Dividenden für Fondsanleger

Dividenden für Fondsanleger: Die Chancen und die Tücken

Wie wichtig sind Dividenden für Fondsanleger? Alle Jahre wieder kommt die Dividendensaison, und jedes Mal hagelt es Fakten, Halbwahrheiten, Mythen und Irrelevantes. Zeit, dass Anleger Ordnung in den Wust bringen, das ein sehr wichtiges Investment-Thema betrifft.

Pünktlich zum Beginn der Dividendensaison wurde auch dieses Jahr die Dividendenstudie der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) veröffentlicht.  Sie sorgt für immer dieselben Schlagzeilen: prima, prima Rekorde. So auch in diesem Jahr. 62,5 Milliarden Euro, so hat der DSW mit dem Institut for Strategic Finance ermittelt, schütten die 160 in DAX, MDAX und SDAX gelisteten Unternehmen an ihre Aktionäre aus. Dabei sorgen Banken und Autohersteller für das Gros der Dividenden. Damit sei, so die Dividendenstudie 2024 ein neuer Rekord aufgestellt worden. Doch was bedeutet das für Fondsanleger? Wir wollen dem in einem Frage-Antwort-Spiel nachgehen.

Wie wichtig sind Dividenden für den Ertrag von Aktienfonds?

Zumeist sehr wichtig. Untersuchungen zeigen, dass – je nach Region – 20 bis 50 Prozent des gesamten Aktienertrags aus Dividenden resultiert. Das gilt entsprechend auch für Aktienfonds. Die oben genannte Spanne zeigt allerdings, dass es erhebliche Unterschiede gibt. Dividenden sind für solche Portfolios bzw. Märkte von Bedeutung, in denen traditionelle Branchen wie Banken, Automobilhersteller, Telekoms oder Energie-Werte stark vertreten sind. Dividenden-Portfolios sind also, etwas verkürzt gesagt, Value-Portfolios. Beispiele hierfür sind der deutsche oder der britische Aktienmarkt, in denen klassische Branchen wie Autos, Industrie, Chemie, Rohstoffe, Tabak, Energie und Banken dominieren.

Ein DAX ohne Dividende wäre noch weniger als das sprichwörtliche Salz in der Suppe, wie der untere Chart zeigt. Die rote Linie zeigt die Performance des DAX, wie wir ihn kennen: Er kommt durch die Kombination aus Dividenden und Kurssteigerungen (Total Return, TR) zustande. Die blaue Linie zeigt den Kurs-DAX (Price Return, PR), also ohne Berücksichtigung von Dividenden. In den vergangenen 20 Jahren lag der TR mit einem Plus von 347 Prozent meilenweit vor dem PR-DAX, der um 145 Prozent stieg.

Dieser Unterschied ist auf den Zinseszins-Effekt zurückzuführen. Die Thesaurierung von Ausschüttungen, das sogenannte Compounding, ist das Erfolgsrezept der Aktienanlage.

Dividenden Performance DAX PR vs TR

Performance seit dem 13.4.2004, in Euro und Prozent, Stand: 12.4.2024, Quelle: Morningstar

Wo sind Dividenden weniger wichtig?

Die Dividende ist, wir haben es oben bereits angedeutet, vor allem in Portfolios bzw. Märkten wichtig, in denen traditionelle Wirtschaftssektoren stark vertreten sind. Traditionell sind Dividendenwerte in Value-Portfolios vertreten. Das ist heute auch so.

Anders sieht es in Wachstumsbranchen wie Technologie, Biotechnologie und anderen Wachstumsbereichen in der digitalen Ökonomie aus. So haben Dividenden eine weitaus geringere Bedeutung etwa für den Nasdaq, dem Markt für die wachstumsstärksten Unternehmen der Welt.

