Investieren in Indien – was ist der beste Weg zur Outperformance? Im zweiten Teil unserer Serie zu Indien-Aktien erklären wir die Marktstruktur und stellen einige Fonds und ETFs für indische Aktien vor.
Im ersten Teil unserer Serie zu Investieren in Indien haben wir zunächst die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen skizziert. Wir kommen im zweiten Teil zu den Optionen für Anleger, die in indische Aktien über Fonds und ETFs investieren möchten. Fangen wir zunächst mit der Marktstruktur an.
Investieren in Indien: der Aktienmarkt
Wie in vielen Ländern finden wir am indischen Aktienmarkt eine recht hohe Konzentration in den Indizes vor. Egal, ob man sich den Nifty-Index, den Sensex oder MSCI India vornimmt: es dominieren die großen Konzerne wie Reliance Industries, ICICI, Infosys, HDFC Bank, Tata Consultancy, Bharti Airtel, Mahindra & Mahindra, Axis Bank oder Larsen&Toubro. Am größten ist die Kopflastigkeit beim BSE, bei dem die Top-10-Aktien ein Gewicht von 66 Prozent haben, beim 50 Aktien umfassenden Nifty sind es gut 55 Prozent. Das ist in etwa auf dem Niveau des DAX, bei dem die Top-10-Aktien 60 Prozent des Indexgewichts ausmachen.
Besser diversifiziert ist der MSCI India, der 85 Prozent der frei handelbaren Marktkapitalisierung umfasst. Die 140 Aktien im MSCI-Index sind deutlich besser verteilt, die Top-10-Aktien sind hier nur für 35 Prozent des Indexgewichts verantwortlich. Der FTSE India ist mit gut 230 Aktien der am breitesten diversifizierte Indien-Index.
Branchenseitig ist der indische Aktienmarkt von zyklischen Sektoren geprägt. Finanzdienstleister machen über ein Viertel der Börsenkapitalisierung aus, gefolgt von zyklischen Konsumgütern, Energie, Industrie- und Rohstoff-Unternehmen, die jeweils rund zehn Prozent des Markts ausmachen. Bei weniger zinssensitiven Branchen finden sich IT-Unternehmen mit zehn Prozent; defensiver Konsum und Healthcare machen zwischen fünf und sieben Prozent des Marktgewichts aus. Dabei zählt der indische Aktienmarkt mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von gut 24 zu den teuersten weltweit.
Wo Fonds und ETFs investieren
Blicken wir jetzt auf die Aufstellung von Indien-Fonds und ETFs. Die untere Tabelle zeigt die durchschnittliche Gewichtung von Branchen in aktiv verwalteten Indienfonds im Vergleich zum FTSE India. Das höchste Gewicht machen – wie im Index auch – Finanztitel aus. Mit einem Fondsanteil von gut 27 Prozent sind Fonds in Banken und Versicherungen gegenüber der Benchmark übergewichtet. Die größte aktive Wette sind Immobilien-Aktien, die allerdings mit 2,6 Prozent absolut gesehen der kleinste Sektor in Fonds darstellt. Industrie-Aktien sind mit 12,6 Prozent eine weitere große aktive Wette von Fonds, gefolgt von zyklischem Konsum mit einem Übergewicht von 3,3 Prozentpunkten gegenüber dem FTSE India.
Die am stärksten untergewichteten Sektoren sind Versorger, Energie-Aktien sowie Rohstoff-Titel.
Diese Fonds-Positionierungen gilt es im Blick zu behalten, wenn wir gleich auf die Performance der Fonds eingehen.
Angaben in Prozent und per 31.5.2024, Quelle: Morningstar
Fonds und ETFs: Performance und Ursachen
Kommen wir nun zu den Indien-Aktienfonds und -ETFs. Die untere Auswahl zeigt die größten 15 Produkte am Markt, unter denen sich drei ETFs finden. In der Tabelle finden sich neben Performance-Daten auch Informationen zu den Kosten sowie die Morningstar-Sterne- Ratings. Die Tabelle ist nach dem verwalteten Vermögen der Fonds sortiert.
Starten wir mit der Erklärung der Performance-Muster der Indien-Fonds und -ETFs. Indien ist ein Markt mit ausgeprägten Growth-Merkmalen, was sich auch, aber nicht nur, in hohen Bewertungen widerspiegelt. Im Gegensatz zum weltweiten Trend haben sich Growth- und Quality-Investments in den vergangenen drei Jahren nicht ausgezahlt. Seit 2022 haben entsprechend Value-orientierte Fonds ihre Growth- und Quality-Pendants deutlich outperformt.
