Werner Hedrich: „Anleger müssen ihren Fondsmanager auf Nachhaltigkeit überprüfen“

Ein Interview mit Werner Hedrich, Geschäftsführer von Globalance Invest Deutschland, über nachhaltige Investments. Globalance aus der Schweiz hat eine lange Nachhaltigkeitshistorie. Globalance CEO Reto Ringger gründete 1995 SAM (Sustainable Asset Management). Die Globalance Bank wurde 2011 ins Leben gerufen. Hedrich leitet die deutsche Dependance seit 2018. Er war zuvor CEO von Morningstar Deutschland und Österreich und leitete zwischen 2003 und 2011 das deutschsprachige Fondsresearch des US-Analysehauses. Der Flaggschifffonds von Globalance ist der D&R Globalance Zukunftbeweger Aktien (DE000A2DHT41), ein weltweit anlegender Aktienfonds, der auf Envestor gelistet ist und bei dem Kunden von Envestor Direkt auch von der Cashback-Lösung profitieren. Im vergangenen Jahr hat das Vermögen in Nachhaltigkeitsfonds in Deutschland einen großen Sprung gemacht. Auch in Europa weist nach Angaben von Morningstar rund ein Drittel aller Fonds und ETFs Nachhaltigkeitsmerkmale auf. Was hat es damit auf sich?

Herr Hederich, wie nachhaltig ist die Fondsbranche? 2021 gab es einen Riesenschub bei ESG-Fonds. Worauf ist dieser Anstieg zurückzuführen?

Werner Hedrich: Nachhaltiges Investieren ist in den letzten Jahren zu einem großen Thema an den Kapitalmärkten geworden. Jetzt erreicht es auch Privatanleger. Die Ansätze kommen aus der institutionellen Welt, die skandinavischen Länder und Benelux sind heute sehr stark aufgestellt. Die Pioniere waren aber die Schweizer in den 1990-er Jahren mit Blue Orchard, ResponsAbility, Sustainable Asset Management, heute RobecoSAM, die vom heutigen Globalance Gründer Team vor 25 Jahren aufgebaut worden sind.

Aber wenn die Fondsgesellschaften im Zuge der EU-Transparenzverordnung (SFDR) plötzlich Milliardenvermögen von heute auf morgen als nachhaltig deklarieren, dann klingt das irgendwie beliebig.

Mittlerweile legt jede Fondsgesellschaft nachhaltige Fonds auf. Da entsteht einiges an Wildwuchs, jeder interpretiert Nachhaltigkeit anders, denn es gibt keine objektiven Vergleichsportale.

Da fällt mir das hässliche Wort Greenwashing ein…

Bei der Vielzahl der angebotenen neuen Fonds ist das wenig erstaunlich. Die Enttäuschung entsteht dann, wenn die Erwartungen nicht getroffen werden und das Marketing überdreht. Ich kann zum Beispiel partout nicht verstehen, was Ölkonzerne in einem nachhaltigen Fonds zu suchen haben.

Und jetzt schickt sich die EU-Kommission an, Atomstrom und Erdgas auch als nachhaltig zu deklarieren…

Auch Atom oder Gas, und seien sie auch nur als Brückentechnologien gedacht, werden nur wenige Investoren akzeptieren, die wirklich an Nachhaltigkeit interessiert sind. Das könnte künftig durchaus aber eintreten, wenn Anleger in einen ESG Fonds französischer Herkunft einsteigen.

Wie bekommen wir die Kuh vom Eis? Umfragen zeigen, dass Verbrauchern an einer Nachhaltigkeits-Wende in der Wirtschaft gelegen ist und sie wollen auch nachhaltig anlegen. Diese Haltung kann aber in ihr Gegenteil umschlagen, wenn Anleger den Eindruck bekommen, dass man ihnen einen nachhaltigen Bären aufbinden will.

Man kommt als Anleger nicht daran vorbei, sich mit der Fondsgesellschaft oder dem Vermögensverwalter und der Fondsstrategie zu befassen: Handelt es sich um einen Fondsmanager, der nichts anderes als ESG und Nachhaltigkeit anbietet und lebt? Sind ESG, Klima und Nachhaltigkeit im Investmentprozess integriert, oder wird einfach mit der ESG Datenbank über das Fondsportfolio gefahren? Wird in fossile Energie investiert? Handelt es sich um eine Fondsgesellschaft, die neu beginnt, sich mit dem Thema zu beschäftigen und gibt es eine Historie? Anleger müssen sich über die DNA eines Fondshauses informieren. Der Analyseprozess wird komplexer, weil Banken und Produzenten eigene Labels und Standards einführen.