Im Auswahlindex Nasdaq 100 etwa liegt die Dividendenrendite bei durchschnittlich 1,13 Prozent. Microsoft kommt auf 0,74 Prozent, Apple auf gerade einmal 0,57 Prozent. Unternehmen wie AMD, Amazon, Alphabet, Tesla, Netflix oder Warner Bros. schütten keinen Cent aus. Die Cash-Maschine Meta machte dieses Jahr mit der Ankündigung Schlagzeilen, erstmals Anlegern Geld in Form von Dividenden zurückzugeben. Hier liegt die Rendite bei sage und schreibe 0,4 Prozent.  Je nach Ausschüttungshäufigkeit und Gebührenhöhe kommen bei Anlegern in Nasdaq-100-ETFs rund 0,6 Prozent Dividendenrendite pro Jahr an.

Wer in Growth-Portfolios investiert, kommt auch ohne Ausschüttungen aus. Das zeigt die untere Grafik. Der Nasdaq 100 PR, der ohne Dividenden berechnet wird, stieg in den vergangenen 20 Jahren um 1.103 Prozent. Auch wenn das deutlich weniger ist als die 1.338 Prozent bei der Total-Return-Variante des Nasdaq 100, so verblasst dagegen der Old-Germany-Index in seiner TR-Variante mit seinem Plus von unter 350 Prozent im selben Zeitraum.

PS: Dividendenfonds, deren Strategie den Schwerpunkt auf das „Dividendenwachstum“ setzen, also auf die Fähigkeit von Unternehmen, die Dividende nachhaltig zu steigern, sind in gewisser Weise ein Oxymoron: Gerade Dividenden-Anleger wollen den Spatz in der Hand haben und schielen gerade nicht auf die Taube auf dem Dach, die für irgendwann einen Dividenden-Reigen in Aussicht stellt. Dividenden-Qualität ist auf der Spielwiese des Quality-Faktors beheimatet, der von Warren Buffett und Charlie Munger mit ihrem Wide-Moat-Ansatz geprägt wurde. Ja, genau, der Warren Buffett, der mit Dividenden nichts anfangen kann.  

Dividenden Performance Nasdaq PR vs TR

Performance seit dem 13.4.2004, in Euro und Prozent, Stand: 12.4.2024, Quelle: Morningstar

Für welche Fondsanleger sind Dividenden von Bedeutung?

Trennt man Aktienfonds funktional von den zugrunde liegenden Aktien, dann stelle ich die These auf, dass Dividenden für die allermeisten Fondsanleger unmittelbar wenig Relevanz haben. Denn es kommt auf den totalen Ertrag an, der auf Fondsebene erzielt wird. Der wiederum speist sich aus Kursgewinnen und Dividenden/Kupons der Wertpapiere im Fonds. Wer nur auf die Dividenden bzw. auf die daraus resultierenden Fondsausschüttungen schaut, droht, sich ein Portfolio aus wenig wachsenden Unternehmen zusammenzustellen. Unternehmen, die ihre Gewinne größtenteils oder sogar vollständig ausschütten, investieren weniger als Wachstums-Unternehmen. Wachstumsfirmen in seinem Portfolio außen vorzulassen, war im vergangenen Jahrzehnt nichts weniger als desaströs. Und wird es mutmaßlich weiterhin sein.

Der untere Chart zeigt den Performance-Unterschied zwischen dem MSCI World, MSCI World Growth und dem MSCI World Dividend in den vergangenen 20 Jahren. Er sagt mehr als 1.000 Wort.

Fun Fact: Wer in ein breit aufgestelltes Portfolio investiert, hat „automatisch“ auch in Hochdividendenzahler wie Immobilienunternehmen, Banken oder in Automobilwerte investiert – allerdings in homöopathischen Dosen. Die Menge macht bekanntlich das Gift. 

Dividenden Performance MSCI World Growth Dividend

Performance seit dem 13.4.2004, in Euro und Prozent, Stand: 12.4.2024, Quelle: Morningstar

Aber was machen Anleger, die stetige Erträge brauchen?

Wer darauf angewiesen ist, seinem Fondsportfolio laufende, also regelmäßige Erträge zu entnehmen, sollte einen Blick auf Anleihenfonds werfen. Denn die erfüllen genau die Funktion, die Anleger in der Konsumphase benötigen. Der Zins ist zurück, und es gibt keinen Grund, warum Anleger den Slogan „Dividenden sind der neue Zins“, der immer schon gefährlicher Blödsinn war, beherzigen sollten. Mehr dazu weiter unten.

