ETF-Fusionen Banken

ETF-Fusionen machen Anlegern das Leben schwer

Im zweiten Teil unserer ETF-Auswertung geht es um die Frage, warum die ETF-Bilanz unerwartet schwach ausfällt und sind bei den ETF-Anbietern fündig geworden. Wir haben zwei wesentliche Ursachen ausgemacht und geben Anleger Hinweise, wie sie für größtmögliche Stabilität im ETF-Portfolio sorgen können.

Im ersten Teil unserer Auswertung zur ETF-Bilanz haben wir festgestellt, dass unter Berücksichtigung liquidierter ETFs der Erfolg der börsennotierten Indexfonds in vielen Kategorien überraschend schwach ausfällt. Im zweiten Teil identifizieren wir die zwei Hauptursachen für die Tatsache, dass viele ETFs in unserer Zehnjahresauswertung durchgefallen sind: Eine zehnjährige Periode am Markt zu überleben und zugleich den Durchschnitt ihrer Kategorie outzuperformen, gelingt vielen ETFs nicht.

Zur Erinnerung: Besonders schwach fällt die ETF-Bilanz in den Kategorien Aktien China, Sektor Aktien Versorger, Sektor Aktien Telekoms, Sektor Aktien Konsumgüter, Sektor Aktien Industrie, Sektor Aktien Technologie, Sektor Aktien Gesundheit, Europa Nebenwerte, Aktien Asien-Pazifik, Aktien Dividenden Welt und Aktien Lateinamerika. Weniger als ein Viertel der ETFs in diesen Sektoren konnten den Durchschnitt ihrer Kategorie übertreffen. Zwei wichtige Gründe lassen sich identifizieren:

ETF-Bilanz: Schlechte Indizes, schwache Performance

Es gibt Märkte, in denen Indizes klumpig sind, also schwach diversifiziert. Miese Indizes gibt es auch dann, wenn aus Liquiditätsgründen ETFs kein gutes Abbild der Märkte liefern. Dann gibt es Indizes, die schlicht schlechte Spiegelbilder ihrer Märkte sind und, schlussendlich gibt es schlecht konstruierte Indizes, die dazu prädestiniert sind, schlechte Ergebnisse zu liefern. Gehen wir etwas in die Tiefe:

Viele Länderindizes, die kleinere Märkte wie Emerging-Markets-Länder abbilden, weisen ein Übergewicht in einzelnen Branchen auf. Griechenland ist ein Paradebeispiel. Hier dominieren Banken und andere Finanzdienstleister mit Indexanteilen von über 50 Prozent. Das war nicht immer so. Das Beispiel von Coca-Cola Hellenic zeigt, wie schlecht ETFs seismische Marktveränderungen abbilden.

Inmitten der Griechenland-Krise 2012 verkündete der Cola-Abfüller, seinen primären Listing-Ort von Athen nach London zu verlagern, um einen besseren Zugang zu Investoren zu erhalten und dem griechischen Chaos zu entgehen. Das war ein schwerer Schlag für die Athener Börse – und damit die griechischen Aktienindizes. Sie verloren ihr größtes Unternehmen an London. Seit 2013 ist das griechische Unternehmen, das seinen Firmensitz zur selben Zeit in die Schweiz verlegte, Mitglied im FTSE-100-Auswahlindex Großbritanniens. Den Griechenland-Indizes – und damit den Griechenland-ETFs – erhalten blieben dagegen griechische Banken, die lange Zeit als nicht investierbar galten. Aktive Fondsmanager sorgen für mehr Diversifikation und können mit derartigen Performance-Fallen besser umgehen als ETFs.  

