Anleger in Rentenfonds stehen vor einer strukturell veränderten Welt. Die geopolitischen Achsen verschieben sich, fiskalische Restriktionen nehmen ab, die Inflationsaussichten sind ungewiss. Wie also ein Anleihenportfolio gestalten, das für die nächsten Jahre die Balance wahrt zwischen Renditeanforderungen und Risikomanagement? Vier fondsbasierte Szenarien für Anleihen 2025 und darüber hinaus.
Investments in Anleihen gelten als einfach: Man definiert die laufenden Renditeanforderungen, kauft Anleihen mit fixem Kupon und legt diese bis zur Endfälligkeit ins Portfolio. Das Szenario für Anleihen 2025 und darüber hinaus ist nicht so einfach. Da wäre einmal die Frage der Inflation. In Europa scheint sie gebändigt, in den USA dagegen nicht. Dort droht angesichts der inflationären Wirkung von Zollhemmnissen Anleihen Ungemach. Dies- und jenseits des Atlantiks setzt die massive Ausweitung der Staatsverschuldung Anleihen immer wieder unter Druck. Für Deutschland ist zum Beispiel eine mutmaßlich dauerhafte Erhöhung der Renditen im Zuge der Wiederaufrüstung und forcierten Infrastrukturausgaben zu erwarten.
Und was ist mit Kreditrisiken? Auch wenn ein ordentlicher Zinssockel impliziert, dass die absoluten Renditen von Risikopapieren deutlich höher sind als vor der russischen Vollinvasion der Ukraine 2022, so haben sich die Aufschläge in den vergangenen zwölf bis achtzehn Monaten eingeengt, sodass die Attraktivität von Unternehmensanleihen geringer geworden ist. Zudem macht vielen Beobachtern die Qualität der Papiere sowie die Sicherheit von Emissionen im Zuge der häufigen Aufweichung von Vertragsbedingungen (Covenants) Sorgen.
Punktprognosen überlassen wir daher gerne den Claire Voyants, von denen es nicht wenige in der Finanzindustrie gibt. Wir arbeiten lieber mit Szenarien.
Wir haben uns Gedanken gemacht über die Frage nach den Perspektiven für Anleihen. Doch weil wir keine Glaskugel besitzen, können wir nicht sagen, welche Richtung der Anleihenmarkt nehmen wird. Punktprognosen überlassen wir daher gerne den Claire Voyants, von denen es nicht wenige in der Finanzindustrie gibt. Wir arbeiten lieber mit Szenarien. Wir stellen hier deren vier vor, wagen uns allerdings so weit vor, dass wir Einschätzungen zur Eintrittswahrscheinlichkeit jedes der vier Szenarien vornehmen. Vorhang also auf für Fonds-Szenarien für Anleihen 2025 und darüber hinaus – durch die Brille eines Euro-Anlegers.
Moderate Inflation – Qualität „mit Schuss“
Mit einer relativ hohen Eintrittswahrscheinlichkeit halten wir dieses Basisszenario für das wichtigste Referenzmodell. Die Inflation im Euroraum verharrt nahe dem Zielwert von zwei Prozent. In Kombination mit moderatem Wachstum und einer stabilitätsorientierten Politik der EZB ergibt sich ein Umfeld, das attraktive Zinsniveaus wahrscheinlich macht. Die Zinskurve bleibt moderat steil, ohne ausgeprägte Volatilität.
Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine Ausrichtung hin zu mittleren bis langen Laufzeiten (sieben bis zwölf Jahre), insbesondere im Bereich hochqualitativer Unternehmens- und Staatsanleihen. Euro-Südanleihen bieten einen Schnaps mehr Rendite, wobei sich die Renditedifferenz zu deutschen Bunds seit dem Frühjahr 2025 nivelliert hat. Zusätzlich sorgt die Beimischung ausgewählter strukturierter Produkte für Ertragsstabilität ohne unkontrollierbares Risiko: CLOs in Investment-Grade-Tranchen, gestreute Konsumentenkreditfonds mit kurzen Laufzeiten (unter 24 Monaten) und Cat Bonds aus dem Versicherungsbereich leisten gezielte Diversifikation und liefern willkommene Risikoaufschläge. High-Yield-Exposure ist selektiv möglich, insbesondere im kurzfristigen Bereich unterhalb von fünf Jahren – sowohl in Europa als auch währungsgesichert in den USA.
Auch Anleihen aus Schwellenländern können einen Beitrag leisten, vor allem in harter Währung und mit soliden Emittenten. Lokalwährungsanleihen sind renditestark, aber hinsichtlich Volatilität und Hedging-Problemen begrenzt einsetzbar. Ebenso ergeben Nachranganleihen von Versicherungen (Solvenz-II-konform) eine attraktive Carry-Komponente, sofern die Kreditrisiken in den Fonds gestreut bleiben. So genannte Tier-1-Anleihen von Banken gehören allenfalls begrenzt dosiert zum Spread-Mix dazu.
