ETF-Risiken SRI

Fonds- und ETF-Risiken verstehen: Der Risiko-Indikator SRI

Wir gehen in einer lockeren Serie den Fonds- und ETF-Risiken auf den Grund. Im ersten Teil stellen wir den Risiko-Indikator SRI vor, den die EU-Regulierung vorgibt. Wie funktioniert er? Was fließt in seine Berechnung ein? Warum wurde er eingeführt und was sagt er in der Praxis tatsächlich aus?

Definition und Zusammensetzung des SRI

Der Gesamtrisikoindikator (Summary Risk Indicator, SRI) ist ein zentrales Element des Basisinformationsblatts für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIPs). Er soll Anlegern auf einen Blick das Gesamtrisiko eines Produkts vermitteln. Der SRI besteht aus zwei Hauptkomponenten: dem Marktrisiko (MRM) und dem Kreditrisiko (CRM). Diese werden zu einer Gesamtbewertung auf einer Skala von 1 (niedrigstes Risiko) bis 7 (höchstes Risiko) zusammengefasst.

Funktionsweise und Berechnung des SRI

Die Berechnung des Summary Risk Indicator (SRI) erfolgt in drei Hauptschritten: Zunächst wird das Marktrisiko (Market Risk Measure, MRM) ermittelt, dann das Kreditrisiko (Credit Risk Measure, CRM) bewertet und schließlich werden beide Komponenten zum Gesamtrisikoindikator aggregiert.Für die Berechnung des Marktrisikos wird das PRIIP zunächst einer von vier Kategorien zugeordnet. Für Kategorie 2 und 3 PRIIPs wird die annualisierte Volatilität (VEV) berechnet, basierend auf historischen Renditen oder simulierten Werten. Die VEV wird dann einer MRM-Klasse von 1-7 zugeordnet. Bei Kategorie 1 PRIIPs wird standardmäßig die MRM-Klasse 6 oder 7 vergeben, während für Kategorie 4 PRIIPs eine komplexere Bewertung erforderlich ist. Das Kreditrisiko wird anhand der Bonität des Emittenten oder relevanter Gegenparteien bewertet und in eine CRM-Klasse von 1-6 eingestuft, wobei externe Ratings oder standardisierte Bewertungen verwendet werden.

Abschließend werden MRM und CRM in einer vordefinierten Matrix kombiniert, um die endgültige SRI-Klasse auf einer Skala von 1 (niedrigstes Risiko) bis 7 (höchstes Risiko) zu bestimmen. Diese Methodik berücksichtigt sowohl die Volatilität des Produkts als auch potenzielle Ausfallrisiken und liefert Anlegern einen umfassenden Risikoindikator.

Der SRI von Fonds- und ETF-Risiken: Besonderheiten

Bei der Berechnung des SRI für offene Fonds und ETFs, die als Sondervermögen strukturiert sind, gibt es einen wesentlichen Unterschied zur Berechnung bei Zertifikaten: Für Fonds und ETFs als Sondervermögen wird in der Regel nur das Marktrisiko (MRM) berücksichtigt, da das Fondsvermögen vom Vermögen der Kapitalverwaltungsgesellschaft getrennt ist. Das bedeutet, dass selbst bei einer Insolvenz der Verwaltungsgesellschaft das Fondsvermögen geschützt bleibt und an die Anleger ausgezahlt werden kann. Daher wird das Kreditrisiko (CRM) bei der SRI-Berechnung für Fonds und ETFs meist nicht einbezogen oder als sehr gering eingestuft.

Bei Zertifikaten hingegen, die als Inhaberschuldverschreibungen strukturiert sind, muss zusätzlich zum Marktrisiko auch das Kreditrisiko des Emittenten berücksichtigt werden. Zertifikate unterliegen einem Emittentenrisiko, da der Anleger im Falle einer Insolvenz des Emittenten sein investiertes Kapital ganz oder teilweise verlieren kann. Daher fließt bei Zertifikaten sowohl das MRM als auch das CRM in die Berechnung des SRI ein, was potenziell zu einem höheren Gesamtrisikoindikator führen kann.

Diese unterschiedliche Behandlung spiegelt die verschiedenen rechtlichen Strukturen und damit verbundenen Risiken von Fonds/ETFs als Sondervermögen einerseits und Zertifikaten als Schuldverschreibungen andererseits wider.

„Für Fonds und ETFs als Sondervermögen wird in der Regel nur das Marktrisiko (MRM) berücksichtigt“

SRI: Der Vergleich zum Vorgänger SRRI

Der SRI hat einen Vorläufer, der ähnlich klingt, den SRRI (Synthetic Risk and Reward Indicator). Dieser wurde als Teil der UCITS IV-Richtlinie eingeführt, die am 1. Juli 2011 in Kraft trat. Diese Richtlinie führte das Key Investor Information Document (KIID) ein, das den SRRI als integralen Bestandteil enthielt.