Im Gegensatz zum globalen Trend, nach dem Growth-Investments nur 2022 eine “Pause” eingelegt hatten und seitdem reüssieren, ticken die Uhren am indischen Markt anders.
Das erklärt die recht gruselige Performance von Fonds, die auf Qualitäts-Aktien setzen. Der mit Abstand schwächste Fonds unserer Auswahl an großen Fonds ist der UTI India Dynamic Equity. In den vergangenen drei Jahren kam er auf eine jährliche Performance von 7,8 Prozent pro Jahr, in den vergangenen fünf Jahren lag das jährliche Plus bei 12 Prozent. Ähnlich schlecht lief es für den abrdn Indian Equity, der ebenfalls einen Growth- und Quality-Ansatz hat.
Zum Vergleich: der beste Fonds unserer Auswahl, der Jupiter India Select, kam in denselben Zeiträumen auf Renditen von über 26 Prozent p.a. bzw. knapp 19 Prozent p.a. Im Gegensatz zum UTI-Fonds setzt der langjährige Jupiter-Fondsmanager Avinash Vazirani auf Firmen, deren Wachstum von Investoren nicht vollständig eingepreist ist. Dabei scheut er sich auch nicht davor zurück, in Deep-Value-Aktien zu investieren. Bis zu 50 Prozent der Aktien im Jupiter-Fonds stammen nicht aus dem MSCI India.
Der Bewertungsunterschied ist eklatant. Während das Kurs-Gewinn-Verhältnis im UTI India Dynamic bei knapp 35 liegt, weist der Jupiter India Select ein Durchschnitts-KGV von 15 auf. Im Gegensatz zu den meisten anderen Indien-Fonds am Markt setzt der Jupiter-Manager auch auf Nebenwerte. Eine Small-Cap-Quote von knapp weniger als sechs Prozent klingt nicht nach viel, liegt aber deutlich vor dem Durchschnitt von gerade einmal 1,3 Prozent bei Indien-Fonds. ETFs sind überhaupt nicht in Small Caps investiert.
Auch die Hausse bei Energiewerten kam den Jupiter-Fonds zugute, während sich reine Growth-Manager wie UTI oder abrdn von Energie-Aktien fernhalten.
Langfristig erfolgreich ist auch der Goldman Sachs India Equity, auch wenn er zwischenzeitlich im Jahr 2022 vom hohen Anteil an Nebenwerten ausgebremst wurde. Kein anderer Indien-Fonds in unserer Auswahl hat ein derart hohes Exposure zu Nebenwerten – insgesamt gut ein Drittel des Fondsvermögens steckt in Small und Mid Caps. Fondsmanager Hiren Dasani ist seit 2007 Mitglied im Indien-Team von Goldman Sachs Asset Management. Er setzt auf Unternehmen, die in der Lage sind, die Kapitalkosten zu erwirtschaften, setzt aber auch auf günstig bewertete Unternehmen – und diese haben derzeit ein hohes Momentum.
Bei UTI spricht man von “irrationalem Überschwang”, der vor allem heimische Privatanleger in kleinere Werte und in zyklische Branchen getrieben habe. Ausländische Finanzinvestoren würden zudem häufig in ETFs investieren, was großen Titeln wie das Konglomerat Reliance Industries, der Top-Wert in Indien nach Marktkapitalisierung, zugute gekommen sei – ungeachtet einer sinkenden Marge. Auch der staatliche Eisenbahnkonzern NTPC hat im vergangenen Jahr über 107 Prozent zugelegt – trotz sinkender Umsätze.
Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass die Struktur des indischen Marktes eher dem europäischen ähnelt als dem Tech-geprägten US-Markt. Mit einem Anteil von rund zehn Prozent macht der IT-Sektor mit rund zehn Prozent nur einen kleinen Anteil am indischen Markt aus. Zudem bedeutet die Outperformance der US-Plattformen nicht, dass IT-Titel überall eine spektakuläre Performance liefern. In Indien zählten die Aktien von IT-Konzernen zu den schlechtesten Performern am Markt. IT-Dienstleister hatten in den vergangenen Jahren keine gute Phase an den Börsen. Besonders schwach performten Wipro, Mphasis und das Schwergewicht Infosys.
