Mischfonds Bilanz 2022: Die Tops und Flops

Im zweiten Teil der Mischfonds Bilanz 2022 steigen wir in die Ebene der einzelnen Mischfonds hinab. Wir fangen mit den Tops und Flops 2022 an. Wer lag vorn, wer ist eingebrochen? Jenseits der einzelnen Stories stellen wir generelle Überlegungen zu möglichen Mustern bei den Gewinnern und Verlierern an – und ob Anleger ihren Anteil am Erfolg oder Misserfolg der Fonds-Performance haben.

Bei Fonds-Rennlisten ist es nicht anders als bei anderen Statistiken: Durchschnitte verstellen den Blick auf die Extreme – so natürlich auch bei Mischfonds. Wir haben im ersten Teil unseres Mischfonds Tests den Blick von ganz oben auf sieben beliebte Mischfonds Kategorien gerichtet. Die Performance der Kategorien zu kennen, ist hilfreich, weil sie das Marktgeschehen insgesamt reflektiert. Aber der Top-down-Blick gibt keine Auskunft über das Verhalten einzelner Fonds.

Deshalb schauen wir im zweiten Teil auf die besten und die schlechtesten Mischfonds der Kategorien: defensiv, ausgewogen, flexibel (jeweils europäische und globale Fonds) sowie Multistrategie Fonds. Dabei geht es uns nicht um die bloße Präsentation von Rennlisten, sondern darum, abzuleiten, was die Lehren für die lange Frist sind. (Aus diesem Grund haben wir nur die Top- und Flop-Performer berücksichtigt, die eine fünfjährige Historie aufweisen.)

Die untere Tabelle zeigt die besten zehn Mischfonds in den sieben großen Kategorien am deutschen Markt in diesem Jahr (Stand: 23.5.). In Zeiten, in denen Aktien und Anleihen jeweils rund zehn Prozent verlieren, ist eine Performance jenseits der Nulllinie für Mischfonds ein großer Erfolg. Die beste Performance in diesem Jahr erzielte der Schroder ISF Inflation Plus, der um gut 7,5 Prozent zulegte. Das ist sehr beachtlich. Doch auch die Performance des DWS TRC Top Dividende mit einem Plus von knapp 2,8 Prozent fällt sehr positiv auf. Was steckt hinter den Erfolgen im Einzelnen?

Mischfonds Bilanz 2022: die zehn besten Fonds in der Performance Übersicht

Mischfonds Bilanz 2022
Performance 2022 in Prozent und in Euro, Stand: 23.5.2022, Quelle: Morningstar, Grafik: Envestor

Die Übersicht über die besten Mischfonds 2022 lässt sich – vorweggesagt – nicht anhand der Performance der breiten Anleihen- und Aktienmärkte erklären. Diese Fonds waren dort also eher weniger unterwegs. Das ist eine Binse, muss aber hervorgehoben werden, weil die Performance von Fonds kein Hexenwerk ist, sondern eine Ableitung vom eingegangenen Risiko. Zwei Gründe für die Performance der Fonds lassen sich festmachen.

Mischfonds Bilanz 2022: Derivate und Energie sind die Rettung

Der eine Grund ist der Einsatz von Derivaten, die die Verluste am zugrundeliegenden Markt reduziert haben. Ein Beispiel für diese Strategie ist der DWS TRC Top Dividende. Ihm liegt der Aktienfonds DWS Top Dividende zugrunde. Durch Absicherungsstrategien wird allerdings maximal 80 Prozent des Aktienmarktrisikos des „Mutterfonds“ abgesichert. (Weil die Absicherung systematisch erfolgt, wird dieser Fonds – zumindest vom Researchhaus Morningstar – als Mischfonds geführt.)

Der zweite Grund für die gute Performance liegt in der Konzentration auf Nischenstrategien. Hierfür sind der Schroder ISF Inflation Plus und der M&W Privat die besten Beispiele. Der M&W Privat setzt bereits seit der Eurokrise auf Gold-Investments – in Antizipation einer Inflation, die lange Zeit auf sich warten ließ. Gold-Investments boten Schutz in den vergangenen Monaten, und Gold-Aktien waren ein ziemlich guter Rendite-Booster für Gold-Fans. Der Schroder Fonds wiederum investiert standardmäßig in hochrentierliche Emerging Markets Währungen sowie in breit diversifizierte Rohstoff-Körbe, um mittelfristig einen Inflationsausgleich zu schaffen.

