Im zweiten Teil unserer Serie zur Performance von ETFs zeigen wir, in welchen Fonds-Kategorien ETFs schwächeln und somit keine gute Wahl sind. Wir gehen auch auf die Ursachen ein.
Effiziente Märkte, performante ETFs
Überdurchschnittlich gute ETFs finden sich vor allem in den großen, für Anleger wichtigen Kategorien wie Aktien USA, globale Aktien, Aktien Europa oder Aktien Eurozone. Hier sind aufgrund der Markteffizienz niedrige Kosten ein schlagendes Argument. Heute wollen wir schauen, in welchen Fondskategorien ETFs schwache Ratings aufweisen. Dabei konzentrieren wir uns auf die für Anleger in Deutschland relevanten Fondskategorien.
Bevor wir zur Auswertung kommen eine kurze Erklärung zum Untersuchungs-Design: Da in allen Fondskategorien ETFs gegenüber aktiv verwalteten Fonds in der Minderzahl sind, gilt die Daumenregel, dass man anhand von der Morningstar Sterne Ratings ablesen kann, wo ETFs eine gute Wahl sind und wo nicht. Ein ETF, der ein 5-Sterne-Rating aufweist, wird eine bessere Performance hingelegt haben als die meisten aktiv verwalteten Fonds der identischen Kategorie. Ein 1-Sterne-Rating signalisiert dagegen, dass ETFs in einer Kategorie keine gute Lösung sind und dass Anleger mit aktiv verwalteten Fonds besser fahren. Kommen wir nun zur Untersuchung. Wie die untere Tabelle zeigt, waren ETFs in etlichen Märkten keine gute Wahl: Immobilien-Aktien, in einigen Emerging Markets und bei Nebenwerten. Im Schnitt haben ETFs in diesen Kategorien ein Morningstar Rating von weniger als 3,0 Sternen.
Tabelle: Wo Sterne-Ratings rar gesät sind
Durchschnittliche Morningstar Sterne-Ratings, ungewichtet, Stand: 30.4.2023, Quelle: Morningstar
Emerging Markets sind bei ETFs eine Achilles-Sehne
Die obere Tabelle zeigt, dass ETFs in der Kategorie Immobilienaktien Eurozone im Schnitt ein 2-Sterne-Rating aufweisen. ETFs, die den Index FTSE EPRA/NAREIT Eurozone abbilden, haben vor allem kurzfristig schwach abgeschnitten. Seit der Zinswende 2021 hat der Immobilienzyklus gedreht, und die Korrektur hat die Kopflastigkeit derartiger Indizes ETF-Anlegern Kopfschmerzen bereitet. Die Drawdowns sind angesichts der zyklischen Risiken bei Immobilienaktien-Indizes erheblich. Das ist ein übliches Bild in Abwärtsphasen. So war es auch 2007/08 während der Finanzkrise. In solchen Krise fallen die Verluste bei konzentrierten Portfolios besonders hoch aus. Die fünf Top-Aktien in de EPRA/NAREIT Eurozone machen rund 40 Prozent des Indexgewichts aus – Vonovia ist mit einem Anteil von knapp zehn Prozent am stärksten Vertreten. Derzeit meiden viele aktiv verwaltete Fonds diese Aktie wegen akuter Bilanzprobleme wie der Teufel das Weihwasser. ETFs streben dagegen nach Größe, und deshalb ist Vonovia als größter Immobilienkonzern der Eurozone der Top-Wert in dem Index. Auch die Aktie von LEG Immobilien ist hoch gewichtet und hat die Bilanz der Eurozonen-Immobilienaktien-ETFs belastet.
Kommen wir zu Schwellenländern. In etlichen Emerging Markets schneiden ETFs ebenfalls schwach ab. Indizes wie der MSCI Turkey sind hochkonzentriert. Aktuell machen die Top 10 Aktien über 70 Prozent des Indexgewichts aus. Die Konzentration auf großkapitalisierte Value-Aktien mit besonderem Schwerpunkt auf Industrie- und Finanztitel hat weder kurz-, noch langfristig gute Ergebnisse für ETF-Anleger gebracht. Die erratische Geldpolitik des türkischen Präsidenten setzt vor allem Banken zu. Auch wenn die Ernennung eines Reformers als neuen Finanzminister eine Rückkehr zur geldpolitischen Orthodoxie wahrscheinlicher erscheinen lässt, wird die erwartete Austeritätspolitik den Konsumgüter-Aktien im MSCI Turkey unter Druck setzen. Wie man die Sache auch dreht: konzentrierte Indizes sind hochriskant.
Indien-Aktien-ETFs sind nicht so hoch konzentriert, investieren allerdings vor allem in hoch bewerteten Aktiensegmente, vor allem in Finanz- und IT-Firmen. Auch bei Indien-ETFs sieht die Rendite-Risiko-Bilanz kurz- und langfristig schwach aus. Bei Frontiermärkten wiederum ist die Konzentration auf die beiden großen Märkte Argentinien und Vietnam hoch – rund 50 Prozent des Gewichts des S&P Select Frontier Markets entfallen auf diese beiden Länder. Insbesondere die hohe Gewichtung Argentiniens hat Anlegern aus der Eurozone keine Freude gebracht, vor allem wegen der hohen Währungsverluste. Der argentinische Aktienmarkt ähnelt in dieser Hinsicht dem der Türkei.
Bond ETFs mit der Lizenz zum underperformen
ETFs schwächeln aber nicht nur in Randmärkten, sondern auch in für Anleger bedeutenden Kategorien. Etwa bei Anleihen, etwa bei diversifizierten Euro-Rentenportfolios. Hier kommen ETFs auf ein durchschnittliches Morningstar-Rating von 2,8 Sternen, Rating-Tendenz stark fallend, wie wir im nächsten Beitrag unserer ETF-Rating-Reihe sehen werden. Die Qualität der Euro-Renten-ETFs, die typischerweise den marktbreiten Index Bloomberg Euro Aggregate Bond abbilden, haben besonders stark unter der Zinswende seit 2021 gelitten. Man kann es auch so formulieren: Bond-ETFs sind mit Anlauf gegen die Wand gefahren.
Während die Manager aktiv verwalteter Rentenfonds die Durationsrisiken lange (zu lange?) im Blick hatten, wurde die Laufzeit der Rentenindizes in der Niedrigzinsphase lang und länger – viele Staaten haben die günstigen Zinsen genutzt, um langfristig ihre Refinanzierungskosten zu senken. Das hat zu einem Anstieg des Zinsänderungsrisikos in solchen Indizes in den vergangenen zehn Jahren geführt. Dieses Risiko ist 2021/22 manifest geworden – zum Nachteil von ETF-Anlegern. Stark unter der Zinswende gelitten haben auch Anleihe-ETFs für Inflationsschutz und weltweit anlegende Rentenfonds.
Es finden sich weitere, für Anleger in Deutschland relevante Marktsegmente, in denen ETFs eine schwache Bilanz aufweisen: ETFs für Nebenwerte Großbritannien, Deutschland und USA, britische Dividenden-Aktien oder US-Value-Aktien. Warum das so ist, wollen wir im nächsten Kapitel anreißen.
Momentum macht ETFs stark - und lässt sie schwächeln
Unsere Übersicht zu Märkten, in denen ETFs keine gute Wahl waren, zeigt eine bunte Vielfalt: verschiedene Emerging Markets, Anleihen, Nebenwerte, Dividendenstrategien. Warum? Zwei Thesen möchte ich aufstellen, die hier aber nicht abschließend bewertet werden können. Ein Grund ist die Beschaffenheit der Märkte. Gerade in Schwellenländern werden Benchmarks so gerechnet, dass sich nur die größten und liquidesten Aktien zusammenfinden. Aber ein Großteil dieser Märkte ist illiquide; liquiditätsoptimierte Indizes sind daher oft nicht repräsentativ für ihren Markt. Sie vereinen vielmehr nur eine zahlenmäßig kleine Gruppe (für Indexfonds) investierbarer Wertpapiere. Damit leiden sie unter einem strukturellen Nachteil. In solchen Märkten haben Anleger in aktiv verwalteten Fonds, die keinen strikten Liquiditäts-Limits unterliegen, prinzipiell Vorteile. Sie finden ein größeres Universum an Unternehmen vor. Ob die Fondsmanager diese Vorteile in der Praxis nutzen, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Viele aktive Manager wenden Liquiditätsfilter an, um im Notfall ihre Fondsholdings schnell verkaufen zu können. Damit lassen auch sie einen Teil der Illiquiditäts-Prämie sausen.
Meine zweite These dreht sich schlicht um Glück. Anleger in ETFs haben manchmal Glück und manchmal Pech beim Market Timing. Und da viele ETFs auf Branchen- und Einzeltitelebene hochkonzentriert sind, kann das Glück mitunter sehr groß sein, aber leider auch das Pech. Wir wissen aus der Behavioural-Finance-Forschung, dass Kursverluste stärker schmerzen als spiegelbildliche Kursgewinne glücklich machen. Problematisch ist vor diesem Hintergrund, dass Anleger oft zum falschen Zeitpunkt in Risikomärkten investieren, nämlich dann, wenn die Folgen einer Hausse sichtbar sind und die Korrekturgefahr am größten ist. Das produziert suboptimale Ergebnisse.
Wer in Nebenwerte ETFs investiert und Nebenwerte einen schlechten Lauf haben, wird gegenüber aktiv verwalteten Fonds im Nachteil sein, weil aktive Manager die Möglichkeit haben, auf andere Marktsegmente auszuweichen. In Momentum-Märkten haben ETFs dagegen oft Vorteile. Bei einer langjährigen Hausse wird die Logik der Marktkapitalisierung für Konzentrationsprozesse sorgen. ETFs kosten diese Kopflastigkeit dann aus: Im Jahr 2006 war der NASDAQ 100 beispielsweise alles andere als kopflastig. Top Bestandteil war Qualcomm mit einem Gewicht von 7 Prozent, gefolgt von Microsoft und Apple (6,5 bzw. 5,5 Prozent). Die größten zehn Positionen machten damals 38 Prozent des Index aus. Dann kam der Aufstieg von Big Tech. Heute machen die Top 10 Unternehmen knapp 60 Prozent des NASDAQ 100 aus; Microsoft und Apple kommen allein auf über 25 Prozent; NVIDIA ist binnen wenigen Wochen von 4,5 Prozent auf 6,7 Prozent Indexanteil gewachsen. So gut wie kein aktiv verwalteter Fonds wird derartige Konzentrationsrisiken eingehen – und sei es aus regulatorischen Gründen, die die sogenannte 5/10/40-Regel vorgibt. Diese Regel gilt nicht für ETFs. Das erfreut die NASDAQ-ETF-Anleger heute. Was morgen ist, wissen wir nicht.