Marode „Klassiker“ sind bei ETFs oft gesetzt

Die hohe Gewichtung von den Top-Tech-Plattformen in US-Aktienindizes vermitteln ein glamouröses Bild von ETFs: immer auf der Höhe der Zeit, immer in die Gewinner der AI-Revolution investiert. Aber Nvidia, Microsoft, Amazon und Co. reflektieren eher den „American Moment“ und nicht grundsätzliche Vorteile von ETFs. Gerade in Märkten mit großen Platzhirschen in traditionellen Branchen sind innovative Unternehmen Mangelware. Im Gegensatz zu den USA sind Fintechs und E-Commerce-Plattformen in Emerging Markets-ETFs seltene Perlen – nicht nur, weil sie klein sind, sondern auch, weil sie sich oft an den Börsen in New York oder London listen lassen, um Zugang zu westlichem Kapital zu bekommen. Dann sind es aber laut MSCI und Co. keine Emerging Markets-Player.

Die brasilianische Nubank beispielsweise lehrt gerade den Banken-Platzhirschen Brasiliens das Fürchten – diese dominieren jedoch den Finanzsektor der brasilianischen Börse, weil Nubank in den USA gelistet ist und somit nach der Logik von MSCI und Co. kein brasilianisches Unternehmen ist. Weil Indizes den Listing-Standort zum Maß aller Dinge machen und nicht den wirtschaftlichen Schwerpunkt der Unternehmen, gehen ETF-Anlegern wichtige Unternehmen durch die Lappen.

Das kasachische Fintech Kaspi, das am Heimatmarkt Furore macht, findet sich ebenfalls nicht in Emerging Markets-ETFs, da es von Index-Anbietern als Teil der Frontier-Märkte eingestuft wird. Aktive Manager haben den Vorteil, sich nicht an die Index-Logik halten zu müssen und greifen beherzt zu. . Nubank und Kaspi sind keine Einzelbeispiele für die schlechte Repräsentativität von Indizes für die wirtschaftliche Realität in vielen Ländern.

Sektor- und Dividenden-ETFs sind Anlegers Albtraum

Sektor-ETFs machen wegen ihrer Kopflastigkeit Anlegern Kopfschmerzen – insbesondere dann, wenn Größe und Erfolg eines Unternehmens nicht so richtig Hand in Hand gehen. Europäische Telekom-ETFs werden beispielsweise von Unternehmen wie Deutsche Telekom, Orange und Vodafone dominiert. Diese Unternehmen sind eher träge Versorger und alles andere als Wachstums-Champions. Im Invesco STOXX Europe 600 Telecom ETF macht die Deutsche Telekom knapp 20 Prozent des Gewichts aus. Weil Fonds schärferen Diversifikationsregeln unterliegen als ETFs, ist diese Unwucht ein fragwürdiges Privileg der Index-Tracker. In den vergangenen zehn Jahren haben Telekom-ETFs mitunter jedes Jahr 5-6 Prozentpunkte schlechter performt als der Durchschnitt der Telekom-Sektor-Fonds.

Auch europäische Banken-Sektor-ETFs sind  kopflastig. Euroland-Banken-ETFs weisen zweistellige Gewichte bei  Euro-Südbanken wie Banco Santander, BNP Paribas, Unicredit oder Entesa Sanpaolo auf. Gerade in den vergangenen zehn Jahren war die Performance dieser großen Legacy-Banken schwach. Auch hier belief sich die ETF-Underperformance gegenüber dem Sektordurchschnitt oft bei 5-6 Prozentpunkten pro Jahr seit 2014.

Dividenden-ETFs sahen im Vergleich zu Fonds der identischen Kategorien ebenfalls oft schlecht aus. Egal, ob britische, deutsche, asiatisch-pazifische oder Euroland-Dividenden-ETFs: die Underperformance war im Schnitt erheblich und bewegte sich seit 2014 im Bereich von 2 bis 3 Prozentpunkte pro Jahr.

ETF-Liquidierungen stiften Chaos bei Anlegern

Man muss sich die Zahlen auf der Zunge zergehen lassen: Von allen ETFs, die jemals in Europa gelistet wurden, sind rund 40 Prozent inzwischen wieder vom Markt genommen worden. Egal, ob man dabei sogenannte ETCs, die zumeist einzelne Rohstoffpreise abbilden, oder auch unbesicherte börsennotierte „Notes“ (ETNs) dazu nimmt oder nicht: Die Quote der Liquidationen changiert zwischen 40 und 45 Prozent. Das kann Anlegern gehörige Kopfschmerzen verursachen.

