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DeepSeek: Killt Chinas ChatGPT aus der Hinterhofwerkstatt Nvidia?

Mit angeblich nur 5,6 Millionen Dollar Entwicklungskosten hat DeepSeek gezeigt, dass künstliche Intelligenz nicht teuer sein muss. Die Technologie aus China ist eine Bedrohung für Nvidia. Warum die Herausforderung von DeepSeek dennoch gut sein kann für die AI-Ökonomie.

Die Welt der künstlichen Intelligenz ist in Aufruhr. Die Nvidia-Aktie stürzt an einem Tag um über 17 %, die Broadcom-Aktie ebenfalls um 17 Prozent, Taiwan Semiconductor gibt um 13 Prozent nach. Mit DeepSeek hat ein chinesisches Start-up ein KI-Modell entwickelt, das die Sprachmodelle der Tech-Giganten aus den USA ins Schwitzen bringt. Laut den Statistiken auf der Webseite des Betreibers kann das Billigmodell auf Basis älterer Nvidia-Chips nämlich auf Augenhöhe mit GPT und Co. mithalten. Auch die Aktien wichtiger AI-Zulieferer und Versorger, etwa ASML, Schneider Electric oder Siemens Energy, brachen am gestrigen Montag ein.

Wir können diese Zahlen nicht selbst validieren; die Analysten an der Wall Street bezweifeln diese jedenfalls nicht. Die Nutzer sind in jedem Fall begeistert: Die App stand am Montag weltweit im Apple Store bei den Downloads an erster Stelle und wird mit hervorragenden 4,3 Sternen bewertet. Die Downloads kommen gleichermaßen aus China, den USA, Europa und dem Rest der Welt. So viel Erfolg hat seinen Preis: Die App war zeitweise nicht erreichbar. Die untere Tabelle zeigt die Leistungsstärke von DeepSeek im Vergleich zu anderen Large-Language-Modellen (LLMs) – nach Angaben von DeepSeek, wohlgemerkt.

Bemerkenswert ist aber nicht nur die technologische Leistung, sondern der angebliche Preis: Das gesamte Projekt wurde angeblich mit lediglich 5,6 Millionen Dollar realisiert – ein Betrag, der im Vergleich zu den Milliardeninvestitionen westlicher Unternehmen wie Microsoft, Google oder Meta nahezu lächerlich erscheint. Die Zahl für die Entwicklungskosten mag untertrieben sein, und wir wissen nicht, wie viele Chips eingesetzt wurden; fest steht jedoch, dass die Chinesen keinen Zugang zu den neuesten Chips hatten.

Quelle: DeepSeek

Revolution mit Sparansatz – und westlicher Hilfe

Dieses Modell zeichnet sich durch eine besonders effiziente Architektur aus, die es ermöglicht, mit weniger Rechenleistung und Energieverbrauch beeindruckende Ergebnisse zu erzielen. Ein Schlüssel dazu ist der Einsatz der sogenannten „Mixture-of-Experts“ (MoE)-Technologie. Statt alle Teile des Modells gleichzeitig zu nutzen, aktiviert DeepSeek-V3 nur die für eine spezifische Aufgabe relevanten Abschnitte. Das spart Ressourcen und erhöht die Effizienz. Zudem setzt das Modell auf „Multi-head Latent Attention“ (MLA), eine Technik, die die Verarbeitungsgeschwindigkeit steigert, indem sie die wichtigsten Informationen fokussiert und weniger relevante Daten ausblendet. Diese Innovationen ermöglichen es DeepSeek-V3, mit geringeren Kosten und weniger Energieverbrauch eine Leistung zu erbringen, die mit führenden Modellen wie GPT-4 vergleichbar ist.

DeepSeek hat damit den Beweis geliefert, dass Effizienz den Wettlauf in der KI-Technologie entscheidend verändern kann. Das Modell basiert auf weniger teuren Hardware-Komponenten und zeigt dennoch ein Leistungsniveau, das mit den Top-Modellen aus den USA vergleichbar ist.

