Zinseszins, geldgewichtete Rendite und zeitgewichtete Rendite – drei Fonds-Renditekennzahlen, die Anlegerinnen und Anleger kennen müssen. Was zunächst als akademische Debatte klingt, hat große Auswirkungen auf die Anlegerpraxis.
Der Zinseszins – der Turbo der Kapitalanlage
Der Zinseszins ist das Erfolgsgeheimnis des langfristigen Investierens – und dennoch wird seine Wirkung von vielen Anlegerinnen und Anlegern unterschätzt oder missverstanden. Im Kern beschreibt der Zinseszins den Effekt, dass nicht nur das ursprünglich investierte Kapital, sondern auch die darauf erwirtschafteten Zinsen oder Erträge, die im Laufe der Zeit reinvestiert und damit mitverzinst werden. Immer und immer wieder.
Der Zinseszins entfaltet über längere Zeiträume eine enorme Wucht. Ein Beispiel: Wer 10.000 Euro zu sieben Prozent pro Jahr in Aktien anlegt und die Dividenden reinvestiert, hat nach 30 Jahren einen Depotwert von gut 76.000 Euro. Wer sich bei einem vergleichbaren Investment die Dividenden von drei Prozent p.a. ausschütten lässt, hat am Ende mit dem Kursgewinn von annualisiert vier Prozent „nur“ 32.400 Euro auf der Habenseite. (Wir haben Steuern und Transaktionskosten für dieses Beispiel außen vorgelassen).
Exponentielle vs. linearer Verzinsung – der Unterschied ist frappierend und illustriert, warum Zeit an den Kapitalmärkten oft wichtiger ist als der Einstiegszeitpunkt oder die Auswahl des perfekten Produkts. „Time in the Market“ statt „Timing the Market“ sollte das Motto aller Langfristanleger sein. Die Formel hinter dem Zinseszins:
Es gibt einen wichtigen Pferdefuß zu beachten: Bei der Renditeberechnung von Fonds und ETFs wird immer der Zinseszins-Effekt unterstellt. Die sogenannte BVI-Methode, der Standard für die Performance-Berechnung, schreibt vor, dass Fondsgesellschaften auch bei ausschüttenden Fonds eine umgehende Reinvestition der Erträge aus Dividenden und Zinsen unterstellen. Das passiert, um die Leistungsstärke von ausschüttenden Fonds mit denen thesaurierender Fonds vergleichbar zu machen.
Die Fiktion, dass alle Erträge rechnerisch sofort wieder angelegt werden, führt bei vielen Investoren zu Verwirrung, weil sie unterstellen, dass sie zugleich Zinsen bzw. Dividenden auf dem Girokonto kassieren UND vom Zinseszins-Effekt profitieren. Das ist allerdings nicht der Fall – man kann nicht gleichzeitig den Spatz in der Hand haben und zusätzlich eine Option auf die Taube auf dem Dach besitzen. Für Anleger bedeutet das: Wenn ein Fonds mit „8 % p.a.“ wirbt, bezieht sich diese Zahl auf die geometrisch berechnete (Zinseszins-)Rendite. Die Rendite-Realität ist bei ausschüttenden Fonds oder ETFs – auch wegen der Abgeltungssteuer – indes eine andere.
Zeitgewichtete Rendite – das Fonds-Nirvana
Ausgestattet mit dem Wissen, was der Zinseszins-Effekt bewirkt, stellt sich nun die Frage: Wie misst man die Performance eines langfristigen Investments? Man gelangt typischerweise zur Idealbetrachtung der Rendite-Entwicklung eines Fonds oder ETFs, der zeitgewichteten Rendite. Die zeitgewichtete Rendite ist der Standard in der Fondsbranche und wird genutzt, um die Leistung eines Fondsmanagers möglichst objektiv zu bewerten. Sie misst, wie sich ein Investment entwickelt, wenn der Anleger von Anfang bis Ende einer Periode eine Einmalanlage getätigt hätte. (Im Fachjargon heißt die zeitgewichtete Rendite auch „Time-weighted Return, TWR)
Wie funktioniert das praktisch? Stellen Sie sich vor, Sie investieren in einen Fonds, der im ersten Jahr um 10 Prozent steigt, im zweiten Jahr um 15 Prozent zulegt und im dritten Jahr um 5 Prozent fällt. Die zeitgewichtete Rendite wird berechnet, indem für jedes Jahr die Rendite ermittelt und dann alle Teilperioden geometrisch miteinander multipliziert werden:
Das entspricht einer Gesamtrendite von 20,18 Prozent über drei Jahre.
Allerdings spiegelt die zeitgewichtete Rendite nur die Rendite einer Einmalanlage wider, nicht aber die persönliche Rendite von Anlegern, wenn sie innerhalb einer typischen Investment-Periode (im oberen Beispiel: drei Jahre) einsteigen oder aussteigen. Auch wenn sie Ein- oder Auszahlungen vor dem Endzeitpunkt des Investments vornehmen, entspricht die zeitgewichtete Rendite nicht der Investment-Erfahrung des einzelnen Investors. Sie blendet also Ein- und Auszahlungen aus der Rechnung aus.