Der SRRI wurde zum 31. Dezember 2022 durch den SRI (Summary Risk Indicator) ergänzt. Dies geschah im Rahmen der Umsetzung der PRIIPs-Verordnung (Packaged Retail and Insurance-based Investment Products), die ab dem 1. Januar 2023 auch für Investmentfonds verpflichtend anzuwenden ist.

Während der SRRI nur das Marktrisiko berücksichtigte, bezieht der SRI auch das Kreditrisiko ein. Zudem verwendet der SRI eine komplexere Berechnungsmethode und berücksichtigt zusätzliche Faktoren wie die empfohlene Haltedauer. Der SRRI basierte ausschließlich auf der historischen Volatilität.

Dynamik des SRI am Beispiel von Aktien-ETFs

Der SRI ist also keine statische Kennziffer. Aber wie sieht seine Dynamik in der Praxis aus? Die Entwicklung des SRI über Zeit kann anhand zweier hypothetischer Szenarien veranschaulicht werden: Ein Aktien-ETF startet mit einem SRI von 6. Nach fünf Jahren steigender Kurse und sinkender Volatilität könnte der SRI auf 5 oder sogar 4 fallen. Dies spiegelt die reduzierte Marktvolatilität wider, die zu einem vermeintlich niedrigeren Marktrisiko führt.

Ein Aktien-ETF beginnt mit einem SRI von 4. Nach fünf Jahren fallender Kurse und steigender Volatilität könnte der SRI auf 5 oder 6 steigen. Die erhöhte Marktvolatilität führt zu einem vermeintlich höheren Marktrisiko und damit zu einem höheren SRI.

Damit weist der SRI dieselben Defizite seines Vorläufers auf. Steigen die Aktienmärkte, sinkt die Volatilität. Allerdings hat die niedrige Marktvolatilität keine Vorhersagekraft für die nachfolgende Entwicklung. Schlimmstenfalls kann ein niedriger SRI Anleger sogar in Sicherheit wiegen. Denn steigende Märkte haben die Angewohnheit, mit zunehmender Dauer stärker korrekturgefährdet zu sein – der SRI gaukelt Anlegern mitunter also eine Scheinsicherheit vor.

Spiegelbildlich dazu sind Risikomärkte am Ende einer Korrektur maximal schwankungsreich – die Volatilität ist also deutlich erhöht. Dann sind allerdings die Risikoprämien am höchsten, also die Chancen für Anleger am größten. Doch der SRI gaukelt Anlegern eine weiter steigende Gefahr vor.

Zudem ist der SRI auch für „technische“ Änderungen anfällig. Ändert ein Produktanbieter die empfohlene Haltedauer, kann sich der SRI auch bei gleichbleibender Volatilität ändern. Auch hierzu ein Beispiel:Nehmen wir an, ein Aktienfonds hat folgende Eigenschaften:

  • Aktuelle Volatilität: 12% pro Jahr
  • Aktuelle empfohlene Haltedauer: 5 Jahre
  • Aktueller SRI: 4

Der Fondsmanager entscheidet nun, die empfohlene Haltedauer auf 3 Jahre zu verkürzen, während die Volatilität unverändert bei 12% pro Jahr bleibt.

In diesem Fall könnte sich der SRI trotz gleichbleibender Volatilität von 4 auf 5 erhöhen. Der Grund dafür ist, dass ein kürzerer Anlagehorizont bei gleicher Volatilität als risikoreicher eingestuft wird, da Anleger weniger Zeit haben, mögliche Kursschwankungen auszusitzen.

Was der SRI aussagt - envestor beantwortet Ihre Fragen

Trotz seiner Komplexität hat der SRI Grenzen. Er basiert teilweise auf historischen Daten, die nicht unbedingt zukünftige Entwicklungen vorhersagen. Zudem kann die Zusammenfassung verschiedener Risikoarten in einer einzigen Zahl zu Vereinfachungen führen. Anleger sollten den SRI daher als einen Indikator unter vielen betrachten und nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage nutzen. Zur Reduzierung des Portfolio-Risikos trägt übrigens die Diversifikation über verschiedene Fonds und ETFs bei, die in Aktien, Anleihen, Edelmetalle oder Cash investieren. Die Summe der Portfolio-Risiken ist oftmals niedriger als das Risiko des Einzelfonds. Dieser Aspekt wird nicht in der Risiko-Kennzahl SRI berücksichtigt.

Der SRI stellt einen Fortschritt in der Risikokommunikation für Anlageprodukte dar. Er bietet Anlegern eine standardisierte und vergleichbare Risikobewertung über verschiedene Produktkategorien hinweg. Dennoch erfordert eine fundierte Anlageentscheidung die Berücksichtigung weiterer Faktoren und eine ganzheitliche Betrachtung der individuellen Anlageziele und Risikotoleranz. 

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Autor

  • Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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