Im ersten Teil unserer zweiteiligen Reihe haben wir gezeigt, in welchen Kategorien die meisten ETFs liquidiert wurden, heute blicken wir auf die Bilanz der Anbieter. Dabei folgen wir dem identischen Schema wie im ersten Teil: Wir schauen, wie viele ETFs die wichtigsten Anbieter im Jahr 2014 hatten, wie viele davon zehn Jahre später übriggeblieben sind – und wie deren Erfolgsquoten waren.

ETF-Fusionen Tabelle

Daten per 31.3.2024, Quelle: Morningstar  

Wie die obere Tabelle zeigt, gibt es viel Bewegung bei den großen Anbietern am Markt. Recht gut sieht die Bilanz noch beim Marktführer iShares aus. Von den 231 ETFs am Markt im Jahr 2014 haben bis 2024 85 Prozent überlebt, und 60 Prozent der ETFs haben ihre Kategoriedurchschnitte übertroffen. Weniger überzeugend sieht die Bilanz bei der DWS-Tochter Xtrackers aus. Hier überlebten nur knapp 60 Prozent der ETFs, die 2014 am Markt waren. Outperformt haben 37 Prozent der ETFs.

Die mit Abstand beste Bilanz hat der US-Anbieter Vanguard. Alle ETFs, die 2014 am Markt waren, haben das Licht des Jahres 2024 erblickt. Daher kommt die überragende Erfolgsbilanz von 89 Prozent. Auch PIMCO zeichnet sich durch eine stabile Produktpalette aus. Alle sechs ETFs aus dem Jahr 2014 waren noch 2024 am Markt. Die Outperformance-Quote von 66 Prozent war ordentlich, aber nicht so gut wie die von Vanguard-ETFs. Auch VanEck, ein Spezialanbieter unter den ETF-Produzenten, kann mit einer konservativen Produktpolitik überzeugen. Anders sieht das Bild bei Lyxor und Amundi aus, das wir im Folgenden genauer ausleuchten.

Aus Comstage wird Lyxor wird Amundi

Das auffälligste Ereignis in der ETF-Branche in Europa, das viel Unruhe für Anleger brachte, war die Konsolidierung ab 2018. Die Commerzbank-Tochter Comstage wurde seinerzeit von Lyxor übernommen; Lyxor wurde wiederum 2021/22 von Amundi geschluckt. Das hatte das Verschwinden eines der drei großen Anbieter am europäischen ETF-Markt zur Folge: Lyxor, der drittgrößte ETF-Produzent hinter iShares (BlackRock) und Xtrackers wurde von Amundi übernommen, in der zweiten Jahreshälfte 2023 verschwand die Marke Lyxor vom Markt.

Die Umbenennung von Lyxor-ETFs zu Amundi-ETFs dürfte Anleger nicht gekratzt haben – schließlich sind ETF-Brands keine Luxusgütermarken wie Bulgari oder Rolex, sondern sind von der Wertigkeit mutmaßlich eher bei den Eigenmarken von Supermarktketten anzusiedeln. Die Übernahme war in anderer Hinsicht folgenreich für Anleger. Das liegt an den zahlreichen Fusionen und Liquidierungen. Von den 134 Lyxor/Amundi ETFs, die 2014 am Markt waren, haben bis Ende März 2024 nur 35 ETFs überlebt. Das liegt an der Schließung und Fusionierung zahlreicher Lyxor-ETFs. Liquidierungen sind für Anleger deshalb ärgerlich, weil der Anlageprozess unterbrochen wird und dadurch häufig außerplanmäßig Abgeltungssteuer bezahlt werden muss.

ETF-Fusionen klingen zunächst harmlos. Zwei ETFs, die identische Indizes abbilden, werden zusammengelegt. Das nehmen viele Anleger nicht einmal wahr. Doch so reibungslos läuft es nicht immer ab. Oftmals stimmen die Indizes der abgebenden und aufnehmenden ETFs nicht miteinander überein. ETF-Anbieter geben zumeist an, bei Fusionen identische Märkte abbilden zu wollen, sodass sich nichts Wesentliches für Anleger ergebe. Was „wesentlich“ ist, liegt aber im Auge des Betrachters. Oftmals weichen die Zielmärkte doch voneinander ab.