Die Achillesferse eines derartigen Portfolios sind US-Anleihen. Die US-Fiskalpolitik stellt ein wesentliches makroökonomisches Risiko dar: Neben der steigenden Verschuldung stellt die erratische Politik der Trump-Administration ein Risiko dar. Beispielhaft hierfür ist die in der letzten Woche erfolgte Entlassung der Chefin der US-Statistikbehörde BLS, was die Integrität der Makrodaten der USA infrage stellt. US-Papiere zeigen daher Risiken, die denen von Emerging Markets ähneln. Diese Unsicherheit erstreckt sich nicht nur auf den US-Dollar, dessen Risiko sich absichern lässt, sondern auch auf die Renditen von US-Treasuries. Dollar-Investments sollten daher nur wohldosiert und vollständig gehedgt erfolgen.
In diesem Szenario steht die Kombination aus Laufzeit, Credit-Diversifikation und Cashflow-Stabilität – bei kontrollierter Volatilität – im Vordergrund.
Zollkonflikte & Stagflation – Kapitalerhalt über alles
Die Unbill der Präsidentschaft Trumps – protektionistische Maßnahmen gegenüber China, der EU und Lateinamerika – trifft auf fragile Lieferketten und eine prekäre geopolitische Lage. Die Folge ist ein stagflationäres Umfeld mit erhöhter Importinflation (3% und mehr) und fallendem Wachstum in Europa und den USA. Das Vertrauen in multilaterale Finanzmärkte wird geschwächt, Investoren ziehen Kapital in Liquiditätsnischen und sichere (heimische) Staatsanleihen ab – wobei nicht auszuschließen ist, dass Anleger bei US-Staatsanleihen hohe Renditen fordern werden als „Strafe“ für die hohe Verschuldung. Auch wenn wir Eintrittswahrscheinlichkeit für geringer halten, ist dieses Horrorszanario leider nicht von der Hand zu weisen.
Weil Laufzeiten zum Risiko werden, sollte ein Anleihen-Portfolio auf kurze Laufzeiten (1–4 Jahre) konzentriert sein, auch über Floating-Rate-Instrumente. Vor allem auf der Credit-Seite herrscht Disziplinzwang. High Yield sollte nur minimal beigemischt werden, bevorzugt EUR-basiert und im defensiven Quality-Bereich. CLOs bleiben nur auf den obersten AAA- und AA-Tranchen attraktiv, Konsumentenkredite verlieren durch die ansteigenden Ausfallraten an Gewicht. Nachranganleihen und strukturierte Fondsentschuldungen zeigen verstärkte Spread-Volatilität – auch sie sollten strikt limitiert werden.
Emerging-Market-Anleihen können bei hoher Bonität in Hartwährung attraktiv bleiben, doch wie Lokalwährungsanleihen sind auch sie durch Kapitalabflüsse belastet. Die US-Verschuldung rückt hier besonders ins Zentrum: Fortgesetzte Ausgabenerhöhungen könnten zu einem Renditeschock bei US-Treasuries führen und Zinsanstiege global verankern – selbst wenn die Inflation ihre Dynamik dann verlieren sollte.
Kapitalerhalt und Liquidität sind in diesem Szenario Pflicht. Das klingt düster, sichert aber ein Höchstmaß an Reaktionsfähigkeit – wenn die Spreads explodieren, bieten sich Chancen. Die Renditeziele treten in diesem Szenario allerdings in den Hintergrund.
Zollfrieden & Aufschwung – Chancen wahrnehmen
Ein Szenario mit Entspannungspotenzial: Handelsdialoge reduzieren die Tragweite der Zollkonflikte, die wirtschaftliche Unsicherheit nimmt ab, Zollkompromisse nehmen den Druck aus den Lieferketten. Die EZB geht in vorsichtige Zinssenkungen über, der Euro-Raum wächst moderat. Die Inflation bleibt moderat.
Das hätte folgende Konsequenz für ein Bond-Portfolio: Längere Laufzeiten sind dann Pflicht, insbesondere in der Europeripherie und bei IG-Corporates kann die Duration verlängert werden. Auf der Credit-Seite öffnet sich Raum für eine ordentliche Beimischung von Hochzinsanleihen, auch in Tranchen mit mittlerer Duration. Hochzins-CLOs sind dann ebenfalls Instrumente der Wahl wie auch Nachranganleihen – vor allem von Versicherern liefern eine ordentliche Überrendite bei tragbarem Risiko. Konsumentenkreditportfolios profitieren von höherer Konsumfreude und sinkenden Ausfallraten.
