Seit der US-Wahl kristallisieren sich an den Märkten etliche Gewinner heraus: US-Bankaktien, Kryptos, US-Nebenwerte, Energie-Titel und die Sui-Generis-Wette auf die Tesla-Aktie. Wie nachhaltig ist der Trump Trade im Einzelnen? Teil I unserer Serie: die Gewinner.
In einer zweiteiligen Serie blicken auf die Licht- und Schattenseite des Trump Trades, der sich seit knapp einer Woche entfaltet. Im ersten schauen wir auf drei Märkte, die als Gewinner dastehen. Seit vergangenem Mittwoch haben Energie-Aktien, Kryptos und Nebenwerte beachtliche Kursgewinne gezeigt. Wir erläutern die Gründe und stellen die Frage nach deren Nachhaltigkeit.
Trump Trade Energieaktien: Drill, baby, drill – und dann?
Weniger Bürokratie, keine Einschränkungen bei der Vergabe von Bohrgenehmigungen für Ölkonzerne. Trumps Energiepolitik lässt sich mit der Formel „Drill, baby, drill“ zusammenfassen. Entsprechend euphorisch haben US-Energiewerte reagiert. Der Index S&P Energy Select Sector legte in Dollar gerechnet um 6,5 Prozent zu. Entsprechend enthusiastisch haben die großen US-Ölmultis auf die Wahl Trumps reagiert.
Aber steht die Branche jetzt wirklich vor einem neuen Wachstumsschub, der einen weiteren Kursaufschwung rechtfertigen würde? Hier gibt es Fragezeichen. Denn gebohrt wird bereits heute kräftig. Im August dieses Jahres wurde mit einer Tagesproduktion von 13,4 Millionen Fass eine Rekordfördermenge erreicht.
Zur Erinnerung: Noch regiert die demokratische Biden-Administration. Zugleich ist eine Ausweitung der weltweiten Ölförderung angesichts der schwachen chinesischen Konjunktur eher fragwürdig. Das dürfte Trump einerseits zupasskommen, weil damit die Preise an den Zapfsäulen tendenziell weiter sinken werden und der Inflationsdruck zumindest von der Seite abnimmt. Aber das ist eben nicht der Stoff, aus dem die Kursphantasie für Ölaktien gemacht ist.
Nebenwerte: Alles eine Frage des Konjunkturszenarios
US-Nebenwerte, ob im Russell 2000, MSCI USA Small oder S&P Small Cap 600: alle haben in der vergangenen Woche zwischen 7,5 und 9,0 Prozent gewonnen. Dabei war der Unterschied zwischen Small Growth und Small Value relativ gering. Die Outperformance von Nebenwerten hat eine Vielzahl von Gründen: Sinkende Zinsen nehmen den Refinanzierungsdruck von tendenziell bilanzschwächeren Unternehmen – 40 Prozent der Unternehmen im Russell 2000 sind nicht profitabel. Zugleich gibt es branchenspezifische Vorteile: Finanzdienstleister und Industrieaktien profitieren von weniger Regulierung.
Es spricht einiges dafür, dass angesichts der deutlich niedrigeren Bewertung von Nebenwerten Investoren hier eine willkommene Diversifikation sehen und von Standardwerte (Stichwort: Magnificent Seven) in Richtung Russell 2000-Aktien umschichten werden.
Allerdings gilt es, die Inflationsdynamik genau im Auge zu behalten; Steigt infolge der erwarteten Errichtung von Zollschranken und Deportation von illegalen Immigranten der Inflationsdruck, wird die US-Notenbank die Zinsen langsamer senken, als es viele Marktteilnehmer erwarten. Dies bekräftigte US-Fed-Chef Jay Powell im Nachgang zur Zinssenkung am Donnerstag vergangener Woche.
Kryptos: Bitcoin moon every day?
Die einzelnen Ideen und Pläne von Donald Trump und seinem Team klingen nach einer Revolution. So soll eine strategische nationale Bitcoin-Reserve aufgebaut werden, ähnlich den bestehenden Reserven für Gold und Öl. Ein Gesetzesentwurf der republikanischen Senatorin Cynthia Lummis sieht vor, rund eine Million Bitcoin – etwa 5% des globalen Angebots – zu kaufen. Das würde dem Bitcoin-Preis, der bereits jetzt von Rekord zu Rekord eilt, einen weiteren Schub geben.