Beim Übergang von Lyxor zu Amundi wurde etwa aus dem Lyxor Nikkei 225 der Amundi MSCI Japan ESG. Der Lyxor STOXX Europe 600 Travel und Leisure wurde auf den Amundi STOXX Europe 600 Consumer Discretionary ETF, der Lyxor STOXX Europe 600 Food & Beverage wurde auf den Amundi STOXX Europe 600 Consumer Staple ETF fusioniert. Recht häufig wurden die Anlageziele damit modifiziert. Auffällig ist, dass in diesem Zuge konventionelle ETFs auf ESG-ETFs verschmolzen wurden. Fand dies aufgrund von Petitionen von Anlegern statt, die mehr nachhaltige ETFs forderten? Oder kommt bei der Umwidmung von ETF-Strategien vielleicht der Wunsch des ETF-Anbieters zum Ausdruck, möglichst viele Nachhaltigkeits-ETFs anzusammeln und sich als ESG-Champion unter den ETF-Anbietern zu präsentieren? Eben!

ETF-Fusionen wurden bei Amundi mitunter zu einem für Anleger teuren Vergnügen. Denn grenzüberschreitende Fusionen werden steuerlich als Verkauf gewertet. Das bedeutet, dass bei der Übertragung Abgeltungssteuer fällig wurde. So geschehen beim milliardenschweren Luxemburger ETF Lyxor Net Zero 2050 S&P 500 Climate PAB, der auf den irischen Amundi S&P 500 Climate Net Zero Ambition fusioniert wurde. Auch die Fusion des S&P Small Cap 600 auf den S&P Small Cap 600 ESG hatte nicht nur ein verändertes Anlageuniversum zur Folge, sondern auch hier wurden Anleger zur Kasse gebeten und mussten Abgeltungssteuer berappen. Was in der ETF-Industrie als smarter Konsolidierungsschritt von Amundi gefeiert wurde, war für Anleger ein mitunter unangenehmer „Event“.

Vanguard und PIMCO zeigen, dass es auch anders geht

ETFs werden als Fonds-Bezwinger gefeiert. Das geschieht oftmals zu Recht, da viele ETFs in den großen Kategorien wie Aktien USA, Aktien Welt, Aktien Japan und Aktien Europa wegen ihrer Kostenvorteile und breiten Streuung besser abschneiden als aktiv verwaltete Fonds. Die Bilanz aktiv verwalteter Fonds wird einmal durch ihre Underperformance belastet, aber auch durch Fonds-Liquidationen.

Der Nimbus der Unfehlbarkeit ist bei ETFs allerdings deshalb unangebracht, weil auch ETFs in manchen Segmenten Performance-Probleme haben, wie wir oben festgestellt haben. Noch gravierender sind jedoch die zahlreichen Fusionen und Übernahmen in der ETF-Szene. Sie gehen darauf zurück, dass die Margen, die ETF-Anbieter verdienen, gering sind und sie durch Übernahmen versuchen, Kostenvorteile durch Skaleneffekte zu erzielen. Diese Fusionen haben viel Unruhe bei ETF-Anlegern verursacht.

Aufsehen erregt haben die Mega-Deals Comstage-Lyxor-Amundi, aber Fusionen und Übernahmen sind auch bei kleineren Häusern die Regel, wie die jüngste Übernahme von Rize ETF durch ARK Invest zeigte. Zuvor waren Wisdom Tree und ETF Securities zusammengegangen. Anleger tun gut daran, bei der ETF-Auswahl auch auf die Stabilität des Anbieters zu achten. Hier haben in den vergangenen Jahren Vanguard, PIMCO und auch die britische L&G durch Konstanz geglänzt. 

Über den Autor

Picture of Ali Masarwah

Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
Nach oben scrollen