Worauf kommt es heute Ihrer Meinung nach bei Thema Nachhaltigkeit im Kern an? Umwelt, soziales oder gute Unternehmensführung?

Die Welt ist mehr als nur ein Marktplatz. Es gilt, die Wirkung unternehmerischer Aktivitäten auf unseren Planeten zu beurteilen. Für Globalance ist ein positiver Footprint Pflicht: Die Wirkung von Unternehmen auf Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt muss nachweislich positiv sein. Dabei bewerten wir das Produkt und deren Wirkung sowie den Herstellungsprozess. Wir blicken weiter in die Zukunft als herkömmliche ESG Ansätze. Wir veranschaulichen diese Bewertung über den Globalance Footprint, den jeder auf www.globalanceworld.com einsehen kann. Wir zeigen hier eine einmalige Transparenz mit insgesamt neun Kriterien. Übrigens gehört bei Globalance die Analyse der guten Unternehmensführung zur Finanzanalyse.

Frage an den Research-Spezialisten Werner Hedrich: Was finden Anleger vor, wenn sie auf den von Ihnen gemanagten Globalance Zukunftsbeweger stoßen?

Ein zukunftsweisendes, globales Aktienmandat, das aus rund 100 Unternehmen besteht, mit niedrigen CO₂-Risiken, einem positiven Footprint und Teilhabe an neun Megatrends. Wir investieren 75 Prozent des Fonds gleichgewichtet in 28 Blue Chips von der Schweizer ABB über die dänische Novo Nordisk bis Microsoft. Alle 28 Kernaktien schütten Dividenden aus. Ein Viertel des Fonds werden in 70 Zukunftsbeweger Aktien angelegt, die mindestens eine Börsenbewertung von einer Milliarde Euro haben und auch gleich gewichtet werden. Diese Firmen wachsen stark mit innovativen Konzepten, reagieren damit auf globale Herausforderungen und bieten nachhaltige Lösungen an: Beyond Meat aus den USA, deren Pflanzen-Patties sich mittlerweile im McDonalds Burger einreihen. Oder Etsy, ein mit regenerativer Energie betriebener E-Commerce Marktplatz für digitales Stöbern oder die norwegische Tomra, die Rücknahmesysteme baut, in die wir im Supermarkt unsere Flaschen stecken. Wir zeigen für all diese Positionen auf www.globalanceworld.com das Klimapotential, den Globalance Footprint mit seinen neun Kriterien und den Anteil der Umsätze an neun Megatrends.

Sie setzen also auf die Unternehmen, die den geringsten CO₂-Fußabdruck haben, die zugleich in zukunftsgerichtete Branchen und Technologien unterwegs sind?

Möglichst geringe CO₂ Risiken sind uns in der Tat wichtig. Wir investieren nicht in fossile Brennträger oder Bergbaukonzerne, in keine Großbanken, weil die wirtschaftliche Wirkung einer Bank über das Kreditportfolio läuft – allerdings fehlt uns die Transparenz, um die Wirkung zu bewerten.

Hand aufs Herz: Ist der Globalance Zukunftsbeweger ein Themenfonds oder ein Kern-Investment?

Ein Kerninvestment: Es geht um globale, zukunftsfähige Geschäftsmodelle. Unsere Benchmark ist der MSCI World. Wir haben bei Morningstar in der Kategorie „Aktien Standardwerte weltweit“ ein Fünf-Sterne-Rating. Wir beide wissen ja, wie schwer es ist, in dieser Riesenkategorie zu den besten zehn Prozent zu gehören.

Welche Szenarien würden Sie für das laufende Jahr an den Aktienmärkten aufmachen, und was würde das für eine Auswirkung auf den Fonds haben?

Grundsätzlich halten wir globale Aktien für einen sehr wichtigen Baustein, wenn man langfristig sparen und Kapital anlegen möchte. Substanzstarke Aktien mit guter Bewertung sollten in den nächsten Jahren im Durchschnitt drei bis sechs Prozent erzielen können. Sollten Banken und Ölkonzerne weiter an der Börse steigen, kommen wir per Definition nicht mit. Allerdings haben wir mit dem Ansatz über die letzten vier Jahre gezeigt, dass wir solche Nachteile ausgleichen können. Ein weiteres aktuelles Thema wird in den kommenden Jahren das Investieren begleiten: Klimabedingte Risiken rücken zunehmend in den Fokus der Kapitalmärkte. Risiken minimieren wird das A und O für erfolgreiches Anlegen sein. Keiner möchte am Ende auf Abschreibungsruinen sitzen bleiben. Selbst die Deutsche Bundesbank warnt mittlerweile vor Kursverlusten, wenn die Kosten für den Ausstoß von Treibhausgasen steigen.

Herr Hedrich, vielen Dank für das Interview!

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Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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