Doch DeepSeek ist keineswegs in einem Vakuum entstanden. Kritiker weisen darauf hin, dass viele der zugrundeliegenden Technologien aus öffentlich zugänglichen Forschungsarbeiten stammen – vor allem aus den USA. So basieren die Architekturen moderner KI-Modelle wie GPT oder BERT auf Open-Source-Wissenschaft und Veröffentlichungen westlicher Forschungseinrichtungen. China hat sich diese Arbeiten zunutze gemacht, sie weiterentwickelt und mit einem deutlich effizienteren Ressourceneinsatz kombiniert.

Dieser Ansatz zeigt, wie der Zugang zu globalem Wissen – kombiniert mit strategischer Priorisierung – ausgereicht hat, um ein Modell wie DeepSeek zu entwickeln. Während westliche Unternehmen enorme Summen investieren, um proprietäre Lösungen zu schaffen, hat China eine Art Abkürzung genommen: Es hat die grundlegenden Innovationen adaptiert und sie pragmatisch in eine kosteneffiziente Lösung überführt.

DeepSeek kontra Nvidia: Zum Vorteil der Branche?

Der kometenhafte Aufstieg von DeepSeek löst nicht nur technologische, sondern auch finanzielle Zweifel aus. Die Investoren der großen US-Tech-Unternehmen stehen vor einer unangenehmen Frage: Werden sich die Milliardeninvestitionen in KI tatsächlich rentieren? Meta-Chef Zuckerberg hat am vergangenen Freitag auch mit dem Wissen um DeepSeek das AI-Investmentziel von 65 Milliarden Dollar bekräftigt, das Meta in diesem Jahr in das LLM-Training investieren will.

Meta hat allein im vergangenen Jahr über 30 Milliarden Dollar in KI-Forschung gesteckt, während Google und Microsoft ebenfalls zweistellige Milliardenbeträge ausgeben.

Die Frage, ob sich diese massiven Summen in Form von Marktanteilen und langfristigem Wachstum auszahlen werden, steht nun auf dem Prüfstand. Aber sie sollte nicht überbewertet werden. Auch wenn die Hyperscaler die dreistelligen Milliardensummen nicht nur aus der Portokasse bestreiten werden; sie sind doch verkraftbar. Und vor allem: Die Fortschritte in der Entwicklung von LLMs in den vergangenen Jahren waren immens und haben geholfen, dass Meta, Alphabet, Microsoft und Co. ihre Marktstellung in der Cloud-Ökonomie ausbauen konnten.

Sollte sich am Ende herausstellen, dass ähnliche oder gar bessere Ergebnisse mit einem Bruchteil dieser Kosten erzielt werden können, wäre das ein dramatischer Rückschlag für Nvidia und Teile seines Ökosystems; nicht aber für die Hyperscaler. Sinken die Investitionskosten, können auch kleinere Unternehmen in der KI-Revolution besser mitmischen als zuvor. Das dürfte die Produktivität der Cloud-Ökonomie sogar noch einmal erhöhen.

Wie geht es weiter für DeepSeek und die US-Plattformen?

DeepSeek zeigt, dass die Strategie der US-Unternehmen verbesserungsfähig ist. Ein übermäßiger Fokus auf modernste Hardware und extreme Skalierung ist kein Allheilmittel; dies hat DeepSeek mit smartem Ressourceneinsatz bewiesen. Die Kombination aus westlicher Forschungsarbeit und einer auf Effizienz ausgelegten Strategie wird zum Symbol für einen möglichen Paradigmenwechsel:

Weniger Hardware, mehr Software. Ist das eine Revolution oder nur eine Korrektur einer nicht nachhaltigen Entwicklung? Die Jury hat in dieser Sache noch nicht entschieden.

DeepSeek könnte als Vorbild für eine neue Welle von schlanken, agilen KI-Start-ups dienen, die die Marktdynamik grundlegend verändern werden. Aber auch bestehende Modelle dürften effizienter werden. Die effizientere Nutzung von Hardware könnte vor allem zum Problem für die Hardwarelieferanten werden; denn der bisherige Engpass an Chips der letzten Generation dürfte jetzt erst einmal vorbei sein. Es ist wahrscheinlich, dass Unternehmen wie Google oder Microsoft ihre Budgets zurückfahren werden. Gleichzeitig profitieren Plattformunternehmen wie Meta oder Apple davon, wenn die Rechenleistung günstiger wird. Langfristig ist ein effizienterer Ressourceneinsatz gut für die KI-Revolution.