Emerging-Markets werden in diesem Blue-Sky-Szenario aktive Renditen, vor allem Lokalwährungsanleihen. Hier können Anleger neben Zinserträgen auch auf sinkende Risikoaufschläge hoffen, die für attraktive Kursgewinne sorgen. Fremdwährungspositionen (z. B. USD, BRL, INR) können zumindest in Teilen ungesichert mitlaufen, sofern die Korrelation zum Euro stabil bleibt. Für die meisten Anleger ist dies allerdings eher nicht zu empfehlen.
Emerging Markets, Hochzinsanlegen, High Yield CLOs: Spread-Papiere sind in diesem Szenario gesetzt. Allerdings bleiben die USA auch hier Sorgenkinder des Anlegerlebens. Die fiskalische Lage bleibt kritisch. Auch wenn unter stabiler Nachfrage und wachsender Risikobereitschaft dieses Risiko zumeist nur eine zweitrangige Rolle für die globalen Zinsen spielen wird, sollten Anleger vorsichtig sein mit Allokationen in langlaufende US-Treasuries.
Fragmentierung & Dauerkrise – Cash is King
In der Variante geopolitischer Dauerbelastung, der wir nur eine begrenzte Eintrittswahrscheinlichkeit einräumen, verfestigen sich Machtblöcke (BRICS+, NATO/NATO minus USA), wirtschaftliche Entkopplung setzt sich fort. Gleichzeitig ist die NATO in ihrer Kohärenz geschwächt, Russland und China gewinnen wirtschaftlichen Einfluss. Anleger weltweit reagieren nervös, die Spreads weiten sich deutlich aus.
In solchen Phasen ist das Portfolio fast vollständig auf Verteidigung eingestellt: Primär gelten kurze Laufzeiten, über staatliche und supranationale Emittenten sind Unternehmensanleihen vorzuziehen, Kreditrisiken werden zurückgenommen. High Yield, subordinierte Anleihen und strukturierte Kreditfonds sind weitgehend ausgeschlossen – einzig Cat Bonds und ausgesuchte CLO-Senior-Tranchen halten die Fahne der Diversifikation hoch, allerdings nur, sofern der Markt liquide bleibt.
Schwellenländer verlieren an Gewicht; nur Euro-abgesicherte Fonds von hoher Qualität sind denkbar. Die strukturell steigende US-Verschuldung kann in einem solchen Szenario toxisch werden: Mangelndes Vertrauen könnte zu einer strukturellen Neubewertung führen, die auch europäische Papiere mit längerer Laufzeit unter Druck setzt.
Es gilt das Motto: Cash is King, auch wenn dann die Realrenditen negativ sind. Opportunitätskosten sind allerdings in diesem Szenario sekundär. Allerdings: Tiefe Krisen mögen scharf und tief sein, aber sie sind temporär. Krisenzeiten sollten zu antizyklischen Käufen animieren, sofern uns nicht absehbar der Himmel auf den Kopf fällt. Cash ist also auch für die Opportunität von morgen wichtig.
Anleihen 2025 ff.: Qualität, Rendite, Robustheit
Eine Szenarien-basierte Diskussion ist für den Aufbau robuster Rentenportfolios zwar sicher hilfreich, aber letztlich bleibt Investieren ein Spiel der Wahrscheinlichkeiten und damit riskant, egal, wie wohlausgewogen und plausibel eine Strategie ist. Daher sollten auch langfristig orientierte Anleger flexibel bleiben. Zeichnet sich ab, dass auch die differenzierteste Szenarienplanung fehlerhaft war, sollte man die Bastion räumen und sich nicht kategorisch gegen den Markt stellen. Opportunismus ist dabei nicht ausgeschlossen und auch ein strenges Risikomanagement in der Krise sollte nicht ausschließen, dass irgendwann wieder die Zeit zum Kaufen kommt. Drei übergreifende Grundsätze dominieren:
- Qualität vor Yield: Auch in Carry-freundlichen Szenarien bleibt die Bonität das zentrale Selektionskriterium – besonders bei strukturierten Produkten oder Emerging-Markets-Anlagen.
- Diversifikation schlägt Prognose: Cat Bonds, CLOs, Konsumentenkredite und ausgewählte Nachranganleihen schaffen Renditequellen unabhängig von Zinsniveau und Geopolitik. Allerdings ist hier das Liquiditätsrisiko zu beachten.
- Makro-Szenarien treten in den Vordergrund: Vor der Trump-Ära fast undenkbar: Fiskalrisiken und Regulierungsrisiken prägen den US-Markt – wie auch die Frage nach der Stabilität des US-Dollar. Zentralbank-Pfade dürften in Europa klar bleiben, in den nächsten 12 Monaten in den USA dagegen verschwimmen.
Das erhöht die Unsicherheit an den Anleihen-Märkten weltweit, womit wir wieder beim erste Grundsatz wären: Euro-Qualität vor Dollar-Yield sollte das Motto von Anlegern in festverzinslichen Papieren in der nächsten Zeit bleiben.
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Autor
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Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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