beste Absicherung ist die Zusammenstellung eines Portfolios aus überragenden Unternehmen, die attraktiv bewertet sind und sich nicht gleich verhalten. Aber wir ignorieren Makroentwicklungen, insbesondere die Politik der Notenbanken, nicht. Und wenn wir etwas verändern, passen wir die Gewichtungen graduell an. Also nein: Bei uns ist kein Market Timing im Spiel!

Was steht bei Ihnen im Vordergrund: klassische Finanzkennzahlen oder Research, das auf digitale Eigenschaften abhebt?

Die Aufgabe des Fondsmanager hat sich seit Benjamin Graham (Autor u.a. des Klassikers „The Intelligent Investor“) nicht verändert. Aber der tatsächliche Wert eines Unternehmens ist heute stärker als damals bestimmt von immateriellen, nicht materiellen, Gütern. Die kann man mit klassischen Fundamentalanalysen allein nur schwer fassen. Daher nutzen wir Kennzahlen, die sich aus der digitalen Spur ergeben, etwa das Kundenwachstum, das sich aus dem Traffic auf Websites oder aus der Nutzung von Apps ablesen lässt. Die Kundenloyalität kann man wiederum anhand der täglichen oder monatlichen Nutzerzahlen (DAU/MAU) messen. Ob das Unternehmen ein effizientes Wachstum an den Tag legt, kann man mit Kennzahlen wie Rule of 40 messen.

Stichwort digitale Spur: Lassen sich die erheblichen Kurseinbrüche bei Aktien wie Peloton einerseits und die gigantischen Zuwächse bei Aktien wie Roblox fundamental eigentlich noch erklären?

Manchmal hilft die Messung der digitalen Spur weiter, aber nicht immer. Dann muss man das Zusammenspiel mehrerer Faktoren analysieren. Bei Peloton hat die digitale Spur vor Bekanntgabe der Zahlen schon ein klares Abflachen des Wachstums signalisiert. Rückblickend haben wir darauf nicht konsequent genug reagiert. Bei Roblox entwickelt sich die App-Nutzung deutlich robuster als bei den meisten Gaming-Unternehmen.

Der The Digital Leaders Fund ist bei Aktien wie Tesla, Rivian oder BioNTech nicht dabei. Verpasste Chancen?

Bei Tesla ja. Es gab aber nur einen Zeitpunkt, an dem wir ernsthaft einen Einstieg des The Digital Leaders Fund bei Tesla diskutiert haben. Das war Anfang 2019, als Oracle-Gründer Larry Elison einstieg und es sich andeutete, dass Tesla die Liquiditätsprobleme lösen würde. Wir haben es leider nicht gemacht; danach haben wir uns diese Frage nicht mehr gestellt und haben nur noch gestaunt. Bei BionNTech finde ich es schade, dass wir nicht einsteigen können. Ugur Sahin und Özlem Türeci haben Großartiges geleistet, dazu kommen sie auch noch aus der Türkei, und Sahin selbst ist auch noch Alevit, wie ich auch. Alles sehr sympathisch, aber BioNTech kam für uns als Investment nie infrage, da wir Unternehmen ausschließen, die Tierversuche unternehmen. Umsatz-Nullnummern wie Rivian sind für uns keine seriösen Investments.

Die Fragen stellte Ali Masarwah

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Über den Autor

Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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