Mit der Rückkehr Donald Trumps an die Spitze der US-Politik kommen einige Branchen unter Druck. Im zweiten Teil unserer Miniserie gehen wir auf die Verlierer des Trump Trades ein und stellen die Fragen, wie viel davon bereits in den Kursen eingepreist ist – und ob alles so düster ist, wie es erscheint.
Im ersten Teil unserer Serie zum Trump Trade haben wir die Gewinner herausgearbeitet – und dabei auch ermittelt, dass die Sache nicht immer so eindeutig ist, wie es auf den ersten Blick erscheint: Wird Tesla, Hersteller der von MAGA verhassten E-Autos, weiterhin einen Höhenflug an der Börse erleben, weil sich Tesla-Chef Elon Musk zum Top-Berater Trumps aufgeschwungen hat? Oder werden die Rednecks weiterhin keine Tesla-Autos kaufen und der Tesla-Absatz weltweit auch angesichts der zu erwarten Zollregime vielleicht ins Stocken kommen?
So wenig linear die bisherigen Gewinner des Trump-Trades fortzuschreiben sind – die US-Wahl ist gerade einmal knapp zwei Wochen her – so wenig lässt sich urteilen, ob die augenscheinlichen Verlierer des Trump Trades auch nachhaltige Verlierer sein werden. Aber kommen wir nun zu drei Branchen, die offenkundig zu den heißen Kandidaten der Verlierer des Trump Trades zählen. Dabei schlagen wir eine Aktie als herausragende Verliererin des Trump Trades vor.
Deutsche Autobauer: Malaise ohne Ende?
Die europäische Automobilindustrie, insbesondere deutsche Hersteller wie Volkswagen, Porsche, Mercedes und BMW, wird unter den angekündigten Zöllen leiden. Trump hat bereits während seiner ersten Amtszeit Strafzölle auf europäische Autos angedroht. Diese werden offenbar in seiner zweiten Amtszeit Realität werden. Ein pauschaler Zoll von 10 Prozent oder mehr würde die Produktionskosten erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Hersteller auf dem US-Markt gefährden. Die USA machen jeweils bis zu zehn Prozent der Konzernumsätze der drei deutschen Hersteller aus. Nach dem drastischen Rückgang der Umsätze in China droht nun ein weiterer Nackenschlag aus den USA.
Die Strategie, es den japanischen Autobauern gleichzumachen, die in den 1980er Jahren ihre Produktionsstätten in die Exportmärkte verlagerten, könnte die Folgen von Einfuhrzöllen mindern. Schlussendlich ist es ja das Ziel der kommenden US-Administration, Industriearbeitsplätze in die USA zurückzuholen. Allerdings ist das irrationale Trump-Moment nicht zu unterschätzen. Trump hatte bereits BMW beschuldigt, in Deutschland hergestellte Komponenten in den USA nur zusammenzuschrauben. Dass das nicht stimmt, dürfte die Konzernlenker in München nur eingeschränkt beruhigen.
Problematisch könnte auch die Ausrichtung der US-Werke sein. Die Werke in Chattanoooga (VW), Tuscaloosa (Mercedes) und Spartanburg (BMW) sollen vor allem auf die E-Auto-Herstellung ausgerichtet werden. Sollte Trump Bidens Inflation Reduction Act (IRA) wirklich zurückfahren, wären auch die E-Auto-Pläne europäischer Autobauer in Gefahr.
Zerstört Kennedy Big und Small Pharma?
Die Pharmaindustrie steht ebenfalls vor gravierenden Herausforderungen. Die gehen nicht nur auf die protektionistische Politik Trumps zurück, die Lieferketten stressen könnte, sondern auf die Ernennung von Robert F. Kennedy Jr. zum kommenden US-Gesundheitsminister. Kennedy ist bekannt für seine impfkritische Haltung und hat in der Vergangenheit zur Verbreitung von Verschwörungstheorien beigetragen. Die Kurse großer wie kleiner Pharmawerte brachen nach der Bekanntgabe der Nominierung Kennedys ein – dies- wie jenseits des Atlantiks. Der MSCI Europe Health verlor im Verlaufe des Novembers bisher rund 4,3 Prozent. Der S&P Health Care Sector, der die Pharma-Firmen im S&P abbildet, verlor knapp 3,5 Prozent.
Besonders heftig waren allerdings die Einbrüche bei Impfherstellern, vor allem bei solchen, die während der Pandemie Covid-Vakzine entwickelt hatten: GSK, Sanofi und vor allem Moderna. Damit kommen wir zur Verlierer-Aktie des Trump-Trades: Moderna. Sie brach bisher in diesem Monat um gut 32 Prozent ein. Das liegt daran, dass Moderna für die Anti-Waxer besonders viel Angriffsfläche bietet. Denn Moderna konzentriert sich hauptsächlich auf die Entwicklung und Vermarktung von mRNA-basierten Impfstoffen im Bereich der Infektionskrankheiten. Anders der Fall Biontech: Für das Mainzer Unternehmen war die Entwicklung eines Anti-Covid-Wirkstoffs nur ein Intermezzo bei der Onkologie-Forschung, das sehr viel Geld in die Kassen gespült hat. Mit strategischen Partnerschaften (Pfizer) und Akquisitionen, zuletzt des chinesischen Onkologie-Spezialisten Biotheus, hat sich Biontech erfolgreich diversifiziert und bietet dem irrlichternden Kennedy weniger Angriffsfläche.