Derivate und Nischenstrategien waren also die Rettung der Renditen 2022. Natürlich werden in der Praxis auch Mischformen angewendet, etwa vom Rufer Total Return International. Das Fondsmanagement hat auf der einen Seite Zinsoptionen und andere derivative Absicherungen auf der Anleihenseite vorgenommen. Auf der anderen Seite hält der Fonds derzeit Gold sowie Gold- und Energieaktien, um der Korrektur an den Aktienmärkten zu entgehen. Weil er vollkommen frei ist in der Allokation der Mittel, ist dieser taktische Schwenk beachtlich.

Mischfonds Bilanz 2022: High-Growth für den plötzlichen Fonds-Tod

Kommen wir nun zu den Verlierern, die in der unteren Grafik abgebildet sind. Der mit Abstand größte Verlust fiel in diesem Jahr beim flexiblen Mischfonds CH Global an. (Das CH steht für die Initialien des Fondsberaters, Christian Hintz, nicht für Schweizer Investments.) Der Fonds brach bisher um über 36 Prozent ein. Besonders hoch waren die Verluste im Januar, einer Zeit, in der sich der breite Aktienmarkt noch relativ stabil zeigte. Des Rätsels Lösung: Der Fokus des Fonds liegt auf dem Tech-Sektor. Besonders hoch waren die Verluste beim CH Global aufgrund von Investments in KI-Firmen.

Damit wird der Grund für die hohen Verluste bei vielen MIschfonds offenbar: ein Übergewicht in Aktien und hier bei Technologie und High-Growth Fimen. Der Dachfonds DFO Equity Opportunities schaffte das Minus von über 35 Prozent etwa auch wegen Investments in Nebenwerten. Etliche Threadneedle Growth-Aktienfonds finden sich im Portfolio, wie auch zahlreiche Nebenwerte- und China-Investments. Die Mehrzahl dieser Fonds, die Aktien stark übergewichtet haben, finden sich in der Kategorie der flexiblen Mischfonds, was die Frage aufwirft, ob die Manager dem Thema Diversifikation und Risikomanagement gerecht geworden sind.

Grafik: Die Mischfonds mit den höchsten Verlusten 2022

Mischfonds Bilanz 2022
Performance 2022 in Euro und in Prozent, Stand: 23.5.2022, Quelle: Morningstar, Grafik: Envestor

Fehler sind nicht nur bei den Fondsmanagern zu suchen

Die Moral der Geschichte bei der Mischfonds Bilanz 2022 ist bereits angeklungen: Mischfonds, die viel verloren haben, waren bei Growth und Nebenwerten stark unterwegs und wiesen hohe Aktienquoten auf. Das wirft Fragen zur Diversifikation der Fonds auf, die bei Mischfonds eigentlich Pflicht sein sollte. Bei den Gewinnern sieht die Sache ermutigender aus: Mit Absicherungsstrategien haben die Fonds das Schlimmste verhindert. In Zeiten, in denen Anleihen kein Diversifikationspotential bieten, waren Derivate eine gute Möglichkeit, Schutz vor Verlusten zu finden. Auch die Gewichtung der Themen Energie, Rohstoffe und Edelmetalle war ein Erfolg, wobei man zwischen taktischen Übergewichtungen und einer langjährigen einseitigen Fokussierung auf einzelne Themen unterscheiden muss; Fonds wie der Schroder Inflation Plus und der M&W Privat sind in den Bereichen Rohstoffe bzw. Gold dauerhaft unterwegs. In Zeiten, in denen diese Nischen schwächeln, werden diese – und ähnlich konzentrierte Fonds – unterdurchschnittlich abschneiden.

Doch auch die Anleger sind Teil des Spiels. Wenn sie schlechte Erfahrungen mit Fonds machen, dann liegt das nicht immer am Fondsmanager, sondern oft am Kaufverhalten der Investoren selbst. Denn viele Anleger laufen der Vergangenheits-Performance hinterher. Sie lassen sich von Vergangenheits-Renditen blenden und steigen ein, wenn das Performance-Potential eingeschränkt ist. Kapitalmarktrenditen haben ihren ganz eigenen Zyklus: Auf gute Jahre folgen oftmals schlechte, und wer nach dem Hoch einsteigt, steht oft vor dem Tal. Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Anleger durch falsches Timing beim Fondskauf systematisch ihre persönliche Performance verschlechtern.

