Im letzten Teil unserer Serie zu Strategie-ETF Performance geht es um konkrete Produkte: Welche sind gut, welche sind schlecht? Welche Schwächen gehören zum Geschäft, welche sind inakzeptabel?
Wir haben im ersten Teil unserer Serie den Überblick über den Markt und die Historie von Strategie-ETFs geben. Im zweiten Teil haben wir gezeigt, in welchen Kategorien diese Produkte reüssiert haben und wo ihre Ergebnisse in den vergangenen Jahren schwach ausgefallen sind. Im letzten Teil geht es um konkrete Produkte. Neben der Frage nach ihrer Performance relativ zu anderen Fonds und Indizes stellt sich die Frage, ob sie konsistente Renditen, im Guten wie im Schlechten, liefern.
Anhand der Bilanz einer Auswahl an Strategie-ETFs zeigen wir, frei nach dem Spaghetti-Western-Regisseur Sergio Leone, wer die Guten, wer die Schlechten und wer die Hässlichen sind- the good, the bad and the ugly. Manche dieser ETFs liefern einen Mehrwert. Sie sind die Guten. Die Schlechten haben strukturelle Schwächen. Schönheit bzw. Hässlichkeit wiederum liegen im Auge des Betrachters. Wir ziehen zudem ein Resümee, was wir aus der Bilanz und Marktverhalten der Strategie-ETFs unserer Auswahl für die Zukunft lernen können.
Strategie-ETF Performance: The Good
Zunächst die ermutigende Nachricht: Es gibt etliche gute Strategie-ETFs, die auf ihrem Markt nachhaltige Vorteile bieten. So gelang es dem SPDR® MSCI USA Small Cap Value Weighted ETF in den vergangenen fünf Jahren, sowohl den Aktien-Index für US-Nebenwerte als auch den Kategoriedurchschnitt um 4,3 Prozentpunkte bzw. 3,2 Prozentpunkte jährlich zu übertreffen. Man muss wissen, dass Nebenwerte im Vergleich zum S&P 500 und anderen Standardwerte-Indizes eine sehr schwere Zeit seit 2019 eine ziemlich schwere Zeit hatten. Insofern konnte dieser ETF den bemerkenswerten Erfolg verzeichnen, in einem schwachen Markt für Nebenwerte mit einer Value-Strategie nur drei Punkte jährlich hinter dem mit Magnificent Seven vollgestopften S&P 500 zu liegen.
Auch im schwierigen Markt für Schwellenländer-Aktien konnten einige Strategie-ETFs längerfristig punkten. Der iShares Edge MSCI EM Value Factor ETF weist ein Morningstar 5-Sterne-Rating auf und liegt deutlich vor dem MSCI Emerging Markets. Mit einer Value-Dividendenstrategie gelang dies auch dem WisdomTree Emerging Markets Equity Income ETF. ETFs mit Value-Bias waren interessanterweise in der Lage, eine Outperformance zu erzielen, zumeist in der Kombination mit weiteren fundamentalen Kennzahlen. Wer China-Tech vermied, hatte Vorteile. Ob diese langfristig bestehen werden, ist eine offene Frage, erscheint aber angesichts des US-Chip-Boykotts gegen chinesische Tech-Plattformen nicht unwahrscheinlich.
Der europäische Aktienmarkt ist bekannt für seine Value-Lastigkeit. Mit Growth-Strategien konnten ETF-Anleger eine deutliche Outperformance erzielen. Die höchste Outperformance gegenüber klassischen Marktindizes erzielte hier der iShares Euro Total Market Growth Large ETF. Dieser ETF ist einer der wenigen mit einer vollen Zehnjahres-Historie. Seit 2014 konnte er den Kategorie-Index für europäische Standardwerte jedes Jahr um 2,3 Prozentpunkte übertreffen. Eine Growth-Beimischung in einem Tech-armen Markt erscheint vorteilhaft.
Momentum-ETFs verfolgen markttechnische Strategien und kommen damit aus einem ganz anderen Stall als fundamentale Strategien wie Growth oder Value. Aber auch diesen Strategien gelang auf den europäischen Aktienmarkt eine deutlich Outperformance: Der iShares Edge MSCI Europe Momentum Factor ETF lag seit 2019 um 1,7 Prozentpunkte pro Jahr vor dem Index und 2,9 Punkte vor dem Durchschnitt der europäischen Aktienfonds.
Bei weltweit anlegenden Aktien-ETFs gelangen seit 2019 etlichen Quality-ETFs eine Outperformance gegenüber dem MSCI World, die mit rund 0,8 Punkten zwar deutlich niedriger ausfiel als die relative Bilanz von Europa-Growth- und Emerging-Markets-ETFs, aber immer noch einen signifikanten Mehrwert darstellt. Dabei hatte der günstigere Xtrackers MSCI World Quality ETF konstant die Nase vor dem iShares Edge MSCI World Quality Factor ETF.