Technisch gesehen können Anleger auf jeden beliebigen Fonds, zumindest bei anlegerfreundlichen Finanzdienstleistern, einen kostenlosen Auszahlplan legen. Dabei ist es auch egal, ob es sich um einen thesaurierenden oder ausschüttenden Fonds handelt. Anleger können wählen, ob Depotbanken die Fondsausschüttungen weiterreichen oder aber umgehend reinvestieren. Anleger sollten Ausschüttungen mit dem sogenannten totalen Ertrag generieren.

Optimale Ausschüttungen bieten derzeit gering schwankende Kurzläufer-Rentenfonds. Angesichts der inversen Zinskurve haben diese Fonds aktuell die attraktivsten Renditen. Sollte sich das ändern, kommen „herkömmliche“ Rentenfonds ins Spiel, wobei hier die Laufzeitrisiken zu beachten sind. 

Vorsicht ist übrigens bei Fonds oder ETFs angebracht, die mit sehr hohen laufenden Erträgen werben. Wer eine Ausschüttungsrendite von sieben, acht, neun oder sogar mehr Prozent in Aussicht stellt, geht mitunter an die Fonds-Substanz und wirft Fragen nach der Qualität bzw. Risiko seines Portfolios auf. Eine hohe Dividendenrendite kann auch aus einer scharfen Kurskorrektur resultieren. Das ist bei Unternehmen der Fall, die in Schwierigkeiten sind. Dann ist aber auch die Dividende in Gefahr.

Ist der DAX-Dividenden-Reigen für Fondsanleger irrelevant?

Ja. Dividenden sind zwar wichtig für die Aktien-Performance, aber der Umkehrschluss gilt nicht: Man verbessert die Aktien-Performance nicht, indem man auf Aktien mit hohen Dividendenrenditen setzt. Der obere Vergleich zwischen dem MSCI World und seinem Dividenden-Pendant zeigt, dass es auch gefährlich sein kann, die Dividende als Auswahlkriterium für Fonds oder ETFs einzusetzen. Eine langfristige Underperformance ist das größte Risiko, das Anleger eingehen können. Es ist viel größer als punktuelle Marktkorrekturen, die zudem jedes Risiko-Investment irgendwann treffen. 

Die Dividendenrendite ist ein denkbar schlechtes Maß für die Auswahl eines Fonds oder ETFs, weil sie eine falsche Assoziation mit Anleihen weckt. Für Buy-and-Hold Investoren auf der Anleihenseite ist die Rendite das einzig entscheidende Maß für die Performance. Eine klassische Anleihe liefert konstante Kupons, und am Ende der Investition wird die Anleihe – „die 100“ – in der Regel vollständig zurückgezahlt.

Anders bei Aktien: Hier ist das Kursrisiko so hoch, dass die Dividendenrendite nichts über die Rückzahlung der Investitionssumme aussagt. In Krisenzeiten können Aktien um 30, 40, 50 Prozent und mehr einbrechen; gerät ein Unternehmen in Schwierigkeiten, wird die Dividende gestrichen, derweil die Anleihen weiter bedient werden; nicht zuletzt werden Anleiheninvestoren bei einer Insolvenz gegenüber den Eigenkapitalgebern bevorzugt aus der Insolvenzmasse bedient. Aktien besitzen also eine gänzlich andere Risikostruktur als Anleihen.

Vor diesem Hintergrund verblasst der Glanz der vermeintlich sensationellen DAX-Ausschüttung für Fondsanleger. Zumal die Dividendenrendite beim deutschen Leitindex heute gerade einmal bei 2,4 Prozent liegt. Das ist in etwa gleich viel wie die Rendite zehnjähriger Bundesanleihen. Bedenkt man dann noch, dass der DAX zu rund 60 Prozent aus volatilen zyklischen Branchen (Autos, Banken, Industrie, Chemie, Immobilien) besteht, dann illustriert das, wie gefährlich Schlagzeilen wie „Dividenden sind der neue Zins“ für Anleger sein können. Dividenden sind vieles, aber sie sind kein gutes Maß für die Beurteilung der Qualität von Portfolios – und somit sind Dividenden-Investments keine tragfähige Anlagestrategie.

Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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