Die untere Grafik, die die Gewinner des laufenden Jahres zusammenbringt, macht diesen Punkt. Die Grafik kontrastiert das Performance Ranking in diesem Jahr mit den Rankings der Fonds in den fünf Kalenderjahren zuvor. Auf der jeweils linken Seite der einzelnen Fonds-Abschnitte ist das jüngste Performance-Ranking im Balken-Format aufgeführt, das nach rechts weiter in die Historie zurückgeht – bis ins Jahr 2017. Gezeigt wird das Ranking der Fonds innerhalb ihrer jeweiligen Fonds-Kategorie, ausgedrückt in Prozent. Dabei gilt das Motto: Je höher die Zahl, desto besser. Ein Fonds im 99. Perzentil zählt zu den 1 Prozent besten Fonds der Kategorie. Ein Fonds im 1. Perzentil zählt zu den ein Prozent schlechtesten vergleichbaren Fonds.

Die Gewinner von heute sind oft die Verlierer von morgen

Das verdeutlichen wir anhand des Schroder Inflation Plus, der in diesem Jahr die Lichter ausgeschossen hat. Der Fonds findet sich auf der linken Seite der Grafik. Der dunkelblaue Balken auf der linken Seite zeigt ein Ranking nahe 100 an. Das bedeutet, dass der Fonds in diesem Jahr (per 23. Mai) zu den 1 Prozent besten Fonds seiner Kategorie zählt. Der orangefarbene Balken weiter rechts zeigt das Ranking im Jahr 2021. Hier zählte der Fonds zu den 17 Prozent schlechtesten Fonds seiner Kategorie. Der graue Balken weiter rechts illustriert die gute Performance im Jahr 2020, als der Fonds zum besseren Drittel der Kategorie zählte. 2019 war der Fonds wiederum relativ schwach; 2018 hatte er einen guten Lauf, nachdem er 2017 zu den schlechtesten vier Prozent der flexiblen Mischfonds gezählt hatte.

Grafik: Die wechselvolle Langfrist-Bilanz der Top-Fonds 2022

Mischfonds Bilanz 2022

Die obere Grafik zeigt die Tücken der Vergangenheits-Renditen: Wer von ihnen angelockt wird, läuft Gefahr, vor einer Schwächephase des Fonds zu investieren. Das hat auch bei Langfrist-Investments schlechte Konsequenzen für die Anlegerrendite. Wer nach einem guten Fondsjahr investiert könnte in nicht allzu ferner Zukunft Schiffbruch erleiden.

Die Moral der Geschichte: Mischfonds sollten idealerweise breit diversifizieren, weil sie typischerweise die Funktion einer Vermögensverwaltung innehaben. Dabei sind durchaus taktische Umschichtungen sinnvoll, wobei diese in Einklang mit der Fondsstrategie stehen sollten. Den größten Erfolg versprechen Mischfonds mit einem risikobewussten Ansatz. Diese Fonds kitzeln zwar nicht das letzte Performance-Pünktchen aus den Märkten heraus, aber sie gehen daher nicht zu große Risiken ein. Das ist bei Mischfonds für Privatanleger sinvoll. Wer nicht das nötige Geld hat, um selber in Aktien und Anleihen zu investieren, ist auf die „Vermögensverwaltung des kleinen Mannes“ angewiesen. Hier sollten der absolute Ertrag bzw. das Risikomanagement im Vordergrund stehen.

Anleger wiederum sollten ihrerseits allerdings ihre „Animal Spirits“ zügeln und bedenken, dass sich auch die schönsten Vergangenheits-Renditen nicht mehr einfangen lassen. Daher sollten sie kurzfristig Vorsicht bei den High-Performern walten lassen. Sollten sie dennoch ein Faible für riskantere Fonds haben, sollte der EInstieg nicht nach einer spektakulär guten, sondern nach einer spektakulär schlechten Performance erfolgen. Denn dann sind die Risikoprämien am höchsten.

Die Envestor Mischfondsserie in der Übersicht:

Teil I: Mischfonds, eine Einführung
Teil II: Die besten und die schlechtesten Mischfonds 2022
Teil III: Die Bilanz der größten Mischfonds am Markt
Teil IV: Wie die großen Fondsanbieter abschneiden

 

Über den Autor

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Ali Masarwah

Ali Masarwah ist Fondsanalyst und Geschäftsführer von envestor. Er beschäftigt sich seit über 20 Jahren mit Fonds und ETFs, zuletzt als Analyst beim Research-Haus Morningstar.
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