Wie sehen die Perspektiven für Big Pharma unter Trump aus? Möglicherweise nicht einmal schlecht. Die Biden-Administration hatte sich stark gemacht für die Senkung der Arzneimittelpreise und wollte im Rahmen von Medicare Preise für bestimmte Präparate neu verhandeln. Im Rahmen des IRA wurden zunächst zehn Medikamente ausgewählt, für die Preisverhandlungen stattfinden sollen, mit dem Ziel, die finanziellen Belastungen für Senioren und anderen Medicare-Empfängern zu verringern. Diese Pläne sind jetzt vom Tisch. In der ersten Administration Trump hatten sich die Pläne zur Senkung der Arzneimittelpreise als ineffektiv bzw. halbherzig erwiesen. Eine Rückkehr zu weniger Regulierung bzw. die Abschaffung des IRA könnten die Arzneimittelpreise wieder steigen lassen. Außerdem dürfte die Deregulierung des Finanzsystems die M&A-Aktivitäten beleben, was die Kurse der Pharma-Aktien antreiben könnte.
Wind & Solar: Ende der grünen Träume?
Die Hersteller von Wind- und Solarkraftanlagenherstellern hatten auch vor dem Wahlsieg Trumps keine leichte Zeit an der Börse. Fundamental sahen die Perspektiven längere Zeit nicht schlecht aus. Der Markt für erneuerbare Energien, insbesondere für Solarenergie, boomte – auch in den USA. Der IRA hat die Investitionen in erneuerbare Energien durch umfangreiche Steuervergünstigungen angekurbelt, was zu einem Anstieg der installierten Kapazitäten führte. Doch die Branche konsolidiert bereits seit 2023, auch wenn die Solarenergie in den USA 2023 um 32 Gigawatt zulegte. Die Konkurrenz aus China setzt den Betreibern aus den USA und Europa zu. Neben dem Preisverfall kamen beim Windkraftausbau, vorwiegend im Offshore-Bereich, Probleme bei der Umsetzung bzw. Genehmigung von Projekten hinzu. Das hat die Aktien der Unternehmen hart getroffen, zumal der Anstieg der Rohstoffpreise die Herstellungskosten bereits in die Höhe getrieben hatte.
Unternehmen wie RWE oder Siemens Energy überdenken ihre ambitionierten Expansionspläne für Windkraft in den USA nach dem Wahlsieg Trumps und fangen bereits an, Projekte auf Eis zu legen. An der Börse ist bereits seit Jahren Katzenjammer angesagt, der seit Anfang November zur Grabesstimmung gekippt ist. In den vergangenen vier Wochen ist der Kurs von SolarEdge um knapp 40 Prozent eingebrochen, Enphase-Aktien verloren 32 Prozent, Vestas Wind sackten um gut 22 Prozent ein und SMA büßten in weniger als drei Wochen knapp 15 Prozent ein. Seit Jahresanfang muten SolarEdge-Aktien wie ein Totalverlust an, mit einem Minus von knapp 90 Prozent. Enphase verloren gut 50 Prozent.
Doch so schwer es Anlegenden fallen dürfte, das Glas zumindest als ein Viertel voll anzuerkennen, könnte der Boden bei den Kursen erreicht worden sein – selbst bei Problembereich Offshore-Wind-Entwicklern. Die Rahmenbedingungen haben sich nach der großen Welle der Wertminderungen und Projektstornierungen 2023 stabilisiert, vor allem in Europa. Orsted zum Beispiel profitiert vom Großprojekt Hornsea III in Großbritannien, die Aktie wird von den Analysten von Morningstar als deutlich unterbewertet eingeschätzt. Auch die Aktien von EON gelten als unterbewertet, die Aussichten für den Netzausbau in Europa sind aussichtsreich. Die britische SSE wiederum wird die Stromproduktion aus erneuerbaren Energien bis 2028 dank des Offshore-Wachstums in Großbritannien fast verdoppeln. Wer von der US-Malaise abstrahiert und sich auf den stetigen Ausbau der Netze und Windenergiepläne in Europa konzentriert, findet etliche Unternehmen, die nach nunmehr fast drei Jahren der schmerzhaften Konsolidierung unterbewertet sind und sich anschicken, auf einen ertragreicheren Wachstumspfad zurückzukehren.
Im envestor Blog haben wir die US-Wahl und ihren Einfluss auf die Märkte engmaschig begleitet. Hier eine Übersicht über unsere Berichterstattung:
1. Die US-Wahl wirft ihre Schatten voraus. Es wird Gewinner und Verlierer auf der Aktienseite geben, aber ein Markt hat das Zeug, die Zeiger an der Börse nachhaltig zu bewegen.
2. Wie „Theo“ mit seiner Pro-Trump-Wette viel Geld verdiente – und was Anleger daraus lernen können
3. Gewinner und Verlierer des Trump Trades: Die Gewinner
4. Gewinner und Verlierer des Trump Trades: Die Verlierer
Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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