Darüber hinaus soll es regulatorische Erleichterungen geben. Trump hat angekündigt, den als kryptofeindlich geltenden SEC-Chef Gary Gensler zu entlassen und durch einen Crypto Bro Bro zu ersetzen. Darüber hinaus will der gewählte US-Präsident die Energiepreise senken – siehe oben – um das energieintensive Bitcoin-Mining in den USA zu fördern.
Das ist ziemlich ambitioniert – und ob die Maximalpläne tatsächlich umgesetzt werden, erscheint fraglich. Zum einen würde der Aufbau einer Bitcoin-Reserve mehr als nur ein Passwort und ein Wallet benötigen. Es müsste eine völlig neue Infrastruktur geschaffen werden. Und selbst wenn die Entlassung des SEC-Chefs zügig vonstattengehen sollte, was nicht ganz klar ist, so müsste der Kongress den Maßnahmen zustimmen. Die ist nicht sicher, zumal der Aufbau einer Bitcoin-Reserve angesichts der Gefahr der Marktbeeinflussung nicht so ohne weiteres zu stemmen ist.
Zudem stellt sich die Frage, wie stark das Krypto-Commitment Trumps wirklich ist. Noch 2021 hatte er in einem Interview mit Fox Business Bitcoin als „Scam“, also Betrug, bezeichnet. Er möge Bitcoin nicht, weil es eine weitere Währung sei, die mit dem Dollar konkurriere, so Trump. Und vielleicht waren ja die Crypto Bros nur nützliche Idioten in Trumps Wahlkampagne? Ähnlich wie Elon Musk, dem Präsidenten des E-Auto-Herstellers Tesla und seines Zeichens ebenfalls Krypto-Fan?
Trump-Trade zwischen Dichtung und Realität
Die Kursgewinne vieler Assets waren in den Tagen seit der US-Wahl beachtlich – und es war keinesfalls eine „everything rally“, die man mitunter nach Wahlen sehen kann, wenn Anleger einfach nur froh sind, dass klare Verhältnisse geschaffen wurden. Solar- und Windenergieanlagen-Hersteller haben kräftig verloren, wie auch deutsche Automobilaktien und China-Aktien wackelten ebenfalls bedenklich. Auch, dass die Rentenmärkte negativ auf die Wahl Trumps reagieren, zeigt, dass Marktteilnehmer die Pläne der kommenden Administration aufmerksam studiert haben.
Doch hier zeigen sich bereits die Leitplanken, die eine 1:1-Umsetzung der Trump-Pläne verhindern könnten. Die Bond-Vigilantes zeigen bereits jetzt ihre Zähne. Die Renditen von US-Staatsanleihen sind in den vergangenen Wochen bereits deutlich gestiegen. Sollten Marktteilnehmer zur Einschätzung kommen, dass die staatlichen Defizite ungezügelt steigen und die Inflation im Zuge von Massendeportationen und der Errichtung von Zollschranken wieder nach oben schnellt, dann könnte die Refinanzierung von US-Schulden ziemlich teuer werden. Eine deutlich steigende Inflation im Zuge von Massendeportationen von Immigranten und hohen Zöllen könnten die Trump-Administration zurückschrecken lassen. Schließlich wurde die Biden-Administration nicht zuletzt wegen der erheblichen Preissteigerungen in den letzten zwei Jahren abgewählt. MAGA-Man Trump ist also gewarnt vor den Gefahren steigender Verbraucherpreise für die Reputation amtierender Präsidenten.
Hier geht es zum zweiten Teil der Serie, der sich mit den Verlierern des Trump Trades beschäftigt.
Im envestor Blog haben wir die US-Wahl und ihren Einfluss auf die Märkte engmaschig begleitet. Hier eine Übersicht über unsere Berichterstattung:
1. Die US-Wahl wirft ihre Schatten voraus. Es wird Gewinner und Verlierer auf der Aktienseite geben, aber ein Markt hat das Zeug, die Zeiger an der Börse nachhaltig zu bewegen.
2. Wie „Theo“ mit seiner Pro-Trump-Wette viel Geld verdiente – und was Anleger daraus lernen können
3. Gewinner und Verlierer des Trump Trades: Die Gewinner
4. Gewinner und Verlierer des Trump Trades: Die Verlierer
Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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