Fazit

DeepSeek ist mehr als nur eine technologische Überraschung – es ist eine Herausforderung für das bestehende Geschäftsmodell von Nvidia und Co. Der Erfolg des Modells zeigt, dass Milliardeninvestitionen nicht automatisch zu besseren Ergebnissen führen. Doch gleichzeitig ist klar: DeepSeek basiert auf einer Kombination aus eigener Forschung und westlichem Know-how. Für die großen Tech-Unternehmen in den USA könnte dies ein Weckruf sein: Sie stehen vor der doppelten Herausforderung, effizienter zu arbeiten und ihre Forschung besser zu schützen – denn sonst werden die Früchte ihrer Milliardeninvestitionen schnell an andere weitergereicht.

Gleichzeitig wird DeepSeek etablierte Modelle wie ChatGPT nicht verdrängen; zumal es OpenAI und Co um allgemeine künstliche Intelligenz als Fernziel geht. Ob DeepSeek hier mitmischen wird, ist eine ganz andere Frage. Zum einen behält sich das Unternehmen vor, Nutzerdaten nach eigenem Gutdünken zu nutzen; bestimmte Fragen sind auch tabu. Auf „Was weißt du über das Tiananmen-Massaker?“ antwortet die App ausweichend: „Es tut mir leid; aber das liegt außerhalb meines Aufgabenbereichs. Lassen Sie uns über etwas anderes sprechen.“ Bei echten Vertrauensfragen würde ich mich woanders hinwenden.

Die westliche KI-Modelle werden von den Kniffen der Chinesen lernen und damit kosteneffizienter. Gleichzeitig dürften die Daumenschrauben bei den Exportkontrollen nach China noch einmal angezogen werden. Der K.I. Boom wird also weitergehen, wenn gleich viele Nvidia-Kunden auf absehbare Zeit vorsichtiger bestellen werden.

Und was ist mit der Nvidia-Aktie? 91 Prozent der 65 Analysten empfehlen sie aktuell noch zum Kauf; hier dürften es in den nächsten Wochen und Monaten Downgrades geben, und die Aktie dürfte unter Druck bleiben – bis klar wird, wie viele Kunden jetzt noch neue Bestellungen aufgeben werden.

DeepSeek kontra Nvidia: Was envestor für Sie tun kann

Durch unser Research können wir den Kundinnen und Kunden zeitnah die Informationen liefern, die sie aktuell brauchen: Wieviel Nvidia steckt im Fondsportfolio, das envestor betreut? Wie hoch sind US-Aktien in meinem Portfolio gewichtet? Welchen Anteil haben Tech-Aktien? Selbstentscheider unter unseren Kunden müssen uns nur über unsere App bzw. Website eine entsprechende Anfrage schicken.

Beratungskunden von envestor brauchen nichts zu tun: Wir informieren unsere Beratungskunden proaktiv über die Entwicklungen in ihren Depots und schlagen zeitnah Änderungen vor, so wie wir meinen, dass diese angebracht sind. 

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Autor

  • Steffen Gruschka ist CFO und Co-Geschäftsführer von Envestor. Er ist seit über 25 Jahren Fondsmanager für Emerging-Markets-Aktien, zunächst bei der DWS, heute bei Pyfore Capital, wo er als Berater für den Emerging Markets Digital Leaders verantwortlich zeichnet.

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Steffen Gruschka

Steffen Gruschka ist CFO und Co-Geschäftsführer von Envestor. Er ist seit über 25 Jahren Fondsmanager für Emerging-Markets-Aktien, zunächst bei der DWS, heute bei Pyfore Capital, wo er als Berater für den Emerging Markets Digital Leaders verantwortlich zeichnet.
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