Die zeitgewichtete Rendite ist ideal für den Vergleich verschiedener Fonds oder Manager, denn diese haben keinen Einfluss darauf, wann Anleger investieren oder ihr Geld abziehen. Sie misst also die „reine“ Managementleistung. Damit wird sichergestellt, dass die im Factsheet ausgewiesene Rendite tatsächlich den Zinseszinseffekt enthält und nicht durch kurzfristige Ein- oder Auszahlungen verzerrt wird. Aber genau das zu berücksichtigen, ist wichtig für die Messung des Erfolgs des individuellen Investors. Vorhang auf für die geldgewichtete Rendite!
Anlegers Goldstandard: Die geldgewichtete Rendite
Sagt die zeitgewichtete Rendite wenig bis nichts über die Rendite einzelner Anleger aus, wird es bei der geldgewichteten Rendite persönlich. Sie wird auch „Anlegerrendite“ genannt. Die geldgewichtete Rendite misst die tatsächlich erzielte Rendite auf das eingesetzte Kapital. In der Fachsprache ist die geldgewichtete Rendite der Zinssatz, bei dem die Summe aller abgezinsten Ein- und Auszahlungen sowie des Endwerts genau null ergibt. (Im Fachjargon heißt die geldgewichtete Rendite „Money-weighted Return, TWR oder Internal Rate of Return, IRR)
Mit der geldgewichteten Rendite wird berechnet, welchen Ertrag Anleger mit Fonds unter Einbeziehung von Ein- und Auszahlungen erzielt haben. Sie ist die einzige Kennzahl, die den tatsächlichen Anlageerfolg des einzelnen Investors vollständig abbildet – mit allen Höhen und Tiefen und vor allem mit dem Einfluss des eigenen Timings.
Stichwort Timing: In der Praxis ist die Anlegerrendite/geldgewichtete Rendite, oftmals schlechter als die ausgewiesene zeitgewichtete Rendite des Fonds oder ETFs, in den sie investieren. Investoren neigen dazu, nach guten Jahren einzusteigen und nach schlechten auszusteigen – das berühmte prozyklische Verhalten. Ein Beispiel aus der Praxis: Ein Anleger investiert 100.000 Euro in einen Fonds, der im ersten Jahr um 50 Prozent steigt. Begeistert legt er im zweiten Jahr weitere 100.000 Euro nach, doch dann verliert der Fonds 33 Prozent. Die zeitgewichtete Rendite des Fonds liegt bei null Prozent, denn die Wertentwicklung gleicht sich aus. Doch der Anleger hat real einen Verlust von über 11 Prozent erlitten, weil er die Hälfte seines eingesetzten Kapitals zum ungünstigsten Zeitpunkt investiert hat.
Genau hier liegt also die Krux: Die zeitgewichtete Rendite des Fonds spiegelt nicht die Anlegerrealität wider, sondern nur die Leistung des Managers. Die geldgewichtete Rendite dagegen ist gnadenlos ehrlich – diese Renditeberechnung zeigt die Folgen mitunter spontan getroffener Anlageentscheidungen.
Doch auch hier gibt es Pferdefüße. Die geldgewichtete Rendite wird von Anbietern illiquider Anlagen wie Immobilien- oder Private-Equity-Fonds verwendet, um die Attraktivität ihrer Produkte hervorzuheben. Doch Vorsicht: Die Anlegerrendite kann durch geschicktes Timing von Aus- und Einzahlungen künstlich aufgebläht werden, etwa indem Auszahlungen möglichst spät erfolgen oder hohe Rückflüsse am Ende der Laufzeit konzentriert werden. Anleger sollten daher immer genau prüfen, wie die Anlegerrendite berechnet wurde und ob sie wirklich mit anderen Investments vergleichbar ist.
Fonds-Renditekennzahlen: Die große Konvergenz
Investoren müssen sich klarmachen, dass Fonds- und ETF-Anbieter und auch Finanzberater ein Interesse daran haben, die Bilanz der in ihren Depots eingesetzten Produkte möglichst gut aussehen zu lassen. Investoren sollten aber vor allem ihre persönliche Bilanz im Blick haben. Die geldgewichtete Rendite spiegelt diese weitaus besser wider als die zeitgewichtete Rendite.
Wie lösen Investoren diesen Widerspruch auf? Indem sie anerkennen, dass es ihr Ziel sein sollte, mit ihrer persönlichen geldgewichteten Rendite zur zeitgewichteten Rendite aufzuschließen. Dass die geldgewichtete Rendite systematisch niedriger ist als die zeitgewichtete Rendite, sollten Anleger als sportliche Herausforderung akzeptieren, ihre „Renditelücke“ zu füllen. Investoren sollten lernen, zu Buy-and-Hold-Anlegern zu werden und sich von taktischen Spielchen zu verabschieden.
Wer die Unterschiede zwischen Zinseszins, zeitgewichteter Rendite und Anlegerrendite versteht, hat dafür die Voraussetzungen geschaffen, zu einem echten Finanzprofi zu werden. Das setzt allerdings voraus, das eigene Anlageverhalten systematisch zu hinterfragen.
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Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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