Indien-ETFs: Mittelmaß dominiert
Abschließend einige Hinweise zu den Indien-ETFs. Zwei ETFs bilden den MSCI India ab. Der iShares MSCI India ist der mit Abstand der größte Indien-Fonds am Markt mit einem verwalteten Vermögen von über fünf Milliarden Euro. Mit jährlichen Gebühren von 0,72 Prozent ist er für einen ETF ziemlich teuer, zumal er im Jahr 2018 aufgelegt wurde. Der Amundi MSCI India, aufgelegt im Jahr 2006, kommt sogar auf Gebühren von 0,85 Prozent.
Ein für ETFs im Jahr 2024 adäquates Pricing bietet der Franklin FTSE India, der auf jährliche Gebühren von 0,2 Prozent kommt. Vor allem dank der Kostenvorteile schneidet der Franklin-ETF in den meisten Perioden besser ab als die Konkurrenten von iShares und Amundi. Eine Rolle dürfte aber auch die breitere Diversifikation des FTSE-Indextrackers gespielt haben. Mid Caps hatten in Indien in den vergangenen Jahren einen guten Lauf, und das spiegelt sich auch in der Performance des Franklin-ETFs wider. Insgesamt fällt die Performance indischer ETFs allerdings unauffällig aus. Im Gegensatz zu Kategorien wie Aktien USA oder Aktien Europa sind ETFs für indische Aktien Mittelmaß.
Perspektiven für Indien-Investments
Value- und Growth-Puristen haben in den vergangenen Jahren ein Wechselbad der Gefühle bei indischen Aktienfonds erlebt. Waren bis 2020 Growth- und Quality-Aktien gefragt, brachten die steigenden Energiepreise, die höheren Zinsen und die Erhöhung der staatlichen Ausgaben für Infrastruktur und Rüstung einen neuen Fokus auf Energie-, Industrie- und Versorger-Aktien. Davon haben auch staatliche Konzerne profitiert, die bei vielen Fondsmanagern auch aus Governance-Gründen durch das Raster fallen.
Der staatliche Raumfahrt- und Rüstungskonzern Hindustan Aeronotics profitiert von den erhöhten Rüstungsanstrengungen Indiens. Die Aktie legte in den vergangenen drei Jahren pro Jahr um gut 115 Prozent im Schnitt zu (in lokaler Währung gerechnet). Auch die Kurse von Staatskonzernen wie Bharat Electronics und Bharat Heavy Electricals zählten in den vergangenen Jahren zu den Gewinnern – wie auch Firmen aus dem Adani-Netzwerk, das gute Beziehungen zur Modi-Regierung unterhält. Trotz der Enthüllungen des Shortsellers Hindenburg Research Anfang 2023 zählt etwa Adani Power zu den Top-Performern am indischen Markt in den vergangenen Jahren. Viele Fondsmanager fassen solche Aktien nicht an. Wie auch Versorger und Energie-Aktien setzen die Manager vieler Fonds auf defensive Konsumgüter-Aktien vom Schlag von Hindustan Unilever oder Nestlé India. Doch die hatten in den vergangenen Jahren keinen guten Lauf am Markt.
Angesichts der nach wie vor skeptischen Haltung vieler Anleger gegenüber China-Aktien, dürfte Indien weiter im Fokus vieler Anleger bleiben – was sich auch in der steigenden Zahl von Schwellenländer-Fonds und -ETFs manifestiert, die chinesischen Aktien prinzipiell ausschließen. Viele Anleger, die sich nicht intensiv mit dem indischen Markt auseinandersetzen möchten und einfach nur “dabei” sein wollen, steuern typischerweise ETFs an. Mit steigenden Zuflüssen wird dieses “Investieren mit der Gießkanne” vor allem den großen Aktien am Markt zugutekommen, wie auch Staatskonzernen, die ungefähr zehn Prozent der Marktkapitalisierung des indischen Aktienmarkts ausmachen.
Value-Puristen werden sich an der aktuellen Hausse erfreuen, die wiederum Quality-Investoren ins Aus stellt. Angesichts der stark schwankenden Ergebnisse dieser unterschiedlichen Stile werden viele Anleger eher einen mittleren Weg gehen. Und seien wir ehrlich: Das Schlagwort “Wachstum zu vernünftigen Preisen” ist ein Motto, das weltweit Schule gemacht hat. Wichtig dabei ist nur, gute Manager zu finden, die qualitativ hochwertige Wachstumsfirmen ausfindig machen können, die zu Unrecht günstig gepreist sind.