Outperformer über die mittelfristige Sicht sind jedoch keine Alleskönner. Keiner der oben genannten Strategie-ETFs war in der Lage, in jeder Marktphase den Index outzuperformen. Faktor-Strategien sind relativ zum Index konzentriert, weshalb der Erfolg pfadabhängig ist. So fiel die relative Performance des SPDR® MSCI USA Small Cap Value Weighted ETF in den Jahren 2017 bis 2020 nachgerade fürchterlich aus. Auch in diesem Jahr zählt er zu den schwächeren US-Small-Cap-Fonds. Spektakuläre Erfolge 2021 und 2022 und ein gutes Jahr 2023 kompensierten die Schwäche der Jahre zuvor. Quality-ETFs für Aktien USA hatten ein katastrophales Jahr 2022, als die großen Tech-Plattformen underperformten. 2022 war für europäische Growth-ETFs ebenfalls ein Jahr zum Vergessen.
Rendite vs. Kategorie in Euro und Prozentpunkten, ab einem Jahr annualisiert, Daten per 30.4.2024, Quelle: Morningstar
Strategie-ETF Performance: The Bad
Dividenden-ETFs machen oft keine Bella Figura. Vor allem die älteren Dividenden-ETFs, die sich recht krude am Kriterium der Dividenden-Rendite orientieren, lieferten im vergangenen Jahrzehnt schlechte Ergebnisse. Dividenden sind eine Ableitung des Value-Faktors, und Kritiker bemängeln, dass sich der Erfolg eines Unternehmens nicht an der Dividende bemisst, die es ausschüttet, sondern an den freien Cashflows, die die Voraussetzung für die Fähigkeit sind, eine Dividende auszuschütten. Euro-Dividenden-ETFs sind schwache Value-Produkte in einem ohnehin Value-lastigen Markt. Besonders verheerend fällt die Bilanz der ETFs Amundi Euro Stoxx Select Dividend 30 ETF, Deka EURO STOXX® Select Dividend 30 ETF und des iShares EURO STOXX Select Dividend 30 ETF.
In den vergangenen fünf Jahren lagen die ETFs auf den Index der 30 dividendenstärksten Euroland-Aktien im Schnitt um rund 7,5 Prozentpunkten jährlich hinter Euroland-Aktien-Indizes. In den vergangenen zehn Jahren belief sich die Underperformance auf gut drei Prozentpunkte jährlich. Nur in den Jahren 2021, 2018, 2016 und 2014 konnten diese ETFs punkten. Es stellt sich die Frage, warum in Euro-Stoxx-Dividenden-ETFs noch immer gut 1,5 Milliarden Euro investiert sind.
Es gibt noch etliche andere Stilblüten am Markt für Strategie-ETFs. Besonders schlecht durchdacht ist der Amundi Euro Highest Rated Macro-Weighted Government Bond 1-3Y ETF. Er stammt gedanklich noch aus einer Zeit, in der in Nordeuropa die Angst vor „Pleitegriechen“ um sich griff und die Anleihen aus Spanien und Italien mindestens suspekt waren. Etliche „Makro“-gewichtete Anleihen-ETFs wurden in den 2010-er Jahren aufgelegt, und sie waren allesamt nicht erfolgreich. Finnische, deutsche und österreichische Anleihen waren zwar „AAA“, rentierten aber noch schwächer als die ohnehin niedrig-rentierlichen Eurobonds in Nullzinszeiten. Wer einen „AAA“-Anleihen ETF für das Laufzeitenband 1-3 Jahre auflegte, muss der Annahme gewesen sein, dass die Pleite Italiens und Spaniens in den nachfolgenden 3 Jahren bevorstehe – was für eine Prophetie! Entsprechend schwach fällt die Bilanz dieses ETFs auf – ob in der Drei-, Fünf- oder Zehnjahresfrist: Er zählte stets zum schwächsten Viertel der Euro-Kurzläufer-Fonds. Für die Rendite sind schwächere Ratings wichtig, und auf die kurzfristige Pleite von Euro-Staaten wetten, grenzt an Schwurbelei.
Auffällig schwach waren auch etliche Multi-Faktor-ETFs. Das ist für die ETF-Anbieter, die Strategie-ETFs propagieren, besonders unangenehm. Denn die fortdauernde Underperformance vieler dieser ETFs wirft einmal die Frage nach der Tragfähigkeit so mancher Investment-Faktoren auf und zeigt darüber hinaus, dass die Summe aller Teile mitunter weniger wert sein kann als einzelne Faktoren. Wenn schon die ETF-Anbieter mit ihren Kohorten an Data Scientists keine gute Faktor-Mischung hinbekommen, wie sollen dann weniger sophistizierte Anleger mit einem Mix an unterschiedlichen Faktor-ETFs den Markt übertreffen?
Mit einer überaus bunten Mischung aus den Faktoren Momentum, Quality, Value und Volatility sowie einem Schuss ESG lieferte der Franklin Global Equity SRI ETF in den vergangenen fünf Jahren eine konstante Underperformance. Besonders fein gedrechselt kommen die ETFs von Morgan Stanley der Reihe FundLogic Alternatives daher. Der Scientific Beta HFE US Equity 6F Equal Weight ETF setzt beispielsweise auf die Faktoren Size, Value, Momentum, Low Volatility, High Profitability und Low Investment, die wiederum anhand verschiedener Strategien: Efficient Maximum Sharpe Ratio, Efficient Minimum Volatility, Maximum Deconcentration, Maximum Decorrelation und Diversified Risk Parity im Ergebnis gleichgewichtet werden. Skeptiker mögen hier das Phänomen des Over-Engineering erkennen. Besonders irritierend ist, dass dieser ETF keine konstanten Muster zeigt. In schwachen Marktphasen konnte er mitunter reüssierte (2022), in anderen schwächelte er (2018). Gleiches gilt für starke Marktphasen, in denen der Fonds gelegentlich outperformte (2019) und gelegentlich weit zurückfiel (2023).
Rendite vs. Kategorie in Euro und Prozentpunkten, ab einem Jahr annualisiert, Daten per 30.4.2024, Quelle: Morningstar
Strategie-ETF Performance: The Ugly
Schönheit liegt bekanntlich im Auge des Betrachters. Und so werden manche Anleger gleichgewichtete ETFs für ein probates Mittel gegen die zunehmende Konzentration von Benchmarks sehen, andere nehmen anstoß an hohen Transaktionskosten und relativ niedriger Liquidität. In den vergangenen Jahren sind viele klassische Indizes immer kopflastiger geworden. Insbesondere in den USA ist dies der Fall. Die sogenannten Magnificent 7, Alphabet, Amazon, Apple, Meta, Microsoft, Nvidia und Tesla, haben wesentlich zur Performance von US-Aktienindizes beigetragen. 2023 machten diese Aktien über 60 Prozent der Index-Performance aus. Aktuell liegt der Anteil der Top zehn Aktien im US-Leitindex bei gut 32 Prozent. Das ist ein historisch hohes Niveau. Wer das als Problem sieht, wird den Xtrackers S&P 500 Equal Weight ETF als gute Lösung erachten – und damit leben müssen, dass die unausweichliche Übergewichtung von Nebenwerten den Fonds immer wieder in den vergangenen Jahren weit zurückwarf. 2023 zählte er zu den vier Prozent der schlechtesten USA-Aktienfonds. Auch 2020, 2018 und auch in diesem Jahr lag er weit hinten. Dagegen konnte er 2022, 2021 und 2016 die relative Schwäche der Giga-Caps gut kompensieren.
Auch Minimum Volatility ETFs haben eine Mission: Sie reduzieren zuverlässig die Verluste in schwachen Marktphasen, weil sie in niedrig schwankende Titel investieren. Allerdings schlagen diese Fonds auch auf dem Weg nach oben saft- und kraftlos aus. Der SPDR® S&P 500 Low Volatility ETF zählte 2022 zum besten Prozent der USA-Fonds und spiegelbildlich 2023 zum schlechtesten. Ähnlich turbulent ging es in anderen ausgeprägten Marktphasen zu, von denen es in den vergangenen zehn Jahren etliche gab. Weil die Märkte per Saldo seit 2014 mit Unterbrechungen stark gestiegen sind, zählte der SPDR-ETF über verschiedene Zeiträume (1,3,5,10 Jahre) konstant zu den schlechtesten Fonds der Kategorie Aktien USA. Wer jedoch auf solche Produkte setzt, wird nicht auf hohe Gewinne, sondern auf Verlustminimierung aus sein. Im Guten wie im Schlechten haben Low-Volatility-ETFs also zuverlässig geliefert.
Das gilt auch für Momentum-ETFs. Sie sind die Antipoden der Low-Volatility-Strategien. Momentum-ETFs setzen auf die Gewinner der Vergangenheit und schöpfen damit die Beschleunigung ab, die solchen Aktien innewohnt. Die Geister scheiden sich auch an diesen Produkten. Solche ETFs benötigen stabile Trends, um zu reüssieren. Das war häufiger als nicht der Fall in den vergangenen Jahren. Globale und europäische Momentum-Strategien waren dabei mittel- und langfristig besonders erfolgreich. Bei Trendbrüchen bzw. schwankenden Märkten ohne Richtung haben es solche ETFs dagegen schwer, so der Fall 2021 bis 2023. Insbesondere Fans der fundamentalen Aktienanalyse und Fans der Effizienzmarkthypothese hassen den Momentum-Faktor, Agnostiker und Pragmatiker erkennen diese Strategie als langfristig erfolgreichen „heißen Reifen“ an und nutzen diese technische Strategie, weil sie langfristig robuste Ergebnisse liefert. Schönheit liegt nun mal im Auge des Betrachters.
Rendite vs. Kategorie in Euro und Prozentpunkten, ab einem Jahr annualisiert, Daten per 30.4.2024